Kiel. Kurz vor der Landtagswahl sind Torsten Albig (SPD) und Daniel Günther (CDU) im Dauereinsatz.
Sie müssen früh raus, und sie kommen erst spät ins Bett: Torsten Albig und Daniel Günther sind in diesen Tagen wahrscheinlich genau die „hart arbeitenden Menschen“, die der SPD-Chef Martin Schulz in seinen Reden immer so gern umarmt. Es ist Wahlkampf in Schleswig-Holstein.
Am kommenden Sonntag wird gewählt. In Umfragen hatte die regierende Küstenkoalition zuletzt keine Mehrheit mehr. Obwohl Demoskopen schon seit Monaten behaupten, es gebe eigentlich keine Wechselstimmung, taucht nun also plötzlich doch das Wort „Machtwechsel“ an den Gestaden des meerumschlungenen Bundeslandes auf. Mit anderen Worten: Auf der zehn Erregungspunkte umfassenden Skala der Vorwahl-Emotionen ist Punkt zehn locker erreicht.
Riesenportion Optimismus
In den letzten 48 Stunden vor Öffnung der Wahllokale wollen beide Kandidaten, Ministerpräsident Torsten Albig für die regierende SPD, Daniel Günther für die aus der Opposition kommende CDU, deshalb noch einmal alles in die Waagschale werfen. Das heißt vor allem: eine Riesenportion Optimismus und Siegeszuversicht. „Wir werden 35 Prozent holen und deutlich vor der Union liegen“, sagt Torsten Albig. Daniel Günther legt noch ein bisschen drauf: „Ich rechne mit 35 Prozent plus x, das ist realistisch.“
Ob sich die Wirklichkeit an diese Prognosen hält, wird sich am Sonntag nach 18 Uhr zeigen. Bis dahin haben die beiden Kontrahenten noch viel vor. Rund 30 Prozent der Wähler sind unentschlossen, manche entscheiden sogar erst in der Wahlkabine, wo sie ihr Kreuz machen. Der Anteil dieser bis zuletzt Suchenden wird von Wahl zu Wahl größer, sagen Demoskopen. Wer sucht, glauben die Wahlkampfstrategen in beiden Lagern, ist empfänglich für Argumente und Emotionen. Beides wollen Albig und Günther in den kommenden 48 Stunden noch liefern.
Der CDU-Kandidat hat sich dafür Hilfe ins Land geholt: die Bundeskanzlerin. Mit Angela Merkel wird er an diesem Freitag in Eckernförde (16 Uhr) und in Norderstedt auftreten (18 Uhr, Waldbühne im Stadtpark). Sein Arbeitstag beginnt zu Hause in Eckernförde, um 8 Uhr bespricht er sich in einer Telefonkonferenz mit CDU-Direktkandidaten. Um 11.30 Uhr folgen in Kiel ein Telefon- und ein Fernsehinterview.
Dann geht es wieder zurück nach Eckernförde. Dort trifft er sich um 13.30 Uhr mit Mandats- und Funktionsträgern. Gemeinsam wartet man auf die Bundeskanzlerin. Um 16 Uhr geht es dann auf die Bühne an der Eckernförder Hafenspitze: Emotionen wecken, Bilder liefern, politische Ziele erklären. Danach in Norderstedt dasselbe. Hinterher fährt Günther nach Uetersen, um dort von 20 Uhr an im Festzelt am Getränkemarkt Iversen (Tornescher Weg 109) den Wahlkampfabschluss zu feiern. Der keiner ist, denn am Sonnabend geht es ja weiter.
Wahlkampftour durch Friedrichsort
Torsten Albig ist am Freitag schon früher im Einsatz – aber auch früher zu Hause. Er mischt Wahlkampf- mit Ministerpräsidenteneinsätzen. Albig startet um 6.45 Uhr mit zwei Radio- und Fernsehinterviews. Danach geht es zum Fitnesstraining. Um 10 Uhr ehrt er (als Ministerpräsident) in Molfsee verdiente Zeitungsausträger: Bilder liefern, Emotionen erzeugen. Um 12.30 Uhr folgt ein weiteres Fernsehinterview. Um 15 Uhr ist er als Wahlkämpfer in Schilksee, um 17 Uhr als Ministerpräsident beim Kieler Bambusräder-Herstellers my Boo. Ab 18 Uhr macht er zusammen mit den Jusos Wahlkampf. Danach: Feierabend.
Am Sonnabend geht es weiter. Albig startet um 8.45 Uhr mit einer Wahlkampftour durch Friedrichsort und endet um 23 Uhr auf einer Juso-Party. Günther macht von 9 Uhr an Wahlkampf in Osdorf (bei Flensburg) und ist um 22 Uhr bei einer JU-Feier in Eckernförde. Zwischendurch gibt es mehrere weitere Termine, aber auch einen, der in beiden Kalendern zu finden ist: Um 14 Uhr spielt Holstein Kiel in der Dritten Fußballliga gegen Hansa Rostock. Drei Spieltage vor Schluss liegt Holstein auf einem Aufstiegsplatz. Günther und Albig wollen dort Emotionen wecken und Bilder liefern.
Auf Albigs Handy läuft ein Countdown
Dann beginnt der Sonntag. Er zieht sich ewig hin – jedenfalls dann, wenn man Politiker ist und auf das Urteil wartet. War man gut genug? Wäre es nicht besser gewesen, jenes gemacht und dieses unterlassen zu haben? Günther und Albig, eben noch ruhelos im Land unterwegs, sind zum Nichtstun verdammt. Sie müssen schweigen, denn nun sprechen die Wähler.
Auf dem Handy von Torsten Albig läuft ein Countdown. Der Nullpunkt ist am Sonntag um 18 Uhr erreicht. Es ist der Moment, an dem in ganz Schleswig-Holstein die Wahllokale schließen – und die erste Prognose veröffentlicht wird.