Borkum/Hannover. Die Immobilienpreise in der norddeutschen Region ziehen stark an. Problem: Käufer lassen Zweitwohnungen monatelang leer stehen.
Wenn Georg Lübben an seinem Schreibtisch im Borkumer Rathaus sitzt, hat er das Problem bei jedem Blick aus dem Fenster vor Augen: Geschlossene Rollos an Wohnungen signalisieren, dass niemand zu Hause ist. Bürgermeister Lübben spricht von „regelrechten Rollo-Siedlungen“ überall auf der Insel, die auch noch das Erscheinungsbild nachhaltig verschlechtern: „Die kaufen die alten inseltypischen Häuser auf, reißen ab und bauen Zweitwohnungen.“
Lübben ist auf Borkum geboren, kommt aus der Verwaltung und ein Dorn im Auge ist ihm die Entwicklung aus gleich zwei Gründen: Zahlreiche Neuinsulaner können es sich leisten, die Wohnung schön einzurichten und doch nur vier Wochen auf der Insel zu verbringen. Ansonsten stehen die Wohnungen leer und es fehlt der Umsatz für die Tourismusbranche.
Vor allem aber explodieren die Preise. 700.000 Euro für eine 100-Quadratmeter-Wohnung werden inzwischen laut Lübben anstandslos bezahlt, und damit droht Borkum wie vielen anderen Nordseeinseln eine Zwangsabwanderung von Insulanern, die sich so teure Wohnungen nicht leisten können – egal ob zur Miete oder als Eigentum.
Die Kreditzinsen sind ins Bodenlose gefallen, auch das verstärkt noch einmal das Interesse wohlhabender Inselliebhaber, sich hier einzukaufen. Derzeit sucht Lübben händeringend eine bezahlbare Wohnung für eine Kindergärtnerin und wenn der Sommer kommt, wird es richtig schwierig. Dann müssen auf allen sieben bewohnten Ostfriesischen Inseln neben den Urlaubern auch die unverzichtbaren Saisonarbeitskräfte untergebracht werden und die bleiben weg, wenn die Zimmer nur spartanisch sind.
Eigentlich versuchen die Nordseeinseln gegenzusteuern mit dem Paragrafen 22 des Baugesetzbuches. Der gestattet es den Kommunen durchaus, zur Förderung des Fremdenverkehrs steuernd in die Entwicklung des Wohnungsmarktes beim Bau von Zweitwohnungen einzugreifen. Aber inzwischen ist es beinahe schon die Regel, dass die Investoren kommen, die alten Häuser abreißen und dann für das neue Haus das Bruchteilseigentum als Rechtsform wählen. Die Wohnungen werden dann als Ferienwohnungen deklariert, aber nur für einen geringen Zeitraum auch tatsächlich genutzt. Das hat juristische Nachteile – etwa durch die gemeinsame Haftung aller Beteiligten. Aber die Käufer nehmen das hin, um ihren Traum von der Eigentumswohnung auf der Insel zu realisieren.
Von den Sylter Mondpreisen für besonders beliebte Standorte ist die breite Mehrzahl der anderen Nordseeinseln noch weit entfernt, aber dafür hat etwa Borkum ein anderes Problem: Die Fähre braucht gut zwei Stunden auf die Insel und daher kommt ein abendliches Auspendeln aufs Festland von Arbeitskräften nach Sylter Vorbild nicht infrage. Wer also geht, ist ganz weg und fehlt in der Tourismusbranche, die nach Einschätzung von Bürgermeister Lübben über 90 Prozent der rund 5200 Insulaner ernährt. Aber es sieht so aus, als würde die Politik sich aufraffen, steuernd einzugreifen. Am Mittwoch wurde im Landtag in Hannover einstimmig ein Antrag verabschiedet, mit dem der Bundesgesetzgeber aufgefordert wird, das Baugesetz zu ändern. Lübben ist nicht nach Hannover gefahren, aber er weiß nach diversen Krisenkonferenzen die Sache bei der Landespolitik in guten Händen.
Für ihn vielleicht noch wichtiger: Auch bei seinem Besuch in Berlin hat das Bundesbauministerium die Bereitschaft signalisiert, das entsprechende Gesetz so zu ändern, dass auch Bruchteilseigentum künftig einer Genehmigungspflicht unterworfen wird. Selbst wenn das gelingen sollte, bleibt es schwierig, für preiswerte Mietwohnungen zu sorgen. Schon wegen der Transportwege über See ist es besonders teuer, neue Häuser zu bauen.
Der Landtag fordert jetzt mit breiter Mehrheit, die ostfriesischen Inseln in der nächsten EU-Förderperiode als Sonderzone auszuweisen. Inselschutz, da waren sich alle Fraktionen einig, ist auch Küstenschutz, weil nur bewohnte Inseln dauerhaft gegen Sturmfluten gesichert werden können.