Rostock/Lübeck. Tief „Axel“ wütete auch in Kiel, Laboe, Wismar, Stralsund oder Rügen. Schneefall verstärkt Hochwasser. Alarmstufe 3 auf Usedom.

Die stärkste Sturmflut an Deutschlands Ostseeküsten seit zehn Jahren hat in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern Straßen und Keller überschwemmt und die Küsten schwer beschädigt. Besonders getroffen wurden am Mittwochabend die Inseln Usedom und Rügen mit Abbrüchen an Steilküsten und Dünen, Rügens berühmte Kreidefelsen blieben aber unversehrt.

Auch in Heiligenhafen (Schleswig-Holstein) wurde viel Sand weggespült. Dagegen kamen die Ostsee-Städte von Flensburg über Lübeck, Wismar und Rostock bis Stralsund trotz sehr hoher Wasserstände von bis zu 1,83 Meter „über Normal“ relativ glimpflich davon. Keller liefen voll, überflutete Straßen waren gesperrt, einige geparkte Autos soffen ab. Menschen kamen offensichtlich nicht zu Schaden.

Aufräumarbeiten nach Sturmflut

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    „Es war die stärkste Sturmflut seit 2006“, so Jürgen Holfert, Leiter des Wasserstanddienstes Ostsee des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie. An der Ostsee lagen vielerorts Pegelstände am späten Mittwochabend zwischen 150 und 170 Zentimeter höher als üblich. In Lübeck wurden sogar 1,79 Meter und in Wismar 1,83 gemessen.

    Auf Rügen am Strand von Binz und Prora brach die die Düne streckenweise in einer Tiefe von drei bis acht Metern ab, Strandaufgänge wurden im größeren Umfang zerstört worden, berichtete der Binzer Bürgermeister Karsten Schneider.

    Auf Usedom verursachte die Sturmflut vor allem zwischen Zempin und Koserow größere Steilküstenabbrüche und Dünenabtragungen. „Wir haben vier bis fünf Meter Düne verloren“, sagte der Koserower Bürgermeister René König bei NDR 1 Radio MV. Schäden gab es auch an der Seebrücke Ahlbeck, wie Bürgermeister Lars Petersen sagte. Dennoch seien die Kaiserbäder im Vergleich zu Zempin glimpflich davon gekommen.

    Pegel gehen wieder zurück

    An der Ostsee lagen die Pegelstände am späten Mittwochabend zwischen 150 und 170 Zentimeter höher als üblich - in Lübeck wurden sogar 1,79 Meter und in Wismar 1,83 gemessen, wie auf „Pegel Online“ registriert wurde. Am frühen Donnerstagmorgen war ein Teil des Wassers wieder abgelaufen: Um 4.45 Uhr stand es nach Angaben des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in Wismar und Flensburg noch 1,47 Meter, in Greifswald 1,41 Meter und in Kiel-Holtenau 1,42 Meter höher als normal. In Lübeck wurden 1,48 Meter höher als gewöhnlich gemessen.

    Zahlreiche Einsätze in Lübeck

    Zahlreiche Hochwassereinsätze, abgeschleppte Autos und Überschwemmungen - das ist nach der schweren Ostsee-Sturmflut in Lübeck und im Kreis Ostholstein die vorläufige Bilanz von Polizei und Feuerwehr. 20 Mal rückte die Polizei nach eigenen Angaben dort von Mittwochabend bis Donnerstagfrüh zu Hochwassereinsätzen aus.

    Besonders betroffen war nach Angaben der Polizei die Lübecker Altstadt. Zehn Autos mussten vorsorglich abgeschleppt oder aus dem Wasser geborgen werden. Am Mittwochabend lag der Pegel zum Höchststand bei 1,79 Meter über Normal, am Donnerstagmorgen zog sich das Wasser zurück und lag noch bei 1,25 Meter über Normal, wie auf „Pegel Online“ registriert wurde.

    Straßensperrungen in Kiel

    Die Höhe der Sachschäden könne noch nicht beziffert werden, sagte eine Polizeisprecherin am Donnerstagmorgen. In Lübeck und Flensburg wurden zahlreiche Autos aus den Fluten gezogen. Mehrere Keller in Lübeck und Neustadt in Holstein liefen voll. In Kiel mussten mehrere Straßen für den Verkehr gesperrt werden. Zugänge zur Lübecker Altstadt waren für Fußgänger nicht mehr passierbar. Der Einsatzstab in der Welterbe-Stadt sei kurzfristig personell verstärkt worden wegen zunehmender Notrufe, sagte Matthias Schäfer von der Feuerwehr Lübeck. „Viele Leute hatten ihre Häuser nicht genügend gesichert, wir mussten mit Sandsäcken die Objekte schützen.“

    Hochwasser am Fischmarkt

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      Größere Schäden auf Usedom

      Auf der Insel Usedom verursachte die Sturmflut größere Schäden. Es wurde dort die Alarmstufe 3 ausgerufen. Zwischen Koserow und Zempin habe es Steiluferabbrüche gegeben. Treppenaufgänge, Imbissbuden und Teile von Strandpromenaden seien weggerissen worden, sagte der Sprecher des Kreises Vorpommern-Greifswald, Achim Froitzheim. „Das ist kein Kindergeburtstag. Das ist schlimmer als erwartet.“

      Rügener Ortsteil abgeschnitten - Kreidefelsen unversehrt

      In Rostock entlang der Warnow waren viele Häuser in einem zwei Kilometer langen Abschnitt gefährdet. Eine Straße wurde über mehrere Kilometer wegen des Hochwassers gesperrt, in Häuser drang Wasser ein.

