Kiel/Hamburg. Besser als Parship: die Bräutigamseiche mit dem Astloch. Die ungewöhnlichsten Bäume, Felsen, Findlinge und Moore in der Metropolregion.

Auf dem Dorfplatz von Süderheistedt im Kreis Dithmarschen steht ein ungewöhnliches Gebilde. Wie ein riesiges Stativ sieht das zehn Meter hohe Bauwerk aus, das von einer Wetterfahne gekrönt wird. Ins Holz geschlagene Buchstaben geben Auskunft über den Zweck der Balkenkonstruktion: „Papagoyengilde von 1621“ steht darauf, gefolgt von der Liste der Gildekönige aus den Jahren 1992 bis 2007.

Das illustre Bauwerk ist die letzte noch erhaltene Vogelstange in Dithmarschen. „Hier übten sich die Männer des Dorfes im Schießen“, heißt es in dem neuen Buch „50 sagenhafte Naturdenkmale der Metropolregion Hamburg“. Autorin ist die Literatur- und Lesepädagogin Annette Huber.

Das Buch lädt zu einem absolut kurzweiligen Streifzug zu besonderen Bäumen, Findlingen, Mooren, Wiesen und Bracks ein. Dabei ist die gesamte Metropolregion Hamburg im Blick – von der Westküste bis ins Herzogtum Lauenburg. Vom Vogelschießen an der Westküste bis zum Kiebitzmoor in Hamburg, in dem die elegante Schwertlilie wächst.

Stilmittel der Narration

Anders als herkömmliche Naturführer orientiert sich die Autorin am Stilmittel der Narration und damit an einer kollektiv bedeutsamen Geschichte, die das natürliche Gebilde tatsächlich zum „Denk-mal“ macht.

Wie die berühmte Bräutigamseiche in Dodau bei Eutin, über die es gleich zu Beginn des Kapitels heißt: „Besser als Tinder und Parship“. Der Hinweis auf die modernen digitalen Eheanbahnungsportale macht deutlich, dass der Abwurf eines herkömmlichen Briefes im Astloch der mehr als 400 Jahre alten Eiche in Liebesdingen mindestens genauso Erfolg versprechend sein kann.

Bräutigamseiche im Dodauer Forst
Bräutigamseiche im Dodauer Forst © Irene Jung

Postadresse genügt: Bräutigamseiche, Dodauer Forst, 23701 Eutin. Jeder, der die Nachricht findet, kann mit dem Absender Kontakt aufnehmen.

Angeblich sind auf diesem Weg schon mehr als 100 Ehen gebahnt worden. Dazu gehört auch die Ehe von Karl-Heinz Martens, der im Dienst der Deutschen Post 20 Jahre lang die Briefe in die Eiche gesteckt hat. Eines Tages sei über den Mann im Fernsehen berichtet worden, und eine Zuschauerin verliebte sich prompt in ihn. „Sie schrieb an die Eiche – und die beiden sind noch heute verheiratet“, heißt es in dem Buch.

Besuch bei der "Alten Dame"

Ernster ist die Geschichte der „Langen Anna“ auf Helgoland, die mit dem Rat der Autorin beginnt: „Besuchen Sie die Dame, solange sie noch steht.“ Bekanntlich nagt der Zahn der Zeit an Helgolands Wahrzeichen. Wie düster die Zukunft für die „Lange Anna“ ist, erfährt der Leser freilich nicht. Nach Expertenschätzungen könnte der 47 Meter hohe Sandsteinfelsen in rund 100 Jahren nicht mehr existieren – auch wenn aufwendige Buhnen und Seemauern sie vor dem „Blanken Hans“ schützen. Bereits vor mehr als 30 Jahren waren die ersten schweren Schäden festgestellt worden.

Rings um die „Lange Anna“ gibt es ein Vogelparadies. „Tatsächlich ist Helgoland für Ornithologen vermutlich der aufregendste Ort der Welt“, schreibt Annette Huber. 432 Vogelarten wurden hier im Laufe eines Jahres nachgewiesen und von Mitarbeitern der Vogelwarte registriert. 2014 flog sogar erstmals ein Schwarzbrauenalbatros von den Falkland Islands (Südatlantik) nach Helgoland. 2016 gab es eine erneute Sichtung dieser imposanten Vogelart.

Noch älter als die „Lange Anna“ mit dem rund 220 Millionen Jahre alten Buntsandstein ist der Findling „Alter Schwede“ am Hamburger Elbstrand. Er hat rund 1,8 Milliarden Jahre auf dem grauen Buckel und wanderte vor etwa 400.000 Jahren während der Elster-Eiszeit von Schweden quer über die heutige Ostsee. Bis sie im Elbe-Urstrom liegen blieb.

Weitere Geschichten über Moore, Orchideen und alte Eichen komplettierten das unterhaltsame Buch, das Lust auf einen Spaziergang zu den Naturdenkmälern macht – auch im Herbst und im Winter.

Annette Huber: 50 sagenhafte Naturdenkmale der Metropolregion Hamburg. Moore, Bäume, Findlinge,Wiesen, Gewässer.
224 Seiten, 14,95 Euro