Hamburg/Elsfleth. Geschäftsführer der Elsflether Werft gewährten Filmprojekt eines Hamburger Schauspielers großzügiges Darlehen.
Die Elsflether Werft hat einen Millionenbetrag in ein Filmprojekt des Hamburger Schauspielers Stephen Dürr gesteckt. Das bestätigt der neue Aufsichtsratschef des Unternehmens, Pieter Wasmuth. Das Unternehmen ist seit Monaten in den Schlagzeilen. Denn die kleine Werft im niedersächsischen Elsfleth arbeitet seit November 2015 an der Sanierung der „Gorch Fock“, des Segelschulschiffs der Deutschen Bundesmarine. Und diese Arbeiten haben sich von anfänglich zehn Millionen Euro auf nun 135 Millionen Euro verteuert. Im Dezember verhängte das Verteidigungsministerium deshalb einen Zahlungsstopp, im Februar musste die Werft deshalb Insolvenz anmelden.
Gegen die beiden im Januar abgelösten Geschäftsführer laufen Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Osnabrück wegen des Verdachts der Untreue. Das Geld, das in Dürrs Filmprojekt geflossen ist, wurde über die InterMartec ausgezahlt – einer Firma, die die damaligen Werft-Geschäftsführer 2012 gegründet hatten.
Niemand weiß, wer die Filmrechte besitzt
„Die InterMartec GmbH ist mit 50 Prozent an der Firma Sintense Film GmbH beteiligt“, sagt Aufsichtsratschef Wasmuth. „Die anderen 50 Prozent gehören dem Schauspieler und Filmproduzenten Stephen Dürr. Er plant nach eigener Aussage eine Filmserie über die Marine, sie soll ,True North’ heißen. Die Intermartec GmbH hat 1,5 Millionen Euro unbesicherte Darlehen an die Sintense Film GmbH zur Finanzierung dieser Serie gewährt. Das Geld kam von der Elsflether Werft.“ Die hatte nach Erkenntnissen von Wasmuth, der erst seit Ende Januar im Amt ist, insgesamt rund 29 Millionen Euro an Darlehen vergeben – davon 12,3 Millionen Euro an die InterMartec.
Warum sich das Unternehmen ausgerechnet an einer Filmproduktion beteiligte, bleibt unklar. Stephen Dürr will Fragen dazu nicht beantworten. Nur eine ganz allgemein gehaltene Auskunft ist zu bekommen. „Das Ziel der InterMartec war und ist es, durch die Kooperation bei der Sintense Film GmbH Gewinne zu erwirtschaften, die das Investment übersteigen“, sagt er. Ob diese Gewinne tatsächlich zu erwirtschaften sind, ist nach Einschätzung von Wasmuth mehr als unklar – zumal auch nicht bekannt sei, wer die Filmrechte hat.
Kosten für Sanierung der „Gorch Fock“ stiegen rasant
Das Jahr 2017, Gründungsjahr der Sintense GmbH und Jahr des Darlehensflusses, war für die Werft und für die „Gorch Fock“ ein schwieriges Jahr. Schon 2016 waren die Kosten für die Sanierung rasant gestiegen. So ist es einem Prüfbericht des Bundesrechnungshofes zu entnehmen. Im März waren es 12,2 Millionen Euro, im April 22,1 Millionen Euro, im August 33,5 Millionen Euro, im September 64,5 Millionen Euro.
Im Oktober verhängte das Verteidigungsministerium einen Baustopp, der im Januar 2017 wieder aufgehoben wurde. Trotz der gestiegenen Kosten sollte das Schiff fertiggebaut werden. Doch 2017 wurden immer mehr Schäden entdeckt, und weitere Kosten kamen hinzu.
In Elsfleth sorgte man sich damals um den Riesenauftrag, der die Existenz der Werft sicherte. Welche Folgen würde der neuerliche Preisanstieg haben? Würde die Marine den Auftrag stoppen? Monate der Ungewissheit vergingen. Erst im März 2018 fiel die Entscheidung. Trotz des Kostenanstiegs auf nunmehr 135 Millionen Euro sollten die Arbeiten an der „Gorch Fock“ fortgesetzt werden.
