Buxtehude. In Buxtehude wird Ende 2017 der erste in Großserie gebaute Wasserstoffzug auf Fahrt gehen.
Im Süden von Hamburg, in Buxtehude, wird Ende 2017 eine Weltneuheit starten. Dort soll der erste in Großserie gebaute Wasserstoffzug auf Fahrt gehen. Der neuartige Antrieb wurde von der Firma Alstom im niedersächsischen Salzgitter entwickelt. Große Hoffnungen knüpfen sich an ihn. Der mit Wasserstoff betriebene Zug könnte das Ende der lauten und schädliche Abgase erzeugenden Diesellokomotiven einläuten. Der niedersächsische Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) ist sich sicher: „Die Brennstoffzellen-Fahrzeuge werden auch außerhalb unseres Bundeslandes zu einem Verkaufsschlager. Mit diesem Produkt kann weltweit auch da elektrisch gefahren werden, wo es gar keine Oberleitungen gibt.“ Auch Schleswig-Holstein zeigt Interesse an der neuen Technik.
Die Vorzüge des neuen Antriebs, der in Bussen schon seit Längerem zum Einsatz kommt, liegen auf der Hand. Der neue Zug fährt mit Wasserstoff, der sich in Tanks auf den Wagendächern befindet. In Brennstoffzellen reagiert der Wasserstoff mit Sauerstoff aus der Luft. Dabei entsteht elektrische Energie. Die treibt das Fahrzeug an. Abfallprodukte dieser Reaktion sind Wasserdampf und Kondenswasser. Der neue Antrieb ist also wesentlich umweltfreundlicher als der herkömmliche Dieselantrieb, der viel mehr Lärm erzeugt und CO2 ausstößt. Nach Angaben von Alstom soll der Wasserstoffzug auch eine höhere Energieeffizienz und einen niedrigeren Energieverbrauch haben.
Kein Wunder, dass das Interesse an der Weltneuheit groß ist. Der Zug wurde in der vergangenen Woche auf der weltgrößten Verkehrstechnikmesse InnoTrans in Berlin vorgestellt. Verkehrsminister Lies unterzeichnete dort eine Absichtserklärung. Geht alles gut, wird das Land Niedersachsen von Ende 2020 an mit 14 dieser Fahrzeuge in den Regelbetrieb gehen. „Niedersachsen fährt mit dieser Technik voran“, sagte Lies. „Darauf können wir stolz sein – und ich bin sicher, dass viele unserem Beispiel folgen werden. Eine Gratulation an die Ingenieure und Techniker von Alstom, die in Salzgitter innerhalb von nur zwei Jahren einen solchen Zug auf die Gleise gesetzt haben.“
Dem Beispiel folgen könnte beispielsweise Schleswig-Holstein. Auch dort gibt es wie in Niedersachsen und den anderen Flächenländern eine Reihe von Bahngleisen, bei denen eine Elektrifizierung zu aufwendig wäre. Hier besteht nur die Möglichkeit, weiterhin auf die bewährten, aber eben nicht umweltfreundlichen Dieselloks zu setzen – oder eben nach Alternativen zu suchen. Im August hat in Schleswig-Holstein die Ausschreibung für den Personenverkehr auf den nicht elektrifizierten Bahnstrecken im Norden und Osten des Landes begonnen. Es geht unter anderem um den Regionalverkehr auf den Strecken Lübeck–Kiel, Bad Oldesloe–Neumünster oder Kiel–Flensburg. Erklärter Wunsch des Landes: Eine Alternative zum Dieselantrieb muss her.
Eine Tankfüllung reicht für etwa 800 Kilometer
In einem Eckpunktepapier zum Vergabeverfahren heißt es: „Im Verfahren wird ein Fahrzeug mit elektrischem Antriebsstrang und Energieversorgung aus Traktionsbatterien und Nachladung der Batterien durch Wandlung mitgeführter Kraftstoffe (beispielsweise Wasserstoff, synthetischer Kraftstoff, Erdgas) oder über Ladestellen zugelassen.“ Alstom bietet genau das an. Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) hält den Wasserstoffzug deshalb für eine „überaus interessante Option“. Rund 50 Fahrzeuge braucht das Land. Sie sollen in den Jahren von 2021 bis 2023 nach und nach zum Einsatz kommen und dann rund 30 Jahre lang in Schleswig-Holstein fahren.
Ein großer Auftrag also. Alstom muss jetzt erst einmal zeigen, dass der neue Antrieb auch praxistauglich ist. Wie reagiert er im Winter, wie im Sommer, wie im Dauerbetrieb? Derzeit läuft die Zulassung beim Eisenbahnbundesamt. Ab Dezember 2017 sollen zwei Züge in Niedersachsen unterwegs sein. Sie werden auf den Strecken Cuxhaven–Bremerhaven und Buxtehude–Bremerhaven verkehren. Das ist dann der erste Härtetest für den Wasserstoffantrieb.
Die Züge ähneln anderen Produkten des Zugherstellers Alstom. Dass sie mit Wasserstoff fahren, ist ihnen nicht anzusehen. Der „Coradia iLint“ kann mit einer Tankfüllung bis zu 800 Kilometer zurücklegen und erreicht eine Geschwindigkeit von 140 Kilometern pro Stunde, was für den Regionalverkehr vollkommen ausreichend ist. Er muss regelmäßig mit Wasserstoff betankt werden, braucht also irgendwo am Bahngleis Wasserstoffbehälter und eine Tankvorrichtung.
Für Minister Olaf Lies ist das neue Antriebssystem auch ein Beitrag zur Energiewende. „Wir können hier im Norden die überschüssige Windenergie dazu nutzen, Wasserstoff zu erzeugen“, sagt er.