Kiel. Drei Parteien und ein Plan: Die neue schleswig-holsteinische Regierung aus CDU, Grünen und FDP steht. Und damit auch das Personal.

Die „Jamaika“-Koalition in Schleswig-Holstein ist perfekt. CDU, Grüne und FDP haben am Freitag den Entwurf eines Koalitionsvertrags abgesegnet. Dabei billigten alle 36 Mitglieder der großen Verhandlungsrunde mit ihren Initialen das Papier. „Mir fällt ein Stein vom Herzen“, sagte der voraussichtlich künftige Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). Dies sei aber nur eine weitere Etappe. „Insgesamt bin ich aber sehr, sehr optimistisch, dass es klappt.“

Nach Ansicht von Grünen-Verhandlungsführerin Monika Heinold haben die drei Parteien hart miteinander gerungen. „CDU und FDP haben mit selbstbewussten Grünen verhandelt. Das hat es letztlich nicht immer einfach gemacht.“ Trotzdem seien sich die Verhandlungspartner menschlich näher gekommen. „Wenn ich zu meinen Leuten sage, ruf doch mal Daniel an, fühlt sich das aber noch neu an.“ FDP-Landeschef Heiner Garg betonte, die drei Parteien hätten unterschiedliche Herangehensweisen. Ihr gemeinsames Ziel verbinde aber. „Es fühlt sich richtig gut an.“

Der 114 Seiten starke Koalitionsvertrag trägt den Titel „Das Ziel verbindet - weltoffen - wirtschaftlich wie ökologisch stark - menschlich“. In der Einleitung heißt es wörtlich: „Wir werden die Chancen nutzen, die sich aus den unterschiedlichen politischen Vorstellungen ergeben, um das Beste für Schleswig-Holstein zu erreichen.“ Die Koalition wolle „ökologische Verantwortung und wirtschaftliche Vernunft besser miteinander in Einklang bringen“.

Nach dem formalen Akt in einem Kieler Hotel posierten die Mitglieder der großen Verhandlungsrunde vor den Kameras mit einer großen Fahne. Darauf war ein Schmetterling zu sehen mit dem Muster der Flagge Jamaikas. Offiziell unterzeichnet werden soll der Koalitionsvertrag erst am 27. Juni. Zuvor müssen die Parteien noch zustimmen. Bei der CDU entscheidet ein Parteitag, bei den Grünen eine Mitgliederbefragung und bei der FDP nach einer Mitgliederbefragung ein Kleiner Parteitag.

Wahl am 28. Juni

Am 28. Juni will sich der 43-jährige Günther zum Ministerpräsidenten wählen lassen. Seinem Kabinett sollen für die CDU Bildungsministerin Karin Prien, Innenminister Hans-Joachim Grote und Justizministerin Sabine Sütterlin-Waak angehören. Die Grünen stellen mit Monika Heinold die Finanzministerin und mit Robert Habeck den Umweltminister. Für die FDP werden Bernd Buchholz als Wirtschaftsminister und Heiner Garg als Sozialminister am Kabinettstisch sitzen.

Die Ministerriege auf einen Blick:

MINISTERPRÄSIDENT: Daniel Günther (CDU; 43 Jahre alt) ist der Politiker des Jahres im Land. Erst im November 2016 hatte er Ingbert Liebing an der Spitze der Nord-CDU abgelöst. In den Landtagswahlkampf ging er als Außenseiter gegen SPD-Amtsinhaber Torsten Albig, die Wahl gewann er klar. Der Politikwissenschaftler war lange CDU-Landesgeschäftsführer. 2009 kam er in den Landtag; 2014 wurde er Fraktionschef. Der gebürtige Kieler ist Katholik, hat mit seiner Frau eine Tochter und ist passionierter Jogger.

INNENMINISTER: Hans-Joachim Grote (CDU; 62) ist ein erfahrener Kommunalpolitiker.

Hans-Joachim Grote (CDU), künftig Innenminister
Hans-Joachim Grote (CDU), künftig Innenminister © dpa

Der gebürtige Paderborner lenkt seit 2005 als Oberbürgermeister von Norderstedt die Geschicke der fünftgrößten Stadt im Land. Er ist Vorsitzender des Städteverbandes, trat aber landespolitisch noch nicht so sehr in Erscheinung. Im Ehrenamt ist der verheiratete Vater von zwei Kindern Präsident des Deutschen Bibliotheksverbandes.

FINANZMINISTERIN: Monika Heinold (Grüne; 58) ist seit 2012 Ressortchefin. Die gelernte Erzieherin achtet auf Ausgabendisziplin, fördert aber notwendige Investitionen. In den Koalitionsgesprächen mit CDU und FDP war die in ihrer Partei hoch respektierte Heinold Verhandlungsführerin. Vor ihrem Wechsel in die Regierung gehörte die gebürtige Gütersloherin ab 1996 dem Landtag an. In der Freizeit segelt und liest die Mutter von zwei Kindern gern.

BILDUNGSMINISTERIN: Karin Prien (CDU; 51) wurde vom designierten Ministerpräsidenten Daniel Günther als erste Wunschministerin öffentlich gemacht.

