Jahrelang wurde über die Y-Bahntrasse in Niedersachsen gestritten, dann liefen die Kosten aus dem Ruder und die Planer zogen die Notbremse. Nun sollen die Betroffenen über Alternativrouten mitdiskutieren.
Hannover. Der Widerstand der Anlieger ist den Bahnplanern sicher, obwohl es beim Streit um die Y-Trasse von diesem Freitag an eigentlich um einen Konsens mit den Betroffenen gehen soll. Egal nämlich, welche Variante für den milliardenteuren Bahnausbau von Hannover Richtung Hamburg und Bremen letztlich gewählt wird: Er wird die Landschaft zerschneiden oder entlang bestehender Trassen zu neuen Gleisen und noch mehr Güterzügen führen.
Nachdem es 20 Jahre lang Streit um die ursprünglich konzipierte Neubaustrecke gab, wollen Politik und Bahn jetzt bei einem Dialogforum mit einer transparenten Planung einen offenen Konflikt wie beim Zankapfel „Stuttgart 21“ verhindern.
Eine offene Erörterung mit allen Beteiligten statt Grabenkämpfe lautet das Konzept des auf ein Jahr angelegten Dialogforums in Celle, das von einer Beratungsfirma moderiert wird. Vertreter der Länder Niedersachsen, Hamburg und Bremen, Kommunalpolitiker und Bürgerinitiativen sollen mit am Tisch sitzen und idealerweise die Trasse finden, die auf den geringsten Protest stößt und der Bahn zur Abfuhr der wachsenden Gütermengen aus den norddeutschen Seehäfen die nötige Kapazität verschafft.
„Wir werden in diesem Dialogforum nicht nur umfassend informieren, wir wollen insbesondere auch zuhören, welche Argumente für und gegen die einzelnen Varianten vorgetragen werden“, sagte der Norddeutschland-Chef der Bahn, Ulrich Bischoping. „Wir wollen keine spezifische Variante durchsetzen, sondern eine möglichst konsensnahe Lösung für den steigenden Bedarf an zusätzlichen Kapazitäten für den Schienengüterverkehr im Seehafenhinterland finden.“
Die Ursprungtrasse wurde unrealistisch
Dass die Planungen sich über Jahre in die Länge zogen liegt unter anderem daran, dass ursprünglich eine Neubaustrecke für den schnellen ICE-Verkehr Richtung Norden konzipiert war. Erst später rückte der ständig wachsenden Güterverkehr in den Fokus, der keine auf Tempo 300 ausgelegte Trasse, sondern eine Verknüpfung mit den Hauptrouten der Güterzüge verlangt. Wegen ausufernder Milliardenkosten wurde die Ursprungstrasse mehr und mehr unrealistisch. Nach sturem Festhalten an der Y-Trasse trotz fundierter Bedenken von Verkehrsexperten hieß es vor zwei Jahren dann: Wir planen neu.
Eine vorgeschlagene Variante ist eine Neubaustrecke vom Hamburger Rangierbahnhof Maschen über Soltau nach Celle ergänzt um einen Ausbau der Strecke Bremen-Soltau. Eine zweite Variante ist der Ausbau der bestehenden Strecke von Hamburg über Lüneburg bis Celle, eine dritte Lösung sieht eine Neubaustrecke aus dem Raum Maschen bis nach Unterlüß im Kreis Celle vor. Außerdem sind in jedem Fall zusätzliche Gleise zwischen Wunstorf und Nienburg im Verlauf der Strecke Hannover-Bremen vorgesehen.
Im September demonstrierten Hunderte Gegner
Eine Grobbewertung von Kosten und Nutzen der unterschiedlichen Varianten will das Bundesverkehrsministerium zu einer der ersten Sitzungen des Dialogforums präsentieren. Ob die kürzeste Strecke von Maschen nach Unterlüß auch die günstigste Lösung sein wird, ist noch nicht bekannt. Ungeachtet der Dialogbereitschaft bei dem Bahnprojekt regt sich in den Regionen bereits jetzt Widerstand und Protest. Im September demonstrierten Hunderte in Uelzen bei der Vorstellung der Varianten. Auch anderenorts formierten sich neue Bürgerinitiativen.
Zwar soll das Votum des Dialogforums Gewicht haben, die endgültige Entscheidung aber liegt bei Land, Bund und Bahn. Baustart ist frühestens 2020. Niedersachsens Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) hatte für das Projekt einen verkürzten Rechtsweg gefordert. Es müsse mehr Zeit in die Suche nach einer Variante gesteckt werden, die auf breite Zustimmung in der Bevölkerung stoße statt in spätere Klageverfahren. Ob am Ende des Dialogforums im kommenden Jahr aber alle Betroffenen klaglos glücklich sind, das bezweifelt selbst Lies. „Am Ende gibt es immer Gegner.“