      Auf der Insel Rügen überspülte das Hochwasser im Bereich Mönchgut-Granitz eine Straße und schnitt einen Ortsteil von der Hauptgemeinde Gager ab. Das Wasser stand rund 40 Zentimeter hoch auf der Zufahrtsstraße. Zudem wurde nach Feuerwehrangaben auf Mönchgut-Granitz ein Deich auf etwa 100 Meter Länge überflutet. Menschen seien nicht gefährdet, hinter dem Deich lägen Wiesen. Rund 120 Feuerwehrleute seien dort alarmiert worden.

      Die berühmten Kreidefelsen von Rügen haben die schwere Sturmflut unversehrt überstanden. „Wir haben alles kontrolliert, es gibt keine Abbrüche“, sagte Ingolf Stodian vom Nationalparkamt am Donnerstag nach einer Inspektionsfahrt zu den Wahrzeichen von Deutschlands größter Insel. Lediglich die Schuttkegel vor den Kreidefelsen seien am Mittwoch weggewaschen worden. Sie sind das Ergebnis der ständigen Verwitterung an der vordersten Kreideschicht.

      Ozeaneum mit Spundwänden gesichert

      In Wismar liefen im Hafenbereich der Altstadt einige Keller voll, wie Stadtsprecher Marco Trunk sagte. Der Pegelstand habe einer schweren Sturmflut entsprochen. Teile des Alten Hafens waren überflutet.

      Da in Stralsund die Hafeninsel teilweise überflutet wurde, wurde das Ozeaneum - Mecklenburg-Vorpommerns besucherstärkstes Museum - mit Spundwänden gesichert. In Kiel wurde die Uferstraße an der Förde zwischen dem Institut für Weltwirtschaft und dem Marinehafen überschwemmt.

      Schneefall verstärkt Hochwasser

      In Heiligenhafen (Kreis Ostholstein), das bei der Sturmflut 2006 stark getroffen worden war, bewährte sich laut Bürgermeister Heiko Müller das seitdem aufgebaute Hochwasserschutzsystem. Im Hafenbecken sei das Wasser höher als an Land, aber eine 800 Meter lange Spundwand habe das Wasser abgehalten. Allerdings habe es geschneit, und der Schnee sei dann schnell geschmolzen - mit der Folge, dass sich fast Gummistiefelhoch Wasser hinter der Spundwand sammelte. Am Nordstrand wurde erst im Herbst aufgeschütteter Sand vom aufgewühlten Meer weggespült. „Das ist alles futsch“, sagte Müller auf dem Deich stehend; das Wasser stand nur noch einen Meter unter der Deichkrone.

      Fähranlager in Binz gesperrt

      Auf Rügen und Usedom hatten die Wellen bereits am Nachmittag an den Stränden genagt. In Binz auf Rügen erreichte das Wasser den Dünenfuß, ebenso in Heringsdorf auf Usedom, wie die Bürgermeister berichteten. Der Fähranleger an der Seebrücke Binz wurde gesperrt, ebenso die Seestege in Bansin und Ahlbeck.

      Sturm und Schnee sorgten auch für zahlreiche Unfälle in Mecklenburg-Vorpommern, allein zwischen 18 und 22 Uhr wurden der Polizei 22 glättebedingte Unfälle gemeldet. Auch in Bayern und Baden-Württemberg brachten glatte Straßen Autofahrer ins Schleudern. In Oberbayern krachte es nach Polizeiangaben dreimal so häufig wie sonst.

      "Axel" zieht nach Weißrussland ab

      Tief „Axel“ sollte von Skandinavien in der Nacht quer über die Ostsee weiter nach Weißrussland ziehen. Vor allem im Osten und Süden Deutschlands kann es laut DWD aber auch am Donnerstag tagsüber noch bei kräftigen Schnee- und Graupelschauern zu Wintergewittern kommen. An den Nordrändern der Mittelgebirge sowie an den Alpen könne es lang anhaltende Schneefälle geben. Im Bergland könnten die Temperaturen über frisch gefallenem Schnee sogar auf minus 20 Grad sinken. Am Freitag sei in ganz Deutschland tagsüber „gemäßigter Frost“ bis minus sieben Grad zu erwarten.