Karin Prien aus Hamburg, neue Bildungsministerin
Karin Prien aus Hamburg, neue Bildungsministerin © HA | Klaus Bodig

Die Rechtsanwältin kommt aus Hamburg an die Förde. An der Alster setzte sie sich für das G8-Abi ein, in Kiel will sie G9 umsetzen. Die gebürtige Amsterdamerin war seit 2015 CDU-Fraktionsvize in Hamburg. Prien, verheiratete Mutter von drei Kindern, gilt als ehrgeizig. Sie spielt Tennis, kocht und liest gern.

UMWELTMINISTER: Robert Habeck (Grüne; 47) bleibt wie seit 2012 auch für Landwirtschaft zuständig, nun zusätzlich für Digitalisierung. Nach dem Philosophie- und Germanistikstudium schrieb er als freier Schriftsteller mehrere Bücher, bevor er in die Politik ging. 2004 bis 2009 war Habeck Landesvorsitzender der Grünen, danach Fraktionschef. In diesem Jahr verlor der Vater von vier Söhnen nur knapp das Rennen um die Spitzenkandidatur der Grünen zur Bundestagswahl.

SOZIALMINISTER: Heiner Garg (FDP; 51) führte das Ressort schon von 2009 bis 2012 und freut sich sehr auf die Rückkehr. Der Diplom-Volkswirt ist seit 2000 im Landtag und seit 2011 Landesvorsitzender der FDP. Im Parlament profilierte er sich vor allem als Finanzpolitiker. Er war dort lange Fraktionsvize und später Parlamentarischer Geschäftsführer. Der Lebensgefährte des gebürtigen Freiburgers lebt in Manhattan.

WIRTSCHAFTSMINISTER: Bernd Buchholz (FDP; 55) ist ein Politik-Rückkehrer. Schon von 1992 bis 1996 gehörte der Jurist dem Landtag an.

Bernd Buchholz, neuer Wirtschaftsminister
Bernd Buchholz, neuer Wirtschaftsminister © Birgit Schücking

Er machte sich schnell einen Namen als Vize-Vorsitzender des „Schubladen-Ausschusses“ zur Klärung von Spätfolgen der Barschel-Affäre. Danach wechselte der gebürtige Berliner zu Gruner + Jahr, wo er von 2009 bis 2012 Vorstandschef war. Seit 2013 ist er Landesvize der Nord-FDP. 2013 kandidierte er vergeblich für den Bundestag, weil seine Partei an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte.

JUSTIZMINISTERIN: Sabine Sütterlin-Waack (CDU; 59) kletterte spät die politische Karriereleiter hoch. Erstmals machte die Rechtsanwältin Schlagzeilen, als sie 2012 sehr knapp gegen den damaligen CDU-Landesvorsitzenden Jost de Jager das Direktmandat zur Bundestagswahl im Wahlkreis Flensburg-Schleswig verpasste. Nach de Jagers Rückzug wurde sie 2013 dann doch in den Bundestag gewählt. Seit November 2016 ist sie stellvertretende CDU-Landesvorsitzende. Bei den Koalitionsverhandlungen gehörte sie zum CDU-Spitzenteam.

Erste Stellungnahmen

Der designierte Innenminister Grote betonte, für die innere Sicherheit würden 500 neue Polizisten eingestellt. Die Polizei werde in der Fläche weiterhin präsent bleiben. Er nannte die Bekämpfung der Wohnungseinbruchskriminalität als Schwerpunkt. FDP-Wirtschafts- und Verkehrsexperte Christopher Vogt sagte, Schleswig-Holstein solle das mittelstandfreundlichste Bundesland werden. Ziel sei es, die Verkehrsprobleme im Land „möglichst schnell zu beheben und mehr Dynamik in die Wirtschaftspolitik zu bekommen“.

In der Umwelt- und Landwirtschaftspolitik ist es nach Ansicht von Habeck gelungen, die unterschiedlichen Sichtweisen zu einem gemeinsamen neuen Weg zu verbinden. Er hob hervor, das der Öko-Landbau in gleicher Höhe wie bisher gefördert werde. Im Bereich Naturschutz und Landwirtschaft habe man sich „auf eine Art Moratorium“ geeinigt. Landwirte nerve das Hin und Her. Jetzt gebe es „eine gesetzliche Ruhe“. Es seien aber mit vielen kleinen Projekten „sehr kluge Lösungen gefunden worden“.

Was für die Schulen geplant ist

Für die Schulen strebt die künftige Koalition insbesondere eine 100-prozentige Unterrichtsversorgung bis 2022 an. „Wir werden uns dem Stellenabbaupfad entgegenstemmen“, sagte die designierte Bildungsministerin Prien. Die dafür notwendigen Lehrerstellen würden geschaffen beziehungsweise erhalten bleiben. Konkrete Zahlen nannten sie aber nicht.

Nach dem formalen Akt der Paraphierung in einem Kieler Hotel posierten die Mitglieder der großen Verhandlungsrunde vor den Kameras mit einer großen Fahne. Darauf war ein Schmetterling zu sehen mit dem Muster der Flagge Jamaikas. Die Farben Schwarz, Grün und Gelb symbolisieren auch CDU, Grüne und FDP. Bundesweit wäre es die zweite „Jamaika“-Koalition nach dem Saarland (2009-2012).