Lentföhrden. Auf einem Hof bei Kaltenkirchen dürfen Kälber bei ihren Müttern bleiben und weiter trinken – das macht die Milch besonders.

Im Dorf haben sie vom Bullerbü-Hof gesprochen, und meinten das eher verachtend, seine Söhne wurden in der Schule gehänselt. Und das nur, weil Hans Möller vor 15 Jahren der konventionellen Landwirtschaft den Rücken kehrte und stattdessen anfing, ökologische Landwirtschaft zu betreiben. Das kannte man in Lentföhrden bei Kaltenkirchen damals nicht und hatte Vorbehalte. „Bullerbü ist erwachsen geworden“, sagt der Bioland-Bauer heute. Sein Hof läuft gut und mit zwei Kollegen – „De Ökomelkburen“ heißt ihre Firma, plattdeutsch für „Die Öko-Milchbauern“ – will der 52-Jährige seine rund 30 Milchkühe und 90 Kälber und Jungtiere so artgerecht halten wie möglich. Dazu gehört auch seit drei Jahren die Elternzeit für Kühe: Drei Monate lang dürfen die Muttertiere ihre Kälber säugen. Das ist echte Pionierarbeit. Denn die muttergebundene Kälberaufzucht wurde in der modernen Landwirtschaft längst abgeschafft.

Das jüngste Kalb ist gerade eine Woche alt und mittendrin, umgeben von Tanten, seiner Mutter, den drei bis vier Wochen alten anderen Kälbern und Gerrit, dem Zuchtbullen. Seine Rinder gehören zur bedrohten Nutztierrasse „Deutsches Schwarzbuntes Niederungsrind“, die mit 3114 Tieren als gefährdet eingestuft wird. Gerade liegen die Kälber auf dem Stroh. Hans Möller nennt die Strohecke den Kindergarten. Hier ruhen sich die Kuhkinder aus, dösen, gucken in die Gegend und spielen. Wenn ihnen danach ist, gehen sie zu ihren Muttertieren und trinken Milch. So viel sie wollen. Einfach dann, wenn ihnen danach ist. Mindestens drei Monate lang. Dann werden sie entwöhnt und fressen Gras und Heu wie ihre Mütter. Aber bis dahin sind Mutterkuh und Kalb eng zusammen.

Die Milch kann auch schon mal Butterklumpen bilden

Das ist besonders. Denn normalerweise werden Kälber in der Milchproduktion von ihren Müttern nach der Geburt getrennt. Ihre Milch bekommen die Kälber dann aus dem Eimer, wenn es ein Bio-Landwirt ist. In der herkömmlichen Landwirtschaft bekommen die Kälber meist Ersatzmilch, angerührt aus Wasser und Pulver. Hans Möller ist überzeugt, dass seine Kühe glücklich sind, und glück­liche, psychisch gesunde Kühe bessere Milch geben. Die Kuhherde ist ganzjährig draußen, hat aber die Möglichkeit, sich vor Regen zu schützen.

„Hier, probieren Sie mal“, sagt Hans Möller und reicht ein Glas Milch. Die schmeckt tatsächlich besser als die herkömmliche Variante aus dem Kühlregal. „Red Bull ist ein Witz dagegen“, sagt Hans Möller und lacht. Seine Milch, 4,5 Prozent Fettgehalt, sei noch richtige Milch, die Rahm und auch schon einmal Butterklumpen bilden kann, wenn der Lkw-Fahrer bei der Auslieferung zu ruckelig fährt und die Milch in Bewegung gerät. „Die konventionelle Milch ist Schrott, die belastet den Körper“, so Hans Möller. Das liege an der Weitverarbeitung: Die Milch von seinen Kühen wird lediglich bei 72 bis 74 Grad pasteurisiert und nicht homogenisiert, haltbar etwa zehn Tage. Sie sei ursprünglicher, naturbelassener und wechsle den Geschmack, die Farbe und den Fettgehalt je nach Jahreszeit, je nachdem, was die Kühe fressen.

Im Mai gibt es hauptsächlich frisches Gras

Im März kommen die Kühe zunächst stundenweise zum Grasen auf die Weide, um sie ans frische Gras zu gewöhnen. Ab Mai ernähren sie sich hauptsächlich von frischem Gras. Ansonsten bekommen sie Heu. Kein Kraftfutter, kein Schnickschnack. Lediglich ein Leckerli beim morgendlichen Melken.

Denn gemolken werden die Kühe trotzdem. Sie produzieren genug Milch, auch wenn sie ein Kälbchen säugen. Die Milch dieser Elternzeitkühe ist laut der Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“ bundesweit die erste im Einzelhandel erhältliche Milch, die ausschließlich aus muttergebundener Kälberaufzucht stammt. Das hat ihren Preis. Die kälberfreundliche Milch kostet 30 Cent mehr: 1,80 bis zwei Euro der Liter. Denn saufen die Kälber Milch, bleibt weniger für die Molkerei übrig. In den ersten drei Lebensmonaten trinkt ein Kalb bis zu 1500 Liter Milch. 110 Lebensmittel­geschäfte der Region verkaufen seine Milch, seinen Joghurt, darunter Bioläden, aber auch Rewe- und Edeka-Märkte.

Hans Möller ist Milchbauer in vierter Generation. Als er während seiner Ausbildung erleben musste, wie unwürdig die 4500 Legehennen auf dem Hof gehalten wurden, „diese armen Kreaturen“, wie er sagt, stand für ihn fest, es anders machen zu wollen. Besser, artgerechter. Statt immer mehr, lieber weniger und dafür nachhaltig. „Was bietet uns Mutter Erde?“, hat er sich gefragt. Sein nächstes Projekt kommt auch bald auf den Markt: Rindersalami von seinen Kühen. Denn anders als üblich, behält Möller die männlichen Kälber bis zur Schlachtreife von eineinhalb bis zwei Jahren. Möller sieht sich als Dienstleister. „Die Landwirtschaft ernährt das Volk, aber wir müssen verantwortlich mit der Erde umgehen.“

Hier gibt es Milch und Joghurt zu kaufen

Die Jahreszeiten-Milch von „De Ökomelkburen“ wird nur kurz erwärmt (pasteurisiert), dadurch bleiben Geschmack und Vitamine weitestgehend erhalten. Vor dem Trinken schütteln, da sich der Rahm absetzt. Gekühlt bis zu zehn Tage lang haltbar. Wird Milch industriell verarbeitet, werden die Fettkügelchen durch hohen Druck zerstört (homogenisiert), damit der Rahm sich nicht absetzen kann. Erhältlich sind Joghurt und Milch aus Lentföhrden unter anderem in einigen Filialen von Denn’s Biomarkt, Tjaden’s Bio-Frischemarkt, bei Erdkorn, im Frischeparadies, in einigen Rewe- und Edeka-Fili­alen, Vollkornbäckerei Effenberger u.a. Hans Möller hat außerdem einen Hofladen, Schmalfelder Straße 25 in Lentföhrden.