Filzvorwürfe, Denkmalschutz und das gekippte Baurecht treiben die GmbH aus Stadtverordneten vor sich her. Scheitert das „Bürgerprojekt“, verliert das Städtchen einen Traum und gut 350.000 Euro
Bargteheide. Auch Bargteheides Strom kam immer nur aus der Steckdose. Die Konzerne verdienten und das Städtchen war ein ganz kleines Licht. Das ärgerte die Stadtverordneten. Dann hatten sie die Idee mit dem „Bürgerwindpark“. Die Stadt wollte selbst Strom herstellen, ihre Bürger das Geschäft machen lassen und die Zügel nie mehr aus der Hand geben. Sie befragten ihre Juristen und gründeten eine GmbH und Co. KG, in der die Stadtverordneten selbst nach ausgeklügeltem Proporz alle Anteile halten. Jetzt gibt es Filzvorwürfe, eine gut organisierte Bürgerinitiative gegen das Projekt, ein Beschwerdeverfahren bei der EU und ein Gerichtsurteil aus Schleswig, das dem Windpark den Boden unter den Füßen weggezogen hat.
„Wir müssen uns neu sortieren“, sagt Joachim Teschke, Stadtkämmerer und zugleich Geschäftsführer der „Bürgerwindpark Bargteheide GmbH & Co. KG“. Aufgeben will er nicht. „Wir haben den Anspruch, alles so zu machen, wie es sich gehört. Erst wenn wir sehen, dass das nicht geht, beerdigen wir das Projekt.“ Dann würden die sieben Politiker ihre GmbH liquidieren, und die Stadt bliebe auf rund 350.000 Euro verauslagten Kosten für das Genehmigungsverfahren sitzen.
Das Oberverwaltungsgericht in Schleswig hatte die Raumordnungspläne des Landes für fehlerhaft und darum für nichtig erklärt (wir berichteten). Womit dem Bürgerwindpark mit der „Eignungsfläche Nr. 246“ die Grundlage für eine bereits fertig in der Schublade liegende Baugenehmigung entzogen wurde. Die Eignungsfläche gibt es nicht mehr, und es gilt plötzlich der alte Raumordnungsplan von 1998, der gar keine Flächen für Windparks ausweist. Den ersten Jubelrufen, dass nun an jeder Ecke Windparks als einfache Gewerbeansiedlungen genehmigt werden könnten, folgte rasch Ernüchterung.
Denn der alte Regionalplan ohne irgendeine Eignungsfläche für Windparks hat eben deshalb auch keinerlei Steuerungsfunktion für die Verteilung von Rotoren im Land. Und über die fehlende bzw. ungenügende Steuerungsfunktion war der neue Regionalplan vor Gericht gestolpert. Der alte Regionalplan von 1998 leidet also an der gleichen Krankheit wie der vor Gericht gekippte neue Plan.
Eine Rechtsverordnung soll helfen
Die Landesregierung will diesen Mangel durch eine neue und nebenbei auch schnell herstellbare Rechtsverordnung zur Definition „raumbedeutsamer Vorhaben“ heilen. Die Idee: Nach altem Raumordnungsplan wären Windparks außerhalb von Siedlungen („Außenbereich“) nach Baugesetzbuch zu genehmigen, wenn sie nicht höher als 68 Meter und deshalb keine „raumbedeutsamen Vorhaben“ sind. Doch derzeit hilft das den Windparkfreunden nichts. Denn so kleine Rotoren werden gar nicht mehr hergestellt. Die Verordnung müsste also größere Windmühlen erlauben und zugleich auch wieder kleine von großen Mühlen unterscheiden, so dass die vom Gericht geforderte Steuerungsfunktion erreicht wird.
Gelingt dies, könnte Bargteheide mit vielleicht sechs Monaten Verzögerung die Baugenehmigung verschicken. Scheitert es, muss ein neuer Raumordnungsplan her, was gut drei Jahre dauert. Die Verordnung aber darf nicht unter der Hand das Gesetz ändern, sie darf es nur ausgestalten. Außerdem sind die geplanten drei Bargteheider Rotoren mit 195 Meter Höhe auch nach heutigen Gesichtspunkten keine kleinen Anlagen. Die Verordnung müsste es also zulassen, wenige große Rotoren gegen viele kleine zu verrechnen und so zu einem Genehmigungsbescheid zu kommen. Das klingt nicht eben unproblematisch. Kämmerer Teschke ist denn auch „skeptisch“ und fordert „eine gerichtsfeste Lösung“.
