Westerland. Bodenständig statt luxuriös: Mehrere Restaurants auf der Nordseeinsel haben ihre Speisekarten auf ein schlichteres Angebot umgestellt.

Sie transportieren ein ganz bestimmtes Image: die begehrten Michelin-Sterne. Auf der Nordseeinsel Sylt geht die Anzahl der Sterne am Gourmet-Himmel jedoch seit 2014 zurück. Es gibt noch vier Sterneköche.

Seine fantasievollen, handwerklich exzellenten Kreationen brachten Sebastian Zier, dem damaligen Küchenchef des Gourmet-Restaurants La Mer im A-Rosa in List auf Sylt, in nur zwei Jahren zwei Michelin-Sterne ein. Patisserie-Chef Christian Hümbs krönte die ziersche Küchenleistung mit seinen mutigen Gemüse-Desserts. Die Kritiker jubelten. 2013 erkochte sich auch die damalige Küchenchefin des ebenfalls hoteleigenen Restaurants Spices einen Michelin-Stern.

Ein Michelin-Stern kann nicht zurückgegeben werden

Inzwischen ist das La Mer geschlossen, das fernöstliche Spices wird als Lifestyle-Restaurant mit neuem Konzept weitergeführt. Was war passiert? „Wir hatten abends nur elf Gäste im Restaurant, davon sechs von außerhalb. Wir mussten akzeptieren, dass der Kunde die maximale Qualität nicht will“, erklärt Hoteldirektor Gordon A. Debus. Einfach „zurückgeben“ kann man einen Stern übrigens nicht. Einmal im Guide Michelin gedruckt, bleibt die Auszeichnung bis zur erneuten Bewertung durch die sogenannten Inspektoren bestehen. Schließt man indes ein Restaurant, erlischt der Stern, ändert sich das Konzept, erfolgt eine neue Bewertung. Es sei denn, man verzichtet darauf, wie 2014 schon Jörg Müller.

Die klassische Sterneküche hält Debus für stark rückläufig: dreieinhalb Stunden im Restaurant sitzen, förmliche Atmosphäre, am Ende eine ordentliche Rechnung, die dennoch den hohen Einsatz von Personal und Produkten bei Weitem nicht deckt. Eine hohe Qualität wolle der Gast immer noch, so Debus. „Gleichzeitig möchte er aber auch unterhalten werden und eine entspanntere Art der Gastronomie erleben.“ Statt eines Gourmet-Restaurants gibt es jetzt neben dem neuen Spices ein Büfettrestaurant. An zwei Kochstationen kann der Gast einen Hauptgang wählen, den der Koch appetitlich auf seinem Teller drapiert. Jeden zweiten Tag nimmt sich die Küche ein anderes kulinarisches Thema vor: Asien, Südamerika, Norddeutschland.

Die Servicekräfte waren vom Imagewandel irritiert

Die fernöstlichen Kreationen im Spices sind nicht mehr ganz so ausgefallen wie früher, doch noch immer ein Genuss für Gaumen und Auge – und zudem preislich günstiger. „Unser Anspruch ist immer noch hoch“, betont Gordon A. Debus.

Ein wichtiges Signal an künftiges Personal – denn die neue Ausrichtung hat für Trubel gesorgt. „Im Arbeitsmarkt hat das neue Konzept vor allem das Servicepersonal verunsichert. Es gab Bedenken, dass wir von unserem Anspruch abweichen, was nicht der Fall ist“, so Debus. Die Einsparungen aus der Schließung des La Mer hat er in hochwertige Entertainment- und Freizeitangebote reinvestiert. Sein Fazit nach der Zäsur: „Die Gästezufriedenheit ist größer denn je, das neue Konzept kommt super an.“ Debus’ Mut zur Veränderung hat sich auch für ihn bezahlt gemacht: In der Umbruchphase zeichnete der „Große Bertelsmann“ ihn jüngst als „Hotelier des Jahres“ aus.

Neue Wege musste auch das Restaurant Coast in Rantum gehen. Vor der Wiedereröffnung im vergangenen Frühjahr forderte Inhaber Jan-Hen­drik Rose von seinem Küchenchef Tobias Evers ein neues, einfacheres kulinarisches Konzept. Das gefiel diesem zunächst gar nicht. „Man ist ja ambitioniert als Koch, will etwas erreichen. Doch mit meinen verspielten Kombinationen habe ich schlicht am Gast vorbeigekocht“, räumt Evers ein. Er schreibt schließlich eine neue Karte, „mehr Urlaub transportieren“, lautete die Vorgabe des Inhabers.

Einfache Küche, moderate Preise: Das zieht Kunden an

„Wir kochen jetzt einfacher, aber immer noch qualitativ hochwertig mit frischen Produkten“, so Tobias Evers. Statt aufwendiger Kreationen stehen jetzt beispielsweise Burger mit selbst gebackenem Brötchen und hausgemachte Pasta auf der Karte – darauf ist der Küchenchef stolz. „Hier ist alles Handwerk, das ist unser Anspruch. Nur so kann man sich abheben von der Masse.“ Die neue Einfachheit, Qualität und moderate Preise, das ziehe deutlich mehr Gäste an als zuvor.

Doch Bodenständigkeit allein macht ein Restaurant noch nicht voll. Gastronom Ivo Köster kann ein Lied davon singen. „Herkunftsorientiert und rustikal“, so die Devise bei Eröffnung des Ivo & Co. in Westerland vor vier Jahren. Köster will genau wissen, woher die Produkte stammen, die er einkauft, und diskutiert nach eigener Aussage mit einem Lieferanten schon mal die Futterzusammensetzung für die Weiderinder. Das Rumpsteak steht dann mit 36 Euro in der Karte – das ist einigen Gästen schlicht zu viel. Köster experimentierte mit mehr Finesse, mehr Komponenten. „Ich habe es ausprobiert, einige Gäste haben das honoriert, andere nicht. Da werde ich wohl wieder einen Schritt zurückgehen müssen“, sagt Ivo Köster. Wohin der neue kulinarische Weg führt, müsse er jetzt ausloten.

Bodenständig, frisch und exotisch ist die Devise im thailändischen Siam in Westerland. Ein Familienbetrieb: Gastgeber Roberto Försters Ehemann Chan Saensrimon ist Küchenchef, Försters Nichte Restaurantleiterin. Saensrimons Eltern waren Reisfarmer in der Provinz Khon Kaen – entsprechend authentisch kann er die thailändische Küche an den Gast bringen.

Richtig rund lief es dennoch erst nach ein paar Jahren. „Anfangs waren wir froh, wenn Gäste kamen. Heute geht nichts ohne Reservierung“, so der Gastgeber. Mittlerweile ist das Siam der einzige Asiate in Laufnähe, zudem hat Förster seinem Restaurant zwischendurch ein neues Styling verpasst. „Wir haben jetzt auch viel mehr jüngere Gäste.“ Während andere nach neuen Wegen suchen, sagt der Siam-Chef: „Wir bleiben, wie wir sind.“