Westerland. Schleswig-Holstein führt das Gesetz zum 1. Dezember ein. Was Westerland stattdessen gegen die Wohnungsnot machen will.

Hamburg hat die sogenannte Mietpreisbremse schon seit Juli. Jetzt soll sie auch in Schleswig-Holstein sicherstellen, dass die Miete bei Wiedervermietung einer Wohnung die ortsübliche Vergleichsmiete um höchstens zehn Prozent übersteigt. Nur Neubauwohnungen und die Erstvermietung nach umfassender Modernisierung sind davon ausgenommen. Die Regelung gilt zunächst für fünf Jahre und soll voraussichtlich am 1. Dezember in Kraft treten. Die Mietpreisbremse greift in allen Inselgemeinden von Sylt, in Wyk auf Föhr, Kiel, Norderstedt, Barsbüttel, Glinde, Halstenbek und Wentorf bei Hamburg.

Quadratmeterpreise von bis zu 21 Euro auf Sylt

Doch wie sinnvoll ist das Instrument in Touristenhochburgen wie Sylt und Föhr? Innenminister Stefan Studt (SPD) bezeichnete die Mietpreis­bremse als Maßnahme in „Gebieten, in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist (…)“. Auf Sylt steigen die Preise schon seit Jahrzehnten immer weiter. Beim Blättern durch die wenigen privaten Wohnungsanzeigen in den hiesigen Zeitungen macht sich schnell Ernüchterung breit. 1400 Euro warm für 64 Quadratmeter in Westerland, 960 Euro kalt für 55 Quadratmeter in Rantum – das sind pro Quadratmeter mehr als 21 Euro bzw. mehr als 17 Euro.

Für den auf Sylt arbeitenden Normalverdiener in Hotellerie, Gastronomie oder Einzelhandel kaum bezahlbar. Gleich hinter dem Hindenburgdamm indes könnte man es sich schon für etwas mehr als sechs Euro pro Quadratmeter plus Strom auf komfortablen 120 Quadratmetern gemütlich machen. So lassen sich immer mehr Insulaner notgedrungen auf dem Festland nieder.

Das Kernproblem auf Sylt und Föhr ist es, Wohnraum zu erhalten und neuen zu schaffen, um den Wegzug der Insulaner zumindest einzudämmen. Viele nicht auf der Insel lebende Eigentümer geben den Wohnraum lieber in die Ferienvermietung – das ist lukrativer – oder sie nutzen die Immobilie als Zweitwohnsitz. Für diese Fälle würde die Mietpreisbremse nicht gelten. Dazu kommt: Weder auf Sylt noch in Wyk auf Föhr gibt es einen Mietspiegel – und somit auch keine „ortsübliche“ Vergleichsmiete. Der Bürgermeister der Gemeinde Sylt, Nikolas Häckel (parteilos), sagte dem Hamburger Abendblatt: „Einen Mietspiegel zu erstellen dürfte schwierig werden. Das müsste man für jeden Ort einzeln machen – die Mieten sind in Rantum anders als in Morsum. Das hat für uns gerade keine hohe Priorität. Wir gehen andere Wege, um Wohnraum zu schaffen.“ Damit ist in erster Linie der kommunale Wohnungsbau gemeint. Einem Sylter Wohnungsmarktkonzept zufolge sollen auf der Insel bis zum Jahr 2025 knapp 2900 neue Wohnungen entstehen. Die Mietpreisbremse könne zwar ein spannendes Instrument innerhalb eines Gesamtpakets sein. „Damit allein lässt sich aber der Wegzug der Insulaner nicht stoppen“, sagt Häckel.

Besonders kleine Wohnungen sind vergleichsweise teuer

Der Sylter Immobilienmakler Marcus Riel ist ebenfalls skeptisch in Sachen Mietpreisbremse. Sein Büro verwaltet nach eigener Aussage rund 100 Wohneinheiten für Dauermieter mit Mieten zwischen zehn und 13 Euro pro Quadratmeter. „Wir haben nach zehn Jahren dieses Jahr zum ersten Mal erhöht. Wer auf Sylt zuverlässige Mieter hat, die das Objekt in Ordnung halten und pünktlich zahlen, der vergrault sich die Leute nicht mit einer pauschalen Mieterhöhung“, sagt der Makler. Zudem sei eine Datenerhebung wegen der großen Spanne bei den Quadratmeterpreisen schwierig.

„Kleine Wohnungen sind hier vergleichsweise teuer, liegen schon mal bei 25 Euro pro Quadratmeter. Große Wohnungen sind mit 15,16 Euro preiswerter. Und dann ist da noch die Frage, ob die Mieten der kommunalen Vermieter wie KLM oder Gewoba in einen Mietspiegel eingerechnet werden“, sagt Riel. Auf Sylt ergebe sich die Mietpreisbremse schon aus dem Gehalt. „Finden Sie hier doch mal jemanden, der 3500 Euro brutto monatlich verdient. Und selbst dann kann einer allein nicht 16 Euro pro Quadratmeter für eine Haushälfte zahlen.“ Kürzlich habe er drei Monate gebraucht, um eine 120 Qua­dratmeter große Haushälfte für zehn Euro pro Quadratmeter zu vermieten. Auf der Nachbarinsel Föhr sieht man die Mietpreisbremse ebenfalls nicht als geeignetes Instrument zum Erhalt von Dauerwohnungen. Silke Ofterdinger-Daegel, stellvertretende Bürgermeisterin der Stadt Wyk und Vorsitzende des Bauausschusses, sagt: „Das ist sicher ein wertvolles Instrument, damit bei der Neuvermietung nicht so hingelangt wird. Wir haben aber eher das Problem, dass aus Wohnraum Zweitwohnsitze oder Ferienunterkünfte werden.“ Da brauche es andere Instrumente als eine Mietpreisbremse. Zudem tut man sich auch auf Föhr schwer, eine „ortsübliche“ Miete zu beziffern. „Etwa elf Euro dürften im Schnitt Standard sein“, schätzt Ofterdinger-Daegel.

Föhr und Amrum wollen Bedarf ermitteln

Auf Föhr hat man jetzt mit der Nachbarinsel Amrum ein gemeinsames Wohnungsmarktkonzept in Auftrag gegeben. So soll der genaue Bedarf an Wohnungen ermittelt werden. Mit Ergebnissen wird im April 2016 gerechnet, sagt Silke Ofterdinger-Daegel. Zudem setze man auf die sogenannte 60/40-Regel, die schon seit den 70er- Jahren festgeschrieben sei. „Diese Struktur ist bei uns noch weit verbreitet, anders als auf Sylt. Der Eigentümer eines Einfamilienhauses bewohnt 60 Prozent selbst, 40 Prozent der Fläche wird an Gäste vermietet.“

Eine ähnliche Diskussion wird gerade auf Sylt äußerst emotional geführt: Dort soll eine 40/60-Regelung dafür sorgen, dass 40 Prozent einer Fläche als Dauerwohnung zur Verfügung steht – Ausgang offen. In Sachen Mietpreisbremse macht der Sylter Verwaltungschef Nikolas Häckel abschließend deutlich: „Danke für das Angebot, aber wir nehmen es derzeit nicht an.“