Hamburg/Kiel. Experten kalkulieren Kosten auf mehr als eine Milliarde Euro. Strecke wird dringend wegen steigender Nachfrage benötigt.

Die Bahnverbindung zwischen Hamburg und Bad Oldesloe ist eine der am meisten befahrenen Pendlerstrecken rund um die Hansestadt, sagt der parteilose Hamburger Verkehrssenator Frank Horch. In der Vergangenheit ist die Zahl der Fahrgäste auf der Strecke immer weiter gestiegen. Horch sprach gestern von etwa 300.000 Pendlern, die täglich nach Hamburg (und wieder nach Hause) fahren und weit mehr als 100.000 Berufstätigen, die in der Gegenrichtung unterwegs sind.

Das sind dauerhaft zu viele Menschen für die Züge, die hier pendeln können. Das Angebot musste bereits mehrfach verbessert werden. Senator Horch warnt: „Im jetzigen Zustand stößt das Verkehrsangebot an seine Grenzen.“ Das sieht auch der schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) so.

Sie setzen sich ein für eine neue S-Bahn-Linie 4. Die Vorteile: Der Takt ließe sich verdichten, neue Bahnhöfe könnten weitere Berufspendler bewegen, vom Auto auf den Zug umzusteigen, der Hamburger Hauptbahnhof mit inzwischen rund einer halben Million Reisenden am Tag würde entlastet.

70 Millionen Euro mehr für Lärmschutz

So weit, so gut. Die Vorteile der S 4 liegen auf der Hand. Aber die entscheidende Frage ist noch nicht geklärt: Wer soll das bezahlen? Die Finanzierung des Großbauvorhabens, an dem seit mehr als zwei Jahrzehnten geplant wird, ist unklar. Die Kosten liegen nach einer aktuellen Analyse der Deutschen Bahn im Auftrag der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein bei mehr als einer Milliarde Euro. 2013 hatten Hamburg und Schleswig-Holstein zunächst inklusive 30 Prozent „Risikokostenaufschlag“ noch 819 Millionen Euro veranschlagt. Mit der Vertiefung der Planung wurde dann die DB beauftragt.

Zur Kostensteigerung führen laut DB unter anderem, dass durch den Wegfall des Schienenbonus zum Anfang des Jahres allein 70 Millionen Euro mehr für den Lärmschutz entlang der Strecke einkalkuliert werden müssen.

Hamburg und Schleswig-Holstein setzen auf eine großzügige finanzielle Unterstützung des Bundes. Dem Vernehmen nach erhoffen sich die Länder mindestens 60 Prozent Kostenübernahme. „Der Länderanteil würde zu einem größeren Teil bei Hamburg liegen“, wie Kiels Minister Meyer betonte. Dass sich der Bund beteiligen muss an den Kosten von mehr als einer Milliarde Euro, steht für Senator Horch außer Frage, schließlich berücksichtigte schon der Bundesverkehrswegeplan 2003 den Ausbau der Strecke: „Wir erwarten aufgrund des hohen Nutzens des Projekts auch für den Fern- und Güterverkehr eine deutliche Beteiligung des Bundes an den Kosten.“ Aber vom Bund gibt es noch überhaupt keine Zusage über eine Beteiligung an den Kosten, geschweige denn über eine konkrete Summe.

Auch der Zeitplan ist eher vage: Die Entwurfs- und Genehmigungsplanung läuft voraussichtlich noch bis 2021. Die ersten Planfeststellungsverfahren könnten 2016 starten. Bei der Frage nach dem Baubeginn gibt sich Horch zurückhaltend, spricht dann im „günstigsten Fall“ von 2018.

CDU kritisiert Kostenexplosion

Die nun eingeräumte Kostensteigerung von mehr als 180 Millionen Euro auf mehr als eine Milliarde Euro sorgt unterdessen für Kritik von der Hamburger Opposition: „Gut ist nicht günstig. Infrastrukturgroßprojekte bergen immer große finanzielle Risiken, und nach dem Zeitplan laufen den beteiligten Landesregierungen in Hamburg und Schleswig-Holstein nun auch die Kosten für den Bau der S 4 aus dem Ruder“, sagte CDU-Verkehrsexperte Dennis Thering.

Die gemeinsam mit den Grünen in Hamburg regierende SPD sieht das erwartungsgemäß anders. Ole Thorben Buschhüter (SPD), Vorsitzender des Verkehrsaussschusses in der Hamburgischen Bürgerschaft, sagt: „Es ist klug, sämtliche Risiken zu bewerten und als Kosten zu kalkulieren. Mit der Ausarbeitung der detaillierten Planung können nun auch die Kosten konkreter geschätzt werden.“

Die Strecke der S 4 ist rund 36 Kilometer lang, es müssten bis zu 24 Kilometer neu gebaut werden. Auf den etwa zwölf Kilometern der bestehenden Strecke müssten die Stationen den Bedürfnissen der S-Bahn entsprechend ausgebaut werden. Die S 4 soll grundsätzlich parallel zu den bestehenden Gleisen von Hamburg nach Bargteheide fahren. Von Hamburg-Hasselbrook bis nach Ahrensburg soll eine neue, zweigleisige S-Bahn-Strecke gebaut werden. Zwei Planungsvarianten gibt es aktuell noch für den Abschnitt von Ahrensburg bis Bargteheide: Hamburg und Schleswig-Holstein prüfen, ob hier noch ein zusätzliches Gleis nötig ist. Zwischen Bargteheide und Bad Oldesloe soll die neue S 4 die vorhandenen Fernbahngleise nutzen.