Westerland. Stellen gibt es in der Tourismushochburg Sylt im Überfluss: Drei Afghanen sind jetzt im Keitumer Benen-Diken-Hof angestellt.
Wer hierzulande morgens zur Arbeit fährt, sorgt sich unterwegs womöglich um die Launen des Chefs oder den nächsten Stau. Den Afghanen Usman Soltani quälten zuhause ganz andere Sorgen. „Ich wusste nie, ob ich lebend zur Arbeit komme und wieder zurück“, erzählt der 23-Jährige. Vor drei Jahren floh er vor den Taliban, die seinen Vater töteten und seine Mutter terrorisierten. 16.000 Dollar ärmer – so viel kostete ihn die Flucht – erreichte Usman Soltani über Frankfurt und Neumünster Sylt. Dort haben mittlerweile 154 Asylsuchende Schutz gefunden. Gestern sind weitere sieben Menschen angekommen.
Ein Problem ist, die Menschen unterzubringen. „Wir können hier lediglich 40 Prozent des Wohnraums als Dauerwohnraum nutzen. 60 Prozent stehen dem Tourismus zur Verfügung. In der Hauptsaison Unterkünfte zu finden ist schon eine große Herausforderung“, sagt der Sylter Bürgermeister Nikolas Häckel. Zudem versuche die Gemeinde, keine Wohnungen, sondern Häuser anzumieten, um den Flüchtlingen einzelne Zimmer zur Verfügung zu stellen. „Einheimische suchen ja auch Wohnungen. Wir müssen als Gemeinde versuchen, keine Konkurrenzsituation entstehen zu lassen“, so der Bürgermeister. Wohncontainer seien zumindest kurzfristig keine Option: Die Lieferzeit liegt derzeit bei sechs Monaten.
Wohnraum gibt es kaum, dafür aber viele unbesetzte Arbeitsstellen und Ausbildungsplätze. Der Hotel- und Gaststättenverband spricht von 350 Arbeitsplätzen und 50 freien Ausbildungsstellen. Doch es gibt viele Flüchtlinge, die unbedingt arbeiten wollen. Wie Usman Soltani. Seit Mai arbeitet er im Zimmerservice des Keitumer Hotels Benen-Diken-Hof. „Endlich kann ich Geld verdienen, mir eine Zukunft aufbauen. Die Kollegen hier sind alle freundlich und hilfsbereit“, strahlt der 23-Jährige. An den Job kam er über einen befreundeten Flüchtling, den Afghanen Salih Shekhan. Der begann Anfang September sogar eine Ausbildung zum Restaurantfachmann. Der dritte im Bunde ist Küchenhilfe Zabih Hakim, ebenfalls aus Afghanistan. Hotelinhaber Claas-Erik Johannsen hat allen Dreien eine Chance gegeben. Er ist von deren Motivation begeistert. „Sie lernen sehr engagiert Deutsch, um sich konstruktiv in die Betriebe einzubringen. Mit sehr viel Engagement machen sie ihr Sprachdefizit wett“, so Johannsen. Dass er Flüchtlinge beschäftigt, ist für ihn keineswegs Gutmenschentum. „Die Situation hier ist angespannt. Wir haben eindeutig zu wenig Mitarbeiter. “
Zwar dürfen Asylbewerber mittlerweile nach drei Monaten Aufenthalt arbeiten, unabhängig vom Stand ihres Verfahrens. Bevor sie jedoch eine Stelle antreten, prüft die „Zentrale Auslands- und Fachvermittlung“, ob es deutsche oder europäische Jobanwärter gibt. Das kann dauern. „In der Regel zwei bis vier Wochen. Aufgrund der Überlastung der Ausländerbehörde sind es aktuell eher sechs Wochen und länger“, so ein Sprecher der Arbeitsagentur Flensburg. Johannsen hat gute Erfahrungen mit der Bürokratie gemacht. Vom Bewerbungsgespräch seines neuen Azubis bis zu dessen Einstellung seien acht Wochen vergangen.