Ahrensburg, Grosshansdorf, Reinfeld. Anti-Terror-Einsatz in Ahrensburg, Großhansdorf und Reinfeld. Die Verdächtigen wurden schon seit langer Zeit genau beobachtet.
„Ein Knall in der Stille, es scheppert, Glas klirrt, Hilfeschreie.“ So schildert Thorsten Saemisch die dramatischen Szenen am Dienstagmorgen kurz nach 3 Uhr am Kortenkamp in Großhansdorf. Spezialkräfte der Bundespolizei haben in der Waldgemeinde sowie in Ahrensburg und Reinfeld drei terrorverdächtige Syrer in Flüchtlingsunterkünften festgenommen.
„Als ich rausgeguckt habe war alles ganz hell, ich war völlig geblendet.“ Strahler machten die Nacht zum Tage, sagt Saemisch. Direkt neben den dunkelroten Wohncontainern liegt die Großhansdorfer Polizeiwache. Selbst die Beamten dort sind von dem Einsatz überrascht worden. „Uns hat niemand informiert“, so ein Polizist.
Denn der Zugriff war streng geheim. Spezialeinheiten observierten seit Monaten die drei syrischen Männer, fingen Telefongespräche ab, lasen Nachrichten mit. Am Dienstag dann die Zugriffe in Stormarn.
In Reinfeld nahm die Spezialeinheit den 17 Jahre alten Mahir Al-H. fest. Laut Bürgermeister Heiko Gerstmann soll Al-H. unter falschen Namen in einer Unterkunft an der Straße Am Zuschlag gelebt haben. In dem Backsteinhaus sind neben Al-H. zehn weitere Flüchtlinge untergebracht. Albrecht Werner vom Verein „Asyl in Reinfeld“ sagt: „Es ist uns zu keinem Zeitpunkt aufgefallen, dass jemand der Flüchtlinge irgendetwas mit dem IS zu tun haben könnte.“ Nie habe sich jemand extrem geäußert. Im Gegenteil. Alle hätten sich kooperativ verhalten.
Auch in Ahrensburg, wo Bundespolizisten Mohamed A. in einer Wohnung an der Großen Straße festgenommen haben, spricht Bürgermeister Sarach von einem „Vorzeigeflüchtling“, der völlig unauffällig war. „Er hat sich bemüht, Deutsch zu lernen und Kurse besucht. Zudem hat er ein Praktikum in einem Ahrensburger Unternehmen gemacht“, sagt der Sarach. A. lebte mit acht weiteren syrischen Männern in einer Wohnung.
Die Bewohner des Mehrfamilienhauses sprechen von unauffälligen Männern. „Die waren alle immer freundlich, haben gegrüßt“, sagt ein Nachbar (28), der die Bewohner als sehr modern bekleidet beschreibt. Andere Zeugen des Zugriffs gehen zunächst von einer Razzia in dem mongolischen Restaurant direkt unter der WG aus. Als sie den wahren Grund erfahren, sind sie sprachlos und schockiert.
Gerda Traulsen, die an dem Haus vorbeikommt und von dem Einsatz erfährt, sagt: „Ich finde das traurig. Die Leute, die es wirklich nötig haben, herzukommen, die leiden jetzt unter diesen Verrückten.” Auch Angelika Woge, die den „Freundeskreis Flüchtlinge Großhansdorf“ koordiniert, befürchtet, die Stimmung gegen Flüchtlinge könnte jetzt kippen: „Die Bedenkenträger werden sicherlich mehr und das macht die Arbeit unserer 80 Helfer nicht leichter“. Woge kannte Ibrahim M., der in Großhansdorf festgenommen wurde. Sie beschreibt ihn als „netten jungen Mann“. Jetzt ist aus dem Nachbarn ein Terrorverdächtiger geworden. „Ich hatte ihn im Winter noch persönlich begrüßt und einer Patenfamilie übergeben“.
Bis zum frühen Nachmittag wirkte die Großhansdorfer Unterkunft verlassen, erst dann kehrten einzelne Flüchtlinge wieder zurück. Nur noch eine mit einer Sperrholzplatte zugenagelte Scheibe zeugte vom Polizeieinsatz. Durch das trübe Glas daneben sind zwei Betten zu erkennen: Auf dem einen liegt ein Stapel Zettel mit arabischer Schrift, auf dem anderen liegen mehrere Decken unordentlich übereinander geknüllt, dazu mehrere prall gefüllte Aldi-Tüten. Auf dem Tisch am Fenster steht eine große Dose Tabak.
Bürgermeister Janhinnerk Voß wurde morgens um 5.30 Uhr von der Polizei per Telefon unsanft aus dem Schlaf gerissen. „Die Leiterin unseres Flüchtlingsamtes, Birgit Karlsson, und ich haben uns an der Unterkunft getroffen und konnten dort noch mit den Einsatzkräften sprechen.“
Auch Voß befürchtet, dass die Kritik von Flüchtlingsgegnern jetzt lauter werden könnte. Die Gemeinde hat ein eigenes Amt, das sich mit Flüchtlingsangelegenheiten befasst. Dorthin hätten sich heute auch schon einige Flüchtlinge gewandt, die sich von der Polizeipräsenz vor Ort an ihre Heimatländer erinnert fühlten. (mit Material von dpa)