Kostenexplosion auf 135 Millionen Euro: Verteidigungsministerin lässt alle Rechnungen prüfen, so lange wird nicht weiter gezahlt.
Die millionenteure Sanierung des Segelschulschiffs „Gorch Fock“ ist vorerst gestoppt. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat am Donnerstag bei einem Krisentreffen in Berlin entschieden, dass die Zahlungen eingestellt werden. „Ich mache mir große Sorgen um die ,Gorch Fock‘“, sagte sie der „Rheinischen Post“. Das marode Schiff liegt seit Anfang 2016 im Dock. Die Instandsetzungskosten, die ursprünglich bei zehn Millionen Euro liegen sollten, sind mittlerweile auf 135 Millionen gestiegen. Über die Zukunft des Schiffs will das Ministerium erst nach ausführlichen Prüfungen entscheiden. Das endgültige Aus für den Großsegler bleibt damit weiterhin im Bereich des Möglichen.
Keine Rechnungen werden bezahlt
Allerdings ist für die Sanierung schon sehr viel Geld gezahlt worden. Christian Scherrer, Sprecher des Ministeriums, sagte: „Bislang sind 69,5 Millionen Euro der Gesamtsumme abgeflossen. Offene Rechnungen werden nun allerdings nicht mehr bezahlt.“ Dieser Zustand halte so lange an, bis die Ermittlungen abgeschlossen seien. Drei Institutionen müssten in diesem Zusammenhang Ergebnisse liefern: die Staatsanwaltschaft Osnabrück, die Elsflether Werft und die Fachleute im Ministerium. Die Staatsanwaltschaft beschäftigt sich derzeit mit einer Selbstanzeige eines Marinemitarbeiters. Es geht um den Verdacht der Korruption. Der Mann war mit Rechnungsprüfungen bei der „Gorch Fock“-Sanierung betraut und hat nach eigenen Angaben einen Millionenkredit eines großen Auftragnehmers angenommen.
Der Windjammer bietet ein Bild des Jammers
Die Werft im niedersächsischen Elsfleth hat seit rund 18 Jahren nahezu alle Reparaturen an dem Großsegler vorgenommen. Elsflether Werft und „Gorch Fock“ – das ist ein fast symbiotisches Verhältnis. Der aktuelle Auftrag ist vermutlich der größte, den das kleine Unternehmen (Firmenslogan: „Wir sind Werft“) je ausgeführt hat. Um ihn zu retten, hatte der Aufsichtsrat vor wenigen Tagen entschieden, die erhobenen Vorwürfe einer „unabhängigen Untersuchung“ zu unterziehen. Diese Untersuchung will das Ministerium jetzt abwarten. Aber es wird auch selbst aktiv. „Wir werden alle Kostenabrechnungen unter die Lupe nehmen“, sagte Ministeriumssprecher Scherrer.
Für die „Gorch Fock“ bedeutet das wohl: Sie wird noch länger im Dock liegen müssen als ohnehin schon geplant. Anfang 2020 sollte sie fertig sein. Weil für das Dock Miete gezahlt werden muss, verteuert jeder zusätzliche Tag die Gesamtrechnung.
Derzeit bietet der Windjammer ein Bild des Jammers. Das Schiff ist vollständig entkernt worden, es besteht nur noch aus dem mastenlosen, nackten Stahlrumpf. Das Schiff muss vollkommen neu aufgebaut werden.
Bundesrechnungshof ist eingeschaltet
Ob sich das lohnt? Im Verteidigungsministerium schaut man bei der Beantwortung dieser Frage nicht nur auf die Ermittlungen der drei genannten Institutionen. Eine endgültige Entscheidung wurde an diesem Donnerstag offenbar auch deshalb nicht getroffen, weil sich der Bundesrechnungshof des Falles angenommen hat. Die Staatskontrolleure wollen in der kommenden Woche einen Berichtsentwurf zum Thema „Gorch Fock“ vorlegen. Das Wort der Rechnungsprüfer hat durchaus Gewicht.
IG Metall unterstützt Elsflether Werft
Nach der Entscheidung der Verteidigungsministerin meldeten sich am Donnerstag erneut Gegner und Unterstützer des Schiffs zu Wort. Aloys Altmann, Chef des Steuerzahlerbunds Schleswig-Holstein, sagte: „Unsere Empfehlung ist es, jetzt aufzuhören. Das Elend dauert schon viel zu lange.“ Das Ministerium habe es von Anfang an versäumt, die Frage zu klären, ob die Instandsetzung des Schiffs überhaupt sinnvoll sei. Seemännische Gründe gebe es dafür jedenfalls nicht. „Wer einen Trecker fahren will, fängt auch nicht mit Übungen auf dem Pferd an“, sagte Altmann. Rund 70 Millionen Euro seien nun schon verloren, aber immerhin 65 Millionen Euro könne man noch retten, wenn man die Arbeiten an der „Gorch Fock“ beende.
Die Industriegewerkschaft (IG) Metall Küste fordert das Verteidigungsministerium auf, das Schiff auf der Elsflether Werft weiterzubauen. „Die Beschäftigten können nichts für die schwierige Situation. Bei der Entscheidung über die ,Gorch Fock‘ geht es auch um die Zukunft der Werft und der etwa 130 Beschäftigten“, sagte Bezirksleiter Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall Küste.
Patenschiff von Hamburgs Bürgerschaft
In der Hansestadt Hamburg spielt der Großsegler eine besondere Rolle. Er ist seit dem Stapellauf bei der Hamburger Werft Blohm+Voss im Jahr 1958 das Patenschiff von Bürgerschaft und Senat. Die „Gorch Fock“ ist also eine waschechte Hamburgerin. Sprecher von Bürgerschaft und Senat sagten gestern, man hoffe auf eine „gute Lösung“ für das Segelschulschiff der Bundesmarine.