Kiel. Dreckige Bahnsteige, defekte Toiletten und die Beleuchtung bemängeln Gutachter im Norden. Wenige Bahnhöfe überzeugen.

Unabhängige Gutachter haben alle 182 Bahnstationen in Schleswig-Holstein überprüft – und mit der Durchschnittsnote 2,61 das zweitschlechteste Ergebnis der letzten 15 Jahren vergeben. Das teilte der Nahverkehrsverbund Schleswig-Holstein (Nah SH) mit, der die Qualitätskontrolle regelmäßig alle sechs Monate in Auftrag gibt. „Schlechter als in diesem Winter war der Wert nur im Winter 2017“, so Sprecher Dennis Fiedel. Damals lag er bei 2,63.

Zwar konnten die Gutachter im Vergleich zum Sommer (2, 58) leichte Verbesserungen bezüglich Sauberkeit und Instandhaltung feststellen, die schlechten Noten bei der Beleuchtung drückten diese allerdings wieder runter. Fiedel spricht von einem „historisch schlechten Ergebnis“: An insgesamt 54 Prozent aller Stationen stellten die Gutachter Beleuchtungsmängel fest. An 78 Stationen war mindestens ein Bahnsteiglicht defekt, an 51 Stationen mindestens eine Lichtquelle in einem Zugang. Auch in Informationsvitrinen, Unterständen, Schildern und Uhren fanden die Gutachter defekte Leuchtmittel vor. An den elf Stationen Bargteheide, Kupfermühle, Mölln, Fresenburg, Müssen, Plön, Beldorf, Hademarschen, Sandwehle, Katharinenheerd und Tiebensee waren bei Dunkelheit nicht einmal die Fahrplanaushänge lesbar. Die Bahnhöfe Pinneberg und Süderbrarup wurden wegen der umfangreichen Baumaßnahmen in diesem Winter nur teilweise bewertet.

Taubenkot und Exkremente auf Bahnsteigen

Stark verschmutzt: der wettergeschützte Wartebereich in Lübeck-Kücknitz.
Stark verschmutzt: der wettergeschützte Wartebereich in Lübeck-Kücknitz. © Agentur Bahnstadt

Obwohl die für Sauberkeit und Zustand der Bahnhöfe verantwortliche DB Station & Service ihr Reinigungskonzept geändert hat, bemängelten die Gutachter Verschmutzungen an 13 Bahnhöfen (im Sommer: 24): Am Hauptbahnhof Lübeck in Itzehoe, Flensburg, Norderstedt Mitte und Neumünster waren Bereiche mit Taubenkot verunreinigt, in Rendsburg und Ratzeburg befand sich Müll auf den Bahnsteigen. Besonders eklig: In Travemünde Strand lagen Exkremente neben einer Stütze des Bahnsteigdaches.

Trotz dieses defekten Zugzielanzeigers in Schwarzenbek war zur Zugeinfahrt keine Ansage zu hören.
Trotz dieses defekten Zugzielanzeigers in Schwarzenbek war zur Zugeinfahrt keine Ansage zu hören. © Agentur Bahnstadt

Weitere Missstände gab es auch im Bereich Information der Fahrgäste: In Schwarzenbek war trotz eines defekten Zugzielanzeigers zur Zugeinfahrt keine Ansage aus dem Lautsprecher zu hören; in Fahrenkrug hing acht Tage nach Fahrplanwechsel noch der alte Fahrplan in der Bahnhofs-Vitrine; in Lensahn waren beide Vitrinen zerstört und im Pavillon von Sierksdorf funktionieren die Leuchten im Warteraum nicht - er wurde nur durch das Licht der Vitrine erhellt. An allen Stationen mit Fahrkartenautomaten, die keine Bargeldzahlung akzeptieren, gab es keine Hinweise, wie sich Fahrgäste ohne Kreditkarte verhalten sollen..

Auch ohne Uhr habe es Fahrgäste schwer. An 61 Stationen bemängelten die Gutachter mindestens eine Uhr. Das übertrifft den bisherigen Höchstwert aus dem Vorjahr um vier Prozentpunkte.

Gute Noten für AKN-Stationen

Doch es gab für einige Stationen auch Bestnoten. So erhielten unter anderem Bad Bramstedt, Boostedt, Großenaspe und Kaltenkrichen (Holstentherme) in allen Teilbereichen ein „sehr gut“. Sieben der gut bewerteten Stationen liegen im Zuständigkeitsbereich der AKN Eisenbahn GmbH, die bislang bei allen Qualitätsbewertungen die besten Ergebnisse einfahren konnte. Der Bahnhof Rendsburg bekam dagegen die Gesamtnote „mangelhaft“: Dort fehlte unter anderem monatelang der komplette Wetterschutz.

Die Qualitätskontrollen der Stationen in Schleswig-Holstein lässt der NAH.SH seit Herbst 2001 überprüfen: einmal im Sommer und einmal im Winter. „Damit wollten wir die zunehmende Problematik auf den Bahnhöfen in den Griff bekommen und langfristig zu verbessern“, so Sprecher Dennis Fiedel. Der Erfolg ist jedoch nur mäßig. Im Vergleich zum vorigen Sommer wurden bei der aktuellen Kontrollen zwar 24 Stationen besser bewertet, an 30 Stationen hat sich die Qualität aber verschlechtert.

Stark beschädigte und abgeklebte Vitrinenscheibe in Lensahn: der Fahrplan war nicht mehr vollständig lesbar.
Stark beschädigte und abgeklebte Vitrinenscheibe in Lensahn: der Fahrplan war nicht mehr vollständig lesbar. © Agentur Bahnstadt

„Wir hatten gehofft, dass die Kritik der vergangenen Jahre gefruchtet hat. Leider hat sich der Zustand an den Bahnstationen nicht verbessert“, wird Stefan Barkleit, Landesvorsitzender vom Fahrgastverband Pro Bahn Schleswig-Holstein, von den Lübecker Nachrichten zitiert. Ähnlich ernüchtert klingt Dennis Fiedel, der von einer „Zickzack-Bewegung“ bei der Bahn spricht. Es gab eine kontinuierliche Phase der Verbesserung. Dann hat die Deutsche Bahn interne Prozesse geändert, seitdem geht es wieder abwärts.“ Der Bahnhof Neumünster etwa sei ein „dauerhaftes Ärgernis“. Der Nahverkehrsverbund werde mit dem Bericht auf die Bahn zugehen – und mit der Bitte, alle Missstände zu beheben.