Kiel. Waffenkäufe sollen nicht im Zusammenhang stehen mit der Festnahme von IS-Terrorverdächtigen in Reinfeld, Ahrensburg und Großhansdorf.
Schleswig-Holsteins Polizisten werden mit dem Sturmgewehr G36c ausgerüstet. In jedem Streifenwagen werden daneben künftig Helme und schwere Schutzwesten an Bord sein, die auch dem Beschuss durch Schnellfeuergewehre standhalten, berichten die "Lübecker Nachrichten". Die SPD-Grünen- SSW-Landesregierung wolle dafür noch in diesem Haushaltsjahr 14 Millionen Euro zur Verfügung stellen, erfuhr die Tageszeitung aus Landeshauskreisen.
Kommende Woche wolle das Kabinett die Aufrüstung der 8000 Frauen und Männer starken Landespolizei als „Sicherheitspaket“ beschließen. Das sei zwar keine unmittelbare Reaktion auf die Festnahme von drei IS-Terrorverdächtigen an diesem Dienstag im Reinfeld, Ahrensburg und Großhansdorf, heißt es, sehr wohl aber auf die seit Monaten schon als hoch eingeschätzte „abstrakte Gefährdungslage“ im Land durch den islamistischen Terrorismus. Die in Stormarn Festgenommenen zum Beispiel sollen Verbindungen zu den Attentätern von Paris gehabt haben, die dort im November ein Blutbad anrichteten.
Neue Ausrüstung für Spezialkommandos
Nach dem Terror in Frankreich hatten sich auch andere Bundesländer bereits für eine bessere Ausstattung der Polizei entschieden. Die Polizeibehörden ordern für ihre Spezialkommandos auch Material, das eigentlich zur Ausrüstung von Soldaten gehört: Sturmgewehre, spezielle Visiervorrichtungen, gepanzerte Fahrzeuge. Doch auch die Streifen- und Bereitschaftspolizisten bekommen neue Ausrüstungen. Mehrere Bundesländer statten ihre Polizisten komplett mit neuen, modernen Standardwaffen aus und kaufen Schutzwesten hinzu.
Auch Hamburg schafft Waffen an
Auch Hamburg und Bremen gehen dabei auf Einkaufstour: Sie haben beim Hersteller Heckler & Koch gemeinsam 163 Sturmgewehre bestellt. Während Maschinenpistolen zur Standardausstattung vieler Polizeibehörden gehören und auf nahe und mittlere Entfernung zum Einsatz kommen, setzen Sturmgewehre typischerweise Soldaten ein, um mit einer größeren Durchschlagskraft auch präzise auf weitere Distanz zu schießen.
„Bremen wird noch in diesem Jahr 33 Sturmgewehre erhalten“, bestätigte eine Sprecherin. Der Kaufpreis: Etwa 150.000 Euro. Sie sind für die Spezialeinsatzkräfte bestimmt. „Bis Ende des Jahres wird darüber hinaus ein speziell gepanzertes Fahrzeug, das beschusssicher ist, für Bremen angeschafft“, sagte die Sprecherin. Auch Hamburg rüstet auf. Die 130 Sturmgewehre kosten rechnerisch etwa 590.000 Euro. Eine weitere Bestellung bei Heckler & Koch: 150 Maschinenpistolen zu einem Kaufpreis von 300.000 Euro.
Ist das G36 lieferbar?
Bei der neuen Ausrüstung in Schleswig-Holstein ist offenbar noch unklar, wann das G36 in ausreichender Zahl geliefert werden kann. Fest steht hingegen bereits, dass auch die Polizeiausbildung des Landes in der Polizeischule Eutin modernisiert und erweitert werden soll, um die jungen Beamten auf die neue Bedrohungslage vorzubereiten. So soll am Ende jede Streifenwagenbesatzung in der Lage sein, sofort und noch vor dem Eintreffen von Spezialkräften mögliche Terroristen in Schach zu halten.
Millionenausgaben für die Terrorabwehr
Allein das Land Niedersachsen investiert derzeit ebenfalls 2,4 Millionen Euro in neue Visiereinrichtungen von Maschinenpistolen, Schutzwesten und die Ausstattung aller Streifenwagen mit sogenannten ballistischen Plattenträgern, die zum Beispiel vor Beschuss durch Maschinengewehre schützen. Die Behörde müsse sich auf „terroristische Gefahren und gefährliche Szenarien einstellen“, heißt es seitens des Innenministeriums. Zudem schafft Niedersachsen eine neue Standardpistole an, die SFP 9 von Heckler & Koch. „Insgesamt 18.500 Waffen werden über die nächsten zehn Jahre hinweg gekauft – für rund acht Millionen Euro“, so eine Sprecherin.
Neue Dienstwaffen für Streifenpolizisten
Dass auch ein einzelner Streifenpolizist viele Leben retten kann, zeigte sich bei den Pariser Anschlägen. Im Konzerthaus Bataclan erschoss ein Beamter mit seiner Dienstpistole einen der Terroristen – noch bevor die Spezialkräfte eintrafen. Neben neuen Dienstpistolen rüsten viele Länder ihre Polizisten mit ballistischen Helmen aus. „Die beschafften Helme sind geeignet, auch gegen Waffen, die beispielsweise bei terroristischen Ereignissen eingesetzt werden, einen entsprechenden Schutz zu bieten“, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums in Sachsen. Das Land tausche zudem die alte Dienstwaffe gegen eine neue Standard-Dienstpistolen (Heckler & Koch, Typ SFP 9 – TR) aus.
Auch die bayerischen Polizisten erhalten neue Dienstwaffen – nachdem sie fast 40 Jahre lang die Pistole P 7 von Heckler & Koch einsetzte. Welches Modell genau darauf folgt, ist noch unklar. Allerdings lassen sich schon die Kosten abschätzen: Rund 30 Millionen Euro wird die Anschaffung der neuen Standardpistolen voraussichtlich kosten.
Das Innenministerium in Baden-Württemberg plant für die Landespolizei indes den Kauf von 3000 neuen Maschinenpistolen und Schutzkleidung. „Künftig werden den Einsatzkräften der Polizei flächendeckend moderne und leistungsfähige Maschinenpistolen sowie deutlich optimierte ballistische Schutzausstattungen zur Verfügung stehen“, sagt ein Sprecher. Insgesamt steckt das Land den Angaben zufolge 13 Millionen Euro in die Aufrüstung der Streifenpolizisten. Die Terrorgefahr sichert also nicht nur eine moderne Ausstattung der Sicherheitskräfte – sondern auch das Geschäft der großen Waffenhersteller.