Kiel. Seit Anfang April leitet die Deges das Autobahn-Projekt. Noch vor den Sommerferien sollen konkrete Termine genannt werden.
Es ist, als wolle man mitten im Rennen die Pferde wechseln. Mit der A20 in Schleswig-Holstein passiert gerade genau das. Nach 27 Jahren, in denen viel geplant, aber wenig gebaut wurde, setzt die Landesregierung auf ein neues Pferd. Die Deges, die staatseigene Planungsgesellschaft, soll die Problemautobahn fertigstellen. Im Dezember wurden die Verträge unterschrieben. Anfang April wurden die Pferde gewechselt. Seitdem sind nicht mehr die Mitarbeiter des Landesbetriebs für Straßenbau und Verkehr für die Autobahn zuständig, sondern die Deges. „Wir haben die Projektregie übernommen“, sagt Bernd Rothe, Deges-Bereichsleiter für Hamburg, Schleswig-Holstein und Bremen.
Rothe tritt ein schweres Erbe an. Nur knapp 39 Kilometer des 112 Kilometer langen A-20-Abschnitts in Schleswig-Holstein sind in 27-jähriger Arbeit gebaut worden. Der Rest befindet sich im Planungsstadium. Auch Rothes A-20-Team befindet sich gewissermaßen noch im Planungsstadium. 15 Mitarbeiter beschäftigen sich mit der Problemautobahn, fünf davon wurden neu eingestellt. Weitere sollen hinzukommen. „Das Team wird aus etwa 20 bis 25 Kollegen bestehen müssen“, sagt Rothe.
Kommentar: A 20 – alles auf Anfang
Die A 20 wird nun in Hamburg geplant. Die Planer sitzen in der Deges-Zweigstelle an der Wendenstraße. Rund 900 Aktenordner mit Unterlagen hat der Landesbetrieb nach Hamburg gekarrt. „Wir sind arbeitsfähig. Es geht jetzt zunächst um eine intensive Analyse des Projekts“, sagt Rothe. Wann endlich der Bau der Nord-Süd-Magistrale fortgesetzt wird, mag er nicht sagen. „Vor den Sommerferien“, sagt er, „wollen wir die Termine nennen, die wir beeinflussen können.“ Von diesen Terminen hatte es zuletzt nicht mehr viele gegeben. Auf den noch sechs fehlenden Bauabschnitten bis zur Elbe bei Glückstadt waren die Planungen mehr oder weniger zum Stillstand gekommen. Autobahngegner und Planer hatten sich gewissermaßen ein Gleichgewicht des Schreckens erarbeitet. Es ging weder vor noch zurück.
Bernd Rothe will das ändern. „Wir wollen Planfeststellungsverfahren erarbeiten“, sagt er. Erst am Ende dieser Verfahren kann mit dem Bau begonnen werden. Um in diesem Bereich schneller zu werden, hat Rothe Projektteams gebildet, zu denen auch ein Umweltplaner gehört. Naturschutz-Fragen hatte die
A-20-Bauer in der Vergangenheit immer wieder zurückgeworfen. Unter anderem deshalb war nicht einmal der so wichtige Lückenschluss bis zur A 7 gelungen.
Fledermäuse schützen
Zwei Bauabschnitte fehlen noch. In beiden Bauabschnitten sind Umweltschützer aktiv. Dem Nabu war es 2013 gelungen, den Planfeststellungsbeschluss für den Abschnitt zwischen Weede und Wittenborn zu Fall zu bringen. Das Bundesverwaltungsgericht erklärte den Beschluss für rechtswidrig und verlangte Nachbesserungen beim Fledermausschutz und bei der Streckenführung. Damals hatte man angenommen, dass sich der Baubeginn dadurch um mindestens zwei Jahre verzögern würde. Mittlerweile sind es schon viereinhalb Jahre, und ein Baubeginn ist immer noch nicht abzusehen.
Die beiden „Fehlerheilungsverfahren“ (eines wegen der Fledermäuse, eines wegen der Streckenführung) ziehen sich hin. Klar ist bereits, dass die Fledermäuse mit drei zusätzlichen Bauwerken geschützt werden müssen. Wie man den Tieren am besten hilft, ist aber offenbar weiterhin strittig – jedenfalls zwischen Umweltschützern und Straßenplanern. Hinter verschlossenen Türen verhandeln beide Gruppierungen derzeit darüber, was dort geschehen muss.
Nur knapp 39 Kilometer in 27 Jahren gebaut
Mehr ist nicht zu erfahren. „Wir haben Vertraulichkeit vereinbart“, sagt Ingo Ludwichowski, Chef des Nabu Schleswig-Holstein. Wird keine gemeinsame Linie gefunden, könnten Nabu und BUND auch gegen den nachgebesserten Planfeststellungsbeschluss klagen – was zu mindestens zwei weiteren Jahren Verzögerung führen würde.
Geklagt haben die beiden Verbände schon bereits gegen den sich anschließenden Bauabschnitt, der bis zur A 7 führt. Es sei eine formale Klage, die aus Gründen der Fristwahrung erfolgt sei, sagt der Nabu-Geschäftsführer. Auch hier befindet man sich im Gespräch mit der Deges. Unter anderem geht es um die Frage, wie die Moore in der Schmalfelder Au geschützt werden können. Klar ist: Gibt es keine Einigung, wird geklagt. Auf drei der vier westlich der A 7 anschließenden Abschnitten sieht es noch schlimmer aus. Planfeststellungsbeschlüsse gibt es nicht. Die Pläne sind teils zehn Jahre alt und müssen komplett überarbeitet werden. Außerdem haben sich am Rand der Trasse mittlerweile Zwergschwäne angesiedelt, auch ein Seeadler-Horst wurde entdeckt.
Bau des Tunnels liegt in weiter Ferne
Immerhin: Die Pläne für den letzten Bauabschnitt, zu dem der Elbtunnel bei Glückstadt gehört, haben sich als gerichtsfest erwiesen. 2016 wies das Bundesverwaltungsgericht Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss ab, forderte aber auch hier Nachbesserungen. Dennoch liegt der Bau des Tunnels in weiter Ferne, er macht auch keinen Sinn, solange es für die A 20 in Schleswig-Holstein kein Baurecht gibt. Ob Bernd Rothe das ändern kann, ist unklar. Aber er weiß mittlerweile, woran es hakt. „Das Umweltmanagement steht bei unseren Planungen an erster Stelle“, sagt er. Mit Zwergschwänen kennt er sich schon etwas aus. „Das Problem erscheint lösbar“, sagt er.
Vielleicht ist es auch deshalb lösbar, weil bei der Deges deutlich mehr Menschen über Lösungen nachdenken. Beim Landesbetrieb für Straßenbau waren es zuletzt noch zwölf Mitarbeiter, die sich nicht nur, aber auch um die A 20 kümmerten. Bei der Deges sind es 15 – und bald noch ein paar mehr. Vielleicht hat es sich also doch gelohnt, mitten im Rennen die Pferde zu wechseln.