Die Unesco nimmt auch den dänischen Teil auf die begehrte Schutzliste. Doch Naturschützer warnen: Es darf dort weiter nach Öl gebohrt werden. Nützt das begehrte Etikett mehr dem Tourismus als der Natur?

Doha. Die Unesco hat das Weltnaturerbe Wattenmeer erweitert. Nach der Entscheidung der Kulturorganisation der Vereinten Nationen vom Montag in Doha gehören nun auch der dänische Teil des Wattenmeers und zusätzliche niedersächsische Offshore-Gebiete zum Welterbe der Menschheit. Kritiker beklagen, Ausnahmegenehmigungen erlaubten weiterhin Ölbohrungen – und das Etikett Welterbe nütze vor allem dem Tourismus.

Das grenzüberschreitende Weltnaturerbe Wattenmeer erstreckt sich auf 11.500 Quadratkilometern über Deutschland, Dänemark und die Niederlande. Das Areal gilt als weltweit größtes zusammenhängendes Watt-Inselgebiet. Teile davon sind schon seit 2009 auf der Unesco-Liste. Allein das niedersächsische Welterbegebiet wuchs nach Angaben des Landesumweltministeriums um 47.000 Hektar.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) begrüßte die Entscheidung: „Das Wattenmeer als eine der weltweit faszinierendsten Landschaften steht damit auf einer Stufe mit dem Grand Canyon in den USA, dem Great Barrier Reef vor der Küste Australiens und der Serengeti in Tansania.“ Jens Enemark, Leiter des Wattenmeersekretariats (Wilhelmshaven), sagte in Katar: „Das ist der größte Erfolg für die gemeinsamen Bemühungen der drei Wattenmeerstaaten seit der Gründung der Zusammenarbeit 1978.“ Ziel sei es, „dieses einzigartige Gebiet gemeinsam zu schützen und zu erhalten“.

Auch der Naturschutzbund WWF sprach von einer „einmaligen Naturlandschaft vor unserer Küste“, kritisierte aber Regelungen, die nach wie vor Ölbohrungen und militärische Übungen erlaubten. Anja Szczesinski, Referentin für Wattenmeerschutz beim WWF Deutschland, erklärte dennoch: „Auch wenn hier dringend nachgebessert werden muss, ist der Beschluss aus Doha für den WWF ein Grund zu großer Freude.“ Den Status Weltnaturerbe auf das dänische Wattenmeer zu erweitern, sei konsequent und zeige die Bedeutung des grenzüberschreitend zusammengehörenden Lebensraumes.

Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) kommentierte: „Naturschutz darf an Grenzen nicht haltmachen. Aus diesem Grund freue ich mich sehr, dass das Weltnaturerbe Wattenmeer nun komplett ist.“ Das Ökosystem Wattenmeer brauche eine gemeinsame Strategie.

Der Wattenrat Ost-Friesland bemängelte dagegen, die Erweiterung um die Wasserflächen des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer werde „die Schutzinhalte des Nationalparks nicht ansatzweise verbessern“. Die Nationalparkverwaltung habe nach der Ausweisung als Weltnaturerbe 2009 mehr als 20 Kitesurf-Flächen von Cuxhaven bis Emden genehmigt – mit „rechtlich fragwürdigen „Befreiungen“ vom Nationalparkgesetz“. Die großen beweglichen Zugdrachen vertrieben Vögel, außerdem seien einige Wattvogelarten im Nationalpark stark rückläufig. Strandbrütende Arten wie Zwergseeschwalbe oder Seeregenpfeifer drohten auszusterben.

Nach Einschätzung des Wattenrats leiden auch Seehunde und Kegelrobben unter den Störungen an Ruheplätzen durch Wattwanderer oder Bootsbesatzungen: „Das Etikett „Weltnaturerbe“ wird ausschließlich von der Tourismusindustrie zur Steigerung des Fremdenverkehrs an der Küste benutzt, der Natur hat dieses Etikett bisher nicht genützt.“

Am Wochenende hatte die Unesco bereits die 822 gegründete Benediktinerabtei Kloster Corvey im westfälischen Höxter zum Weltkulturerbe erklärt. Weltweit gibt es mit den Entscheidungen von Doha inzwischen mehr als 1000 Welterbestätten für Kultur oder Natur, in Deutschland sind es nun 39. Auf der Warteliste stehen unter anderem die Speicherstadt in Hamburg und das Heidelberger Schloss. Die nächste Tagung des Unesco-Welterbekomitees ist 2015 in Bonn geplant.