TV-Serie sollte Deutsche Marine in den Mittelpunkt stellen
Stephen Dürr war da seinem Traum von einer Filmserie über die Marine einen erheblichen Schritt nähergekommen – auch dank des Millionendarlehens. Schon seit 2011 arbeitet er an seinem Projekt – so war es jedenfalls 2015 auf der Internetseite der Marine zu lesen. „Marine sticht in See“ lautete die Überschrift. Dürr plane eine „Fernsehserie, in der die Deutsche Marine im Mittelpunkt stehen wird, ihre Geschichten und Schauplätze“.
Gedreht werden sollte unter anderem „in Deutschland, Südafrika und auf den sieben Weltmeeren“. Unterstützung bekam Dürr dafür von alleroberster Stelle. Vizeadmiral Andreas Krause, der Inspekteur der Marine, sagte 2015: „Mit einer fiktionalen Fernsehserie über die Offiziersausbildung der Marine gehen wir einen Schritt weiter. Wir werden mit dieser Fernsehserie die Marine in die Wohnzimmer der Bevölkerung tragen.“ Aus der Idee einer Fernsehserie ist dann nichts geworden. Der „Hannoverschen Allgemeinen“ erzählte Dürr im Februar dieses Jahres, dass er die Serie, die aus acht Folgen bestehen solle, mit Hilfe von Privatinvestoren selbst finanziere.
Jetzt geht es um fiktive politische Spannungen in der Arktis
Zwar hätten ihm Verträge von Produktionspartnern vorgelegen, aber „am Ende hätte ich mit jedem Vertrag einen Großteil der kreativen Freiheit abgeben müssen“, sagte er der Zeitung. Nach Fertigstellung der Serie wolle er „mit großen Streamingdiensten“ über die Ausstrahlungsrechte verhandeln. Die Dreharbeiten an Bord von Schiffen der Bundesmarine hätten bereits begonnen.
Anders als von Vizeadmiral Krause angekündigt, steht nun nicht mehr die Offiziersausbildung im Mittelpunkt des Filmes. In der „Actionserie“ geht es offenbar um komplett fiktive politische Spannungen in der Arktis und um die Besatzung einer Fregatte, die „in eine Bedrohungslage gerät“. Dürr selbst spielt einen Hubschrauberpiloten, der auf U-Boot-Jagd geht. Für den Vizeadmiral war das kein Grund, dem Hamburger Produzenten die Unterstützung zu entziehen. Im Gegenteil: Bei der 59. HiTaTa (historisch-taktische Tagung) der Marine am 10. Januar dieses Jahres schwor er seine Untergebenen noch einmal darauf ein, bei „True North“ mitzuwirken. „Weiterhin verspreche ich mir von der von Stephen Dürr produzierten Serie eine deutliche Erhöhung des Bekanntheitsgrades der Marine. Für die letzten Drehtage fordere ich alle Beteiligten auf, diese nach Kräften zu unterstützen.“
Ein Handy-Filmchen steht im Netz
Andreas Krause sieht in der Serie offenbar einen Gegenpol zu anderen Medien. „In die Hauptstadtpresse schaffen es die Streitkräfte leider vorrangig nur mit negativen Schlagzeilen“, sagte er auf der HiTaTa. Dürr zeigte bei der Tagung einen Trailer zur Serie. Andreas Krause (Twitterkürzel „chiefdeunavy“) war begeistert, stellte ein Handy-Filmchen ins Netz, das einen Saal mit klatschenden Marineoffizieren zeigt, und schrieb dazu: „Marine geht in Serie. Wir freuen uns auf dieses Projekt.“ Zur „Gorch Fock“ sagte der Vizeadmiral in seiner Ansprache übrigens nicht ein Wort – offenbar spielt sie bei der Marine weder historisch noch taktisch eine Rolle.