Hamburg. Aufträge des Griechen brachten Aufschwung. Einen der spektakulärsten erhielten die Howaldtswerke.

Im Juli 1953 verfolgten etwa 100.000 Hamburger rund um die Howaldtswerke den Stapellauf eines Schiffes. Der Senat hatte „griechisches Wetter“ bestellt, passend zum Auftraggeber, dem damals wohl reichsten Mann der Welt. Der Reeder Aristoteles Onassis war mit seiner rund 30 Jahre jüngeren Frau in die Hansestadt gereist sowie seinem fünfjährigen Sohn Alexander und der Tochter Tina (2). Der Turbinentanker sollte auf den Namen „Tina Onassis“ getauft werden. Das Mädchen warf die Champagnerflasche gegen den Bug des Schiffes, und Alexander drückte den Knopf, damit der Riesentanker in die Elbe gleiten konnte.

Recherchen des NDR-Fernsehens dokumentieren jetzt, wie wichtig die Aufträge des griechisch-argentinischen Unternehmers nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges für Norddeutschland waren. Das Wirtschaftswunder wäre ohne ihn wohl nicht so schnell zustande gekommen.

Grieche ließ in Hamburg Walfangflotte bauen

Der Film „Als der Tankerkönig in den Norden kam“ erzählt, wie Onassis mit seinen Aufträgen die Werften in Hamburg, Kiel und Bremerhaven wieder auf Trab brachte und fast 60 Prozent der Aufträge bescherte. Dazu ließ der Grieche in Hamburg seine private Walfangflotte bauen, stellte norddeutsche Männer als Walfänger ein und ließ seine Luxusyacht aufwendig in der Hansestadt restaurieren. „Wunderbar und herrlich ehrlich erzählt Peter Tamm in einem seiner letzten Interviews über seine Zeit mit Onassis und was der Norden ihm zu verdanken hat“, sagt Marc Brasse, Leiter der für die Reihe „Unsere Geschichte“ zuständigen NDR-Abteilung Dokumentation und Reportage.

1906 im heutigen Izmir (Türkei) geboren, gelang dem Sohn eines Tabakhändlers gleichsam der Aufstieg vom Tellerwäscher bis zum Multimillionär. Zunächst wanderte Onassis nach Argentinien aus, um in Buenos Aires sein Glück zu versuchen. Innerhalb von fünf Jahren, heißt es in dem Film der beiden Autoren Sandra Papadopoulos und Gabriel­e Wengler, habe er eine Million Dollar im Tabakgeschäft verdient, vor allem mit der Produktion leichter Damenzigaretten. Danach stieg Onassis in das Geschäft mit Frachtschiffen ein, die er um den Preis eines Zehntels ihres ursprüngliches Wertes kaufte.

In Hamburg witterte er das große Geschäft

Es war 1947, als der junge Reeder erstmals nach Hamburg kam und dort das große Geschäft witterte. Die Norddeutschen waren dankbar für das unternehmerische Interesse des Griechen. „Denn wir kamen aus dem totalen Trümmerhaufen“, erinnert sich der 2016 verstorbene Gründer des Maritimen Museums, Peter Tamm. Das erste Schiff lief bei der AG Weser vom Stapel, ein Tanker. 1954 folgte in den Hamburger Howaldtswerken der Megatanker „Al-Malik Saud Al-Awal“ mit einer Tragfähigkeit von 50.000 Tonnen. Das Schiff übertraf den Vorgängerbau „Tina Onassis“. Zur Erfolgsgeschichte gehörten nach Ansicht von Experten drei Faktoren: griechisches Unternehmertum, amerikanische Fonds und deutsches Know-how.

Den wohl spektakulärsten Auftrag erhielten die Howaldtswerke Kiel mit dem Umbau einer 100 Meter langen kanadischen River-Klasse-Fregatte (Baujahr 1942/43) zur Luxusyacht. Als „Christina O“ nahm der Unternehmer und Playboy das neue Spielzeug in Besitz, das ihm zum schwimmenden Büro und zum zweiten Zuhause werden sollte.

Verantwortlich für den Umbau war der Hamburger Cäsar Pinnau (1906–1988), einer der erfolgreichsten deutschen Architekten der Nachkriegszeit. Er musste zahllose Sonderwünsche seines Auftraggebers realisieren, darunter einen Alu-Schornstein, angefertigt in Eckernförde, und ein Schwimmbad, das sich hydraulisch bewegen ließ. Dass Onassis goldene Wasserhähne wollte, versteht sich von selbst. Kapitän war von 1953 bis 1960 übrigens der Hamburger Willy Schlatermund.

Die Mächtigen der Welt waren bei ihm zu Gast

Auf der Yacht waren die Reichen, Mächtigen und Schönen dieser Welt zu Gast, so Winston Churchill, Frank Sinatra, Elizabeth Taylor und Maria Callas. Die Opernsängerin wurde seine neue Frau. Doch auch diese Liaison währte nicht lange. Nach der Ermordung von John F. Kennedy heiratete er dessen Witwe, die Stil-Ikone Jacqueline („Jacky“). Im Alter von Mitte 60, heißt es in dem Film, sei Onassis noch immer „hungrig“ gewesen.

Das späte Glück des norddeutschen Wirtschaftswunder-Helfers währte allerdings nicht lange. Nach dem Unfalltod seines Sohnes Alexander erkrankte Onassis 1974 an einer seltenen Muskellähmung. Am 15. März 1975 starb der Reeder in seiner Pariser Villa, neben ihm ein Taschenrechner, ein Buch und ein Kruzifix.