Helgoland. Vertreter von Inseln und Halligen beraten auf Helgoland erstmals gemeinsam über Strategien gegen Klimawandel und Wohnungsnot.
Deutschlands Inseln können aus Sicht von Schleswig-Holsteins Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) „Testlabore“ für die Lösung wichtiger Zukunftsfragen sein. „Wenn es auf den Inseln und Halligen funktioniert, dann funktioniert es überall“, sagte Albrecht am Donnerstag auf der 1. Deutschen Inselkonferenz auf Helgoland. Die Inseln in Nord- und Ostsee seien ein Brennglas der Herausforderungen im ländlichen Raum insgesamt. Dort sei Wirtschaften im Einklang mit der Natur oder die medizinische Versorgung schwieriger zu gewährleisten als an Land.
Noch bis einschließlich Freitag geht es auf Helgoland um zentrale Probleme der deutschen Inseln wie den steigenden Meeresspiegel und den Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Mehr als 100 Politiker, Tourismusmanager und Experten beraten über diese Themen. Vom Bundestag und der Europäischen Union (EU) fordern sie Unterstützung, etwa eine Befreiung von der EEG-Umlage für den Stromimport, um ihre Standortnachteile zumindest teilweise auszugleichen. Am Freitag wollen die Teilnehmer eine Resolution mit Forderungen an die Politik beschließen.
Kauf von Häusern und Wohnungen wird immer teurer
„Der Klimawandel ist das zentrale Thema der Konferenz“, sagte Helgolands Bürgermeister Jörg Singer (parteilos). Die Menschen auf den Inseln sorgen sich auch um bezahlbaren Wohnraum. Der Kauf von Häusern und Wohnungen wird dort immer teurer. Das gilt nicht nur für die Luxusinsel Sylt, wie der Ende 2018 vorgestellte Immobilienatlas der LBS Bausparkasse zeigte: Auf Sylt stiegen die Quadratmeterpreise für Häuser um 7,7 Prozent auf durchschnittlich gut 10.600 Euro, für Wohnungen um 3,5 Prozent auf 7150 Euro.
„Es geht darum, wie wir dem Ausverkauf der Inseln entgegenwirken können“, sagte Singer. Im Resolutionsentwurf werden Regelungen gefordert, die dieser Entwicklung Einhalt gebieten sollen. Die Insel-Verantwortlichen fordern komplette Planungshoheit, um den gesellschaftlichen Zerfall der Inseln zu stoppen.
Gründung eigener Inselgenossenschaften wäre ein richtiger Schritt
Der Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), Andreas Breitner, sieht vor allem die Inselgemeinden selbst in der Pflicht: „Gerade auf den Inseln entsteht bezahlbarer Wohnraum nur dann, wenn das Gemein- vor das Einzelwohl gestellt wird.“
Die Inseln könnten selbst Bau und Verwaltung von Wohnungen übernehmen, die Gründung eigener Inselgenossenschaften wäre ein richtiger Schritt. Zudem liege der Fokus oft zu sehr auf dem Tourismus, sagte Breitner. „Bislang werden Baugebiete eher für neue Hotels oder Feriensiedlungen ausgewiesen als für bezahlbare Wohnungen. Hier müssen die Inseln ihren Kurs ändern.“
Die Gemeinden müssten gegen die Zweckentfremdung von bezahlbaren Wohnungen für touristische Zwecke vorgehen. Auch die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen müsse unterbunden werden.
Grundstücksvergabe nur bei niedrigen Mieten?
„Zudem müssen die Inseln ihr Augenmerk auf den Abbau der Bürokratie richten“, sagte Breitner. „Kürzere Baugenehmigungsverfahren und ein Eingehen auf die Anforderungen von Wohnungsbauunternehmen sind unverzichtbar. Das könnte dadurch ergänzt werden, dass die Inselverwaltungen geeignete Baugrundstücke an Investoren nur noch mit der Vorgabe vergeben, dass dort Wohnraum errichtet wird, dessen Miete über mehrere Jahrzehnte deutlich unter dem allgemeine Mietspiegel liegt.“ Breitner schlug zudem vor, dass „zentrale Wohnungsbaukoordinatoren“ eingesetzt werden. „Inseln haben eine spezifische Lage und sind schwer vergleichbar“, sagte er. „Planungsrechte, Baukosten, Tourismus und vieles mehr machen den Insel-Wohnungsbau zu Unikaten. Wir brauchen für diese spezifischen Inselanforderungen einen Verantwortlichen, der den Bau bezahlbarer Wohnungen für alle Inseln steuert.“
Förderprogramme an Inselbedingungen anpassen
Damit ließen sich staatliche Förderprogramme den besonderen Bedingungen der Inseln entsprechend anpassen, und die Inseln hätten einen kompetenten Fürsprecher beim Land.
Nach Angaben von Helgolands Bürgermeister Singer machen die Inseln mit dem Tourismus knapp zwei Milliarden Euro Umsatz im Jahr. Spiekeroogs Bürgermeister Matthias Piszczan sagte, alle Inseln lebten fast nur vom Tourismus. Die besondere Lage im Meer und im Wattenmeer machten diese Destinationen so einzigartig und beliebt. „Was nutzt uns aber diese Einzigartigkeit, wenn es weiter so voran geht, dass finanzkräftige Investoren von außerhalb alles an sich reißen und sich letztlich überhaupt nicht um die Inseln und Orte kümmern?“