Elsfleth/Berlin. Heute entscheidet sich in Berlin das Schicksal des bekannten Schiffs. Die „Gorch Fock“ muss immer öfter in die Werft.

Das Segelschulschiff „Gorch Fock“ ist seit 1958 auf den Weltmeeren unterwegs und dabei in manch schwere See geraten. Doch das war alles nichts – verglichen mit dem Sturm, der sich jetzt über dem „Stolz der Bundesmarine“ zusammenbraut. Korruptionsverdacht, staatsanwaltliche Ermittlungen, in schwindelerregende Höhen schnellende Instandsetzungskosten: Kein Wunder, dass es am heutigen Donnerstag im Berliner Bundesverteidigungsministerium zu einem „Gorch Fock“-Gipfel kommen wird. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und die Marinechefs wollen klären, wie es weitergeht mit dem 1958 in Hamburg vom Stapel gelaufenen Segelschiff. Durchaus möglich, dass am Ende aller Überlegungen der Untergang der „Gorch Fock“ steht. Braucht die Marine wirklich ein 60 Jahre altes Segelschiff, in das 135 Millionen Euro gesteckt werden müssen, um es fit zu machen?

Bei der Beantwortung dieser Frage gehen die Meinungen stark auseinander – gewissermaßen mal nach Backbord, mal nach Steuerbord. Besonders an der Küste hat der Segler viele Fans. Gerade hat sich ein komplettes Bundesland zu solidarischen Mitseglern erklärt. Klaus Schlie (CDU), der Präsident des schleswig-holsteinischen Landtags, ließ per Pressemitteilung verlauten: „Der Erhalt der ,Gorch Fock‘ liegt im Interesse unseres ganzen Landes.“ Das Schiff sei ein „nationales Symbol“, sagte er, es breche „diplomatisches Eis“ und verbinde Menschen. Nur auf einem Segelschiff könne man das seemännische Handwerk von der Pike auf lernen und die Gewalten des Meeres unmittelbar erleben.

Schiff ist immer öfter in der Werft

Dumm ist nur, dass auch das Schiff selbst die Gewalten des Meeres recht unmittelbar erlebt – und deshalb immer öfter in die Werft muss. Seit 2000 ist das eigentlich stets dasselbe Unternehmen: die Elsflether Werft in Niedersachsen. Sie ist 1994 in Konkurs gegangen und war zwei Jahre später neu gegründet worden. Im Jahr 2000 zogen die ­Elsflether dann das große Los. Sie ­bekamen den Auftrag für die Instandsetzung der „Gorch Fock“. Knapp 30 Millionen Euro soll der Bund dafür bezahlt haben. Viel Geld. Kommandant John Schamong wiegelte damals ab: „Danach ist das Schiff für mindestens 25 Jahre fit“, sagte er.

Doch das war Seemannsgarn. 2002, 2004, 2006 und 2010, also weit vor 2025, sah man die „Gorch Fock“ erneut in Elsfleth. Die Werft lebte gut mit und von dem Schiff. Der damalige Chef Kurt Wiechmann soll eine Uhr mit hölzernem Zifferblatt getragen haben, gefertigt aus Decksholz der „Gorch Fock“.

Staatsanwaltschaft Osnabrück ermittelt

Es ging dann immer so weiter. 2012 musste in Elsfleth ein Fehler korrigiert werden, der 2010 gemacht worden war. Der Stahlballast im Rumpf war durch Bleiballast ersetzt wurden. Allerdings hatte man die Isolierung vergessen. Das führte zu Beschädigungen des Rumpfes. 2015 begann der nächste Werftaufenthalt. Unter anderem sollte die gesamte Inneneinrichtung, die schon im Jahr 2000 erneuert worden war, erneut ersetzt werden. Zehn Millionen Euro ­sollte das kosten. Weil immer neue Schäden entdeckt wurden, stieg der Betrag rasch auf 70 Millionen Euro, dann auf 135 Millionen Euro. Das sei nun aber auch der endgültig vereinbarte Festpreis, hieß es dazu zuletzt von der Bundesmarine.

Die Werft selbst schwieg zumeist. Am Dienstag verschickte sie immerhin eine dürre Pressemitteilung. Angst klang durch. „Das Unternehmen beabsichtigt, alles Erforderliche zu tun, um das uneingeschränkte Vertrauen, natürlich auch der Marine, in die Elsflether Werft bestmöglich wiederherstellen zu können“, heißt es in dem Text.

Auch zum Korruptionsverdacht nahm die Werft erstmals Stellung. Ein Mitarbeiter des Arsenals der Bundesmarine hatte sich selbst angezeigt. Der Mann war für Preisprüfungen bei der „Gorch Fock“ zuständig und soll ein Darlehen von einem großen Auftragnehmer erhalten haben. Die Werft behauptet nun: „Der Verdacht der Vorteilsnahme eines Mitarbeiters des Marinearsenals steht bereits aufgrund von dessen begrenzter Zuständigkeit nicht in Zusammenhang mit den Kostensteigerungen bei der Sanierung der ,Gorch Fock‘.“ Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft Osnabrück.

Bis 2020 soll Sanierung dauern

Bis 2020 soll die Sanierung noch dauern. Wenn sie denn überhaupt fortgesetzt wird. Der Bundesrechnungshof prüft den Fall gerade. Kommende Woche soll der Entwurf des Berichts fertig sein. Wie gesagt: Es braut sich etwas zusammen. Nils Brandt, der derzeitige Kommandant des Schiffs, sagt: „Ich mache mir große Sorgen.“

Trost finden könnten die Werft und er im plattdeutschen Taufspruch der „Gorch Fock“: „Boben dat Leben steiht de Doot. Ober boben den Doot – steiht wedder dat Leben!“ Kurz gesagt: Irgendwie geht das Leben schon weiter – auch ohne Segelschulschiff.