Kiel. Mit dem Landwirtschaftsminister verlässt ein Meister der Inszenierung das Land. Zum Abschied kam auch der Ministerpräsident.
Im kommenden Jahr wird Robert Habeck 50 Jahre alt. Der Flensburger, seit Januar Bundesvorsitzender der Grünen, ist deutlich älter als Katja Kipping, Bundesvorsitzende der Linken, älter als Christian Lindner, Chef der FDP, sogar älter als Andrea Nahles, Vorsitzende der alten Tante SPD. In der Öffentlichkeit wird der Mann, der am 2. September 49 wird, dennoch als frischer wahrgenommen, als unkonventioneller und jugendlicher – ein Beweis für Habecks mediale Zauberkräfte, die der Flensburger offenbar beliebig einsetzen kann. Am kommenden Freitag gibt er sein Amt als Landwirtschafts- und Energiewendeminister in Schleswig-Holstein auf, um dann ausschließlich Bundesvorsitzender der Grünen zu sein. Sein Ziel: Nach der Bundestagswahl 2021 sollen die Grünen endlich wieder Regierungspartei sein.
Kieler Koalitionsmodell machte Schlagzeilen
Auf dem Weg dorthin wird er noch mehrfach zaubern müssen, und es wird interessant sein zu beobachten, ob sich seine Fähigkeiten nicht irgendwann abnutzen. Bislang ist davon nichts zu spüren – im Gegenteil. Habeck, seit Januar Bundesvorsitzender, hat erfolgreich weggehext, dass die Grünen die kleinste und somit eigentlich unbedeutendste Oppositionsfraktion im Bundestag sind. Der Parteichef ist mit seinem Mix aus Chuzpe und Schnoddrigkeit zum Berliner Medienliebling geworden.
In Schleswig-Holstein werden sie ihn nicht nur deshalb vermissen. Gestern lud der Landesverband der Grünen zu einem „Sommer-Abschiedsfest“. In der „Deichperle“, einem kleinen Restaurant am Ufer der Kieler Förde, ging es nicht um einen letzten Gruß an den Sommer, sondern um den Abschied vom Landesminister Robert Habeck –‑ von der Perle der Nord-Grünen. Über dem Eingang war zu lesen: „Danke, Robert.“ Freunde, Kollegen, Verwandte, Weggefährten waren gekommen. Viele hatten Geschenke dabei.
Lob für sein Kommunikationstalent
Monika Heinold, Finanzministerin und Spitzenkandidatin der Grünen bei der letzten Landtagswahl, lobte Habecks Kommunikationstalent („Du bist wie eine Spinne im Netz“) und schenkte ihm eine Postkarte mit einer Karriereleiter. „Oben ist noch etwas Platz“, sagte sie. Habeck antwortete mit einem Gleichnis. „Im Watt sind unsere Fußspuren nach 30 Sekunden verschwunden“, sagte er über das Politikgeschäft. „Es geht darum, jeden Tag neue Abdrücke zu produzieren.“
Dann kam der Überraschungsgast: Daniel Günther, Ministerpräsident und CDU-Mitglied. Er hielt eine launige Rede, die die Grünen hinriss – so sehr, dass Günther witzelte: „Bitte jetzt nicht so viele Facebook-Likes von den Grünen für mich – das darf keine Schlagseite kriegen.“
Umfragewerte in die Höhe getrieben
Habeck hat in den wenigen Monaten als Grünen-Chef die Umfragewerte seiner Partei in die Höhe getrieben. Bei der Bundestagswahl im September 2017 war sie bei enttäuschenden 8,9 Prozent gelandet. Habeck nervte das. „Keiner will mit uns koalieren, aber wir reden über Ministerposten“, schleuderte er seinen Parteifreunden ins Gesicht. Zuletzt kam seine Partei in Umfragen auf 15 Prozent. Wäre man Börsianer, würde man sagen: Die Performance stimmt.
Das gilt auch für Habeck selbst. Bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein schnitten die Grünen im vergangenen Jahr gut ab – unter anderem auch, weil er als Minister überzeugt hatte. Dass die Küstenkoalition nicht fortgesetzt werden konnte, lag nicht an der Ökopartei, sondern an den Sozialdemokraten und ihrem wenig begeisternden Ministerpräsidenten Torsten Albig. Dennoch hätte man mit der FDP als drittem Partner weiterregieren können.
Doch Habeck, der lieber etwas ganz Neues macht als ewig Altes fortzuführen, zauberte eine Jamaika-Koalition mit CDU und FDP. Da rieben sich manche die Augen: Waren CDU und Grüne im nördlichsten Bundesland nicht eigentlich Erzfeinde gewesen? Würde die Parteibasis diese waghalsige Wende mittragen? Ja. Habeck hexte eine 84-prozentige Zustimmung der Mitglieder herbei.
Damals war er schon auf dem Absprung in die Bundespolitik. 2016, bei der Urwahl der grünen Spitzenkandidaten, hatten seine Zauberkräfte nur ganz knapp versagt. 75 Stimmen fehlten zum Sieg über Cem Özdemir. 2018 machte Habeck einen zweiten Anlauf – und wurde zum Bundesvorsitzenden gewählt. Zum Ende hin hat sein schleswig-holsteinisches Engagement ein bisschen nachgelassen. Als die Landwirte in die Dürrekrise gerieten, hatte Habeck Urlaub. Der selbst ernannte „Draußen“-Minister blieb drinnen und überließ seiner Staatssekretärin Anke Erdmann das trockene Feld der Bauerntröstung. Dennoch sagte er der Nachrichtenagentur dpa jüngst beim ministeriellen Abschiedsgespräch: „Wenn man wissen will, wie es Robert geht, dann ist das Herz schon zerrissen.“
Ja, „Robert“ war sehr gern Minister. Deshalb hat er seiner Partei ja auch eine ansonsten von den Grünen für Teufelszeug gehaltene Übergangszeit der Doppeltätigkeit abgetrotzt: Parteichef und Minister zugleich. Nun ist er nur noch Parteivorsitzender. Regieren ist nicht mehr. Dem Realo, dem Verwirklicher, ist das ein Gräuel. Irrealo will er nun wirklich nicht sein.
Er scheint ständig unter Strom zu stehen
Wie sehr ihn die Macht umtreibt, ist auch einem Film zu entnehmen, der - wie herbeigezaubert – am Donnerstag in die Kinos kommt. „Following Habeck“ heißt er. Erstaunlich ist da, wie sehr der Energieminister Habeck permanent unter Strom zu stehen scheint – selbst bei eigentlich nicht wirklich bedeutsamen Entscheidungen wie seiner Wahl in den Parteirat der Grünen. Wer hat am meisten Macht?, fragt ihn im Film eine Schülerin. Nicht die Parteiämter, sondern die Regierungsämter seien entscheidend, sagt Habeck. Mit dem Regierungsamt ist es nun vorerst vorbei. Noch drei Jahre bis zur Bundestagswahl. Habeck, keine Frage, will zurück an die Macht.