Der Filzvorwurf tut weh
Der Filzvorwurf ärgert ihn, „weil er nur Tatsachen verdreht“. Nicht die Abgeordneten, die Stadt wolle die Anlage haben. Sie wolle das Heft des energiepolitischen Handelns in der Hand halten und habe die GmbH nur gegründet, um die Bürger beteiligen zu können. Die sieben Stadtverordneten, die als Kommanditisten schon eingetreten sind, hätten dies nur getan, um den Bürgern das Risiko abzunehmen. Sie hätten keinerlei Entscheidungsbefugnisse in der Gesellschaft. Über städtebauliche Verträge seien alle wichtigen Kompetenzen an die parlamentarischen Gremien der Stadt abgegeben worden. Später, wenn die Anlage laufe, sollen weitere Bürger eintreten und die Segnungen der Einspeisevergütung teilhaben dürfen.
Der Bürgerinitiative „Gegenwind Bargteheide“ erscheinen die Verheißungen ihrer örtlichen GmbH-Politiker eher als Fluch. Sie möchten gar keinen Windpark in der Nachbarschaft und beklagen Verstöße gegen das EU-Beihilferecht, weil die Stadt ohne erkennbare Gegenleistung einer GmbH die Kosten für ein Genehmigungsverfahren abnimmt und damit ein Risiko trägt, was sonst jede GmbH selbst tragen muss. Zwar muss die Politiker-GmbH die Kosten des Genehmigungsverfahrens der Stadt erstatten, aber, so regeln es die Verträge, sie muss es nur dann tun, wenn der Windpark auch eröffnet. Scheitert er an der Genehmigung oder nutzt die GmbH ihre Genehmigung nicht, weil die wirtschaftlichen Aussichten sich infolge sinkender Einspeisevergütungen zu ungünstig darstellen, zahlt die Stadt Bargteheide die versenkten Planungskosten allein.
Das ärgert den Steuerzahler und verstößt laut Bürgerinitiativen-Anwalt Ulf Hellmann-Sieg von der Hamburger Kanzlei Klemm & Partner auch gegen das EU-Beihilferecht. Demnach muss grundsätzlich jedes private Unternehmen die gleichen Chancen haben. Und deshalb sieht man in der auf sehr kurzem Dienstweg erfolgten Entlastung der Bargteheider Politiker-GmbH vom Planungsrisiko einen unlauteren Wettbewerbsvorteil. Teschke und seine Mitstreiter verstehen das nicht. Für sie ist die GmbH nur „der verlängerte Arm der Stadt“ und die Fläche „gar nicht auf dem Markt“. Dass allerdings eine private Gesellschaft auch dann, wenn sie verlängerter Arm der öffentlichen Hand sein will, rechtlich bloß eine auf Gewinnerzielung ausgerichtete Privatfirma unter vielen sein könnte, lässt er nicht gelten.
Kiel pfiff die Stadt zurück
Während der Kreis Stormarn der Stadt in der Filz-Frage noch die Stange hielt, meldete das Kieler Innenministerium in zwei dem Abendblatt vorliegenden Schreiben massive Bedenken an und ließ die Baugenehmigung, die sich die Stadt gleichsam selbst erteilen wollte, auf Eis legen. Das Risiko einer Millionenklage schien Kiel zu hoch, und Bargteheide könnte es allein sowieso nicht tragen. Laut Teschke arbeitet die Stadt an neuen Verträgen, die „die Absicht Bargteheides noch deutlicher machen.“ Er sprach von „gewaltigen Anforderungen an eine so kleine Stadt“.
Die werden noch wachsen. Mittlerweile gibt es einen Wettbewerber, der Chancengleichheit fordert und die laufende Beschwerde der Bürgerinitiative bei der EU unterstützt: die „Vierländer Windkraft, Deiters, Pinnau, Scheel KG“. Das macht es der EU schwerer, die Beschwerde abzulehnen, da ein benachteiligter Wettbewerber mehr Klagerechte hat als ein belästigter Nachbar.
Barockgarten statt Windpark?
Am Ende lauert der „Jersbeker Barockgarten“. Das neue Denkmalschutzgesetz macht eine Neubetrachtung der Beeinträchtigungen nötig, die der Windpark für den 800 Meter entfernten Park darstellt. Zwar war der Denkmalschutz laut Teschke „eigentlich schon erledigt“, aber die fertig in der Lade schlummernde Baugenehmigung konnte wegen der Kieler Einsprüche ja nicht verschickt werden. Und entscheidend ist die Rechtslage zum Zeitpunkt der Genehmigung, nicht die zum Zeitpunkt der Prüfung. Das Fass wird also wieder geöffnet.
„Dem müssen wir uns stellen“, sagt Teschke. Der Gutachter der Stadt Bargteheide, der die Mühlen im Gegensatz zum Experten der Bürgerinitiative für unbedenklich hielt, hatte argumentiert, dass die Rotoren „alle wesentlichen Sichtachsen unbeeinträchtigt“ ließen. Das neue Gesetz aber sieht vor, dass alle Sichtachsen, also auch die unwesentlichen, unbeeinträchtigt bleiben müssen.
Vor allem also mahlen die Mühlen der Justiz. Und sie erzeugen keinen Strom.