Lüneburg/Hamburg. Eine Lüneburger Ausstellung widmet sich der Architektur im Norden – von Deutschland bis Dänemark und Litauen.

Ostseeurlauber kommen aus dem Staunen nicht heraus: Sie schauen in den Städten auf die imposanten Türme der roten Backsteinkirchen, betreten die altehrwürdigen Portale der Rathäuser und stellen fest, dass sie alle architektonisch miteinander verwandt sein müssen. Wie ein roter Faden ziehen sich die alten Backsteinbauten entlang der Ostsee­küste von Dänemark über Deutschland und Polen bis nach Litauen. Dazu gehören die Marienkirche in Danzig, die immerhin 20.000 Besucher fassen kann, genauso wie die Lübecker Altstadt, die Wismarer Bürgerhäuser und der Rigaer Dom.

Im Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg ist derzeit eine deutsch-polnische Wanderausstellung zu sehen, die sich mit Tafeln und Fotos jenen einzigartigen profanen und sakralen Bauten im Ostseeraum widmet. Die Schau mit dem Titel „Backsteinarchitektur im Ostseeraum. Neue Perspektiven der Forschung“ wurde von Wissenschaftlern der Universitäten Danzig und Mainz betreut, von der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen organisiert und der Kulturbeauftragten der Bundesregierung finanziell gefördert.

Das Lübecker Holstentor mit der Altstadt
und den Kirchen
Das Lübecker Holstentor mit der Altstadt und den Kirchen © TA CAPS / Thorsten Ahlf

Dass im 13. Jahrhundert viele rote Backsteinbauten entstanden sind, hängt eng mit dem Aufstieg der Hanse zusammen. Kaum ein historischer Name poliert noch heute das Image einer Stadt so glänzend auf wie dieser alte Städtebund – das „frühe europäische Friedensbündnis“ (Henning Voscherau). Vom 13. bis zum 17. Jahrhundert gehörten ihm bis zu 225 größere und kleine Städte in 16 heutigen europä­ischen Ländern an. Zwar war die heutige Backsteinregion vor allem im 12. Jahrhundert durch Feldsteinbauten geprägt. Wie der Kunstgeschichtler Professor Matthias Müller von der Universität Mainz sagt, sei es damals aber schwierig gewesen, die unregelmäßig geformten Steine dauerhaft zu verfugen. So entdeckten die Zisterzienser im dänischen Raum die Technik des Backsteinbaus neu. „Denn mit Backsteinen ließ sich ein haltbarer Mauerwerksverband erzielen.“

Zunächst kamen die rot und gelb gebrannten Kunststeine ausschließlich in den großen Kloster- und Bischofskirchen zum Einsatz. Die fünftürmige Marienkirche (Frauenkirche) im dänischen Kalundborg aus dem 12. Jahrhundert ist dafür ein herausragendes Beispiel. Je stärker sich aber die Hanse als merkantiles Bündnis herausbildete, umso größer wurde das Interesse in den reichen Hansestädten an repräsentativen Profanbauten. „Das Rathaus wurde so zu einem kleinen Palast“, heißt es im Ausstellungskatalog. Der Backstein wurde zur gemeinsamen DNA.

Historischer Flusshafen an der Mottlau
in Danzig
Historischer Flusshafen an der Mottlau in Danzig © picture alliance / Sven Simon

Wie die Besucher dieser Ausstellung erfahren, ist es maßgeblich dem Architekten und preußischem Baumeister Karl Friedrich Schinkel (1781–1841) zu verdanken, dass die Bauten zu dessen Lebzeiten geschützt wurden. Als oberster Bauverwalter für die Restaurierung der Kirchen im Norden entwickelte er ein Programm für die preußische Denkmalpflege. Für Schinkel waren die architektonischen Zeugnisse der Backsteingotik Denkmäler der vaterländischen Geschichte. Zahlreiche Tafeln führen von der Marienkirche in Dänemark über die Klosterkirche Eldena (Vorpommern) bis nach Naugard/Nowogard (Hinterpommern). Fachvorträge komplettieren die Ausstellung. So spricht am 3. August, 19 Uhr, Professor Edgar Ring über „Bauen mit Backstein in Lüneburg“.

Ein reich verzierter Backsteinbau am
Marien-Kirchhof
in Wismar
Ein reich verzierter Backsteinbau am Marien-Kirchhof in Wismar © picture alliance / ZB

Das Museum zeigt die Ausstellung mitten im eigenen Umbruch. Derzeit wird es mit Hochdruck modernisiert und erweitert. Hintergrund ist ein Glücksfall: Das Ostpreußische Landesmuseum übernimmt die Exponate des Museums „Stadt Königsberg“ aus Duisburg. Weil dafür kein Betreiber mehr gefunden werden konnte, gehen die Sammlungen in den Bestand des niedersächsischen Museums über. Von unschätzbarem Wert ist dabei die weltweit umfangreichste Sammlung zum Königsberger Philosophen Immanuel Kant (1724–1804). Damit werde Lüneburg in den nächsten Jahren zur wichtigsten Stadt in Deutschland für die Präsentation des größten deutschen Philosophen der Aufklärung, heißt es bei der Museumsleitung.

Wenn die Wanderausstellung über die Backsteingotik an der Küste wieder auf Reisen geht, dreht sich dann alles verstärkt um Immanuel Kant.

Immanuel Kant
(1724–1804).
Lüneburg dürfte
im nächsten Jahr
zur Pilgerstätte
für Kantianer
werden
Immanuel Kant (1724–1804). Lüneburg dürfte im nächsten Jahr zur Pilgerstätte für Kantianer werden © picture alliance

Die 4000 erhaltenen Objekte müssen erfasst und für die große Kant-Schau im nächsten Jahr ausgewählt werden. „Wir bekommen einige sehr persönliche Dinge“, freut sich Museumsleiter Joachim Mähnert. Immanuel Kants wie eine Reliquie verehrte Locke wird dann mit seiner Uhr und jenem Tafelgeschirr zu sehen sein, das bei den regelmäßigen Tischeinladungen verwendet wurde.

Die Backstein-Ausstellung ist während der Umbauten bis 28. August täglich außer montags von 12 bis 17 Uhr zu sehen, Heiligengeiststraße 38, 21335 Lüneburg