Hamburg/Potsdam. Die Frau von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) wird Ministerin für Bildung, Jugend und Sport in Brandenburg.
Der ungeliebte politische Wartestand ist für Britta Ernst beendet: Am Donnerstag wird der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) die 56 Jahre alte Sozialdemokratin, die bis zum 28. Juni Bildungsministerin in Schleswig-Holstein war, zur Ministerin für Bildung, Jugend und Sport ernennen. Anschließend wird Ernst im brandenburgischen Landtag vereidigt.
„Ich habe mich wahnsinnig über das Angebot gefreut und nicht lange gezögert“, sagte Ernst im Gespräch mit dem Abendblatt. Sie übernehme „ein gut geführtes Ministerium“. In ihren künftigen Politikbereichen sei alles gut aufgestellt. Voraussetzung für die Übernahme des neuen Jobs war der überraschende Rücktritt des bisherigen Bildungsministers Günter Baaske (SPD), der am Dienstagmorgen erklärte, er gebe sein Amt auf, um mehr Zeit für seine Familie zu haben. Baaske, der vor Kurzem zum zweiten Mal geheiratet hatte, hat drei erwachsene Kinder aus seiner ersten Ehe sowie ein fünf Jahre altes Kind.
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Demission und Nachfolge waren allerdings schon vor Wochen eingefädelt worden. Bereits Anfang September hatte Woidke die Frau von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) angesprochen, ob sie Interesse an einem Wechsel nach Brandenburg habe. „Ich habe mich gefreut, dass ich erste Wahl war“, sagte Ernst. Die künftige Ministerin will sich erst einmal „in Ruhe und Demut“ in die Themengebiete und Aufgaben ihres Ministeriums einarbeiten.
Probleme mit Blick auf die Linken in der rot-roten Landesregierung sieht Ernst nicht. „Da es sich um ostdeutsche Linke handelt, ist alles von großem Pragmatismus geprägt“, sagte die Politikerin, die sich selbst als Pragmatikerin bezeichnet. „Ich freue mich, in der Koalition einen Beitrag leisten zu können“, so Ernst.
Turbulentes Jahr mit unerwarteter Wendung
Es war schon bislang ein für die Hamburgerin sehr turbulentes Jahr, das nun eine weitere unerwartete Wendung nimmt. Am 7. Mai haben die Schleswig-Holsteiner die „Küstenkoalition“ aus SPD, Grünen und dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW) abgewählt. Lange hatte es zuvor nach einem Wahlerfolg des Dreierbündnisses ausgesehen, deswegen wirkte die Niederlage gerade auch auf Ernst wie ein Schock. Sie hatte das Amt der Bildungsministerin erst 2014 übernommen und sich in Schleswig-Holstein nicht nur politisch sehr gut eingelebt. Nach dem letzten Amtstag am 28. Juni war Ernst zunächst weitgehend abgetaucht und hatte öffentliche Auftritte weitgehend vermieden.
Als sie sich mit dem Abendblatt im August zu einem Gespräch traf, bekannte die sonst sehr kontrolliert auftretende Ernst, sie sei „wehmütig“ wegen des Endes des schleswig-holsteinischen Kapitels in ihrer Biografie. Und über ihre politische Zukunft sagte sie nur: „Ich warte erst einmal die Bundestagswahl ab.“ Der durch den Wählerwillen herbeigeführte Amtsverzicht war nicht die erste Zäsur – Ernsts politische Karriere weist eine Reihe von Brüchen auf, wenngleich aus unterschiedlichen Gründen.
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Die Sozialdemokratin gehörte der Bürgerschaft von 1997 bis 2011 an und war über mehrere Jahre die prägende Bildungspolitikerin ihrer Fraktion und später deren Erste Parlamentarische Geschäftsführerin. Vor allem der Hamburger Schulfrieden zwischen CDU, SPD und Grünen 2010 trug die Handschrift der damaligen Oppositionspolitikerin. Für die Dauer von zehn Jahren verpflichteten sich die Parteien damals, auf Reformen der Schulstruktur zu verzichten und zugleich die Schulklassen zu verkleinern und rund 1000 Lehrer zusätzlich einzustellen.
Kaum war die SPD im Frühjahr 2011 zurück an der Macht und ihr Mann zum Ersten Bürgermeister gewählt, deutete sich ein erster Bruch an, obwohl Ernst damals als geeignete Schulsenatorin galt. Um jeden Eindruck der Vermischung von Politischem und Privatem zu vermeiden, gab Ernst ihre Ambitionen zugunsten ihres Mannes auf und legte auch ihr Bürgerschaftsmandat nieder. Der Schritt fiel ihr sehr schwer und sie empfand die öffentliche Erwartung in diesem Punkt als ungerecht. „In keinem Bereich ist es richtig, dass Veränderungen bei einem Partner mit dem Verzicht des anderen begleitet werden“, gab Ernst damals in einer persönlichen Erklärung zu Protokoll.
Ernst sucht bereits eine Wohnung in Potsdam
Ernst wechselte nach Berlin und wurde Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion. Als Ministerpräsident Torsten Albig sie 2014 als Bildungsministerin nach Schleswig-Holstein holte, bedeutete das endlich die Chance, sich in einem exekutiven Amt zu bewähren und Politik zu gestalten. Andererseits war es ein erneuter Bruch. Wie engagiert sich Ernst auf die neue Aufgabe einließ, zeigen auch die Reaktionen aus Kiel auf den nun bevorstehenden Wechsel nach Potsdam. „Wir gratulieren Britta Ernst zu ihrer neuen Aufgabe und dem Land Brandenburg zur neuen Bildungsministerin. Ihre hanseatisch-unaufgeregte Art und ihre Erfahrungen in Politik und Verwaltung haben der bildungspolitischen Debatte in schleswig-Holstein gutgetan“, sagte Martin Habersaat, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion.
Zwar hat Britta Ernst keine besondere Bindung an Brandenburg, aber sie sagte: „Ich fühle mich in den nordöstlichen, etwas weniger stark bevölkerten Landstrichen sehr wohl.“ Eine Wohnung in Potsdam („eine sehr schöne Stadt“) sucht sie bereits. Einen Vorteil hat der erneute Umzug ohnehin: Für Olaf Scholz, der als Ministerpräsident und stellvertretender SPD-Vorsitzender häufig in Berlin ist, ist der Weg nach Potsdam nicht weit.