Ministerium und Philologenverband uneins. Es bleibt beim Boykott niedersächsischer Lehrer als Reaktion auf erhöhte Unterrichtszeit.

Hannover. Es bleibt beim Boykott von Klassenfahrten durch die Lehrer an deutlich mehr als der Hälfte aller Gymnasien in Niedersachsen. Über 3000 Schüler haben am Mittwoch in Hannover und noch einmal rund 1000 Schüler in Stade dagegen demonstriert, aber weder Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) noch der Philologenverband signalisierten Kompromissbereitschaft. Damit wird es absehbar auch den vom Elternbeirat an Gymnasien geforderten runden Tisch nicht geben.

Die rot-grüne Landesregierung hatte den rund 19.000 Gymnasiallehrern mit Beginn des neuen Schuljahres im vergangenen Sommer die wöchentliche Unterrichtszeit von 23,5 auf 24,5 Wochenstunden erhöht. Außerdem wurden frühere Versprechen zur Ausweitung der Altersermäßigung für 27.000 Lehrer einkassiert. Erklärtes Ziel war es, die eingesparten Mittel in den Ausbau der Ganztagsschulen zu stecken. Aber sowohl der Philologenverband als größte Interessenvertretung der Gymnasiallehrer als auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) machten dagegen Front.

Lehrer wollen Mehrarbeit per Gericht kippen

Beide Lehrerorganisationen versuchen inzwischen, die Mehrarbeit auf dem Gerichtsweg wieder zu kippen. Der GEW-Landesvorsitzende Eberhard Brandt hat darüber hinaus auch mit einem Streik von Lehrern gedroht, obwohl Beamte eigentlich nicht streikberechtigt sind. Legt man eine Umfrage des NDR zugrunde, dem 114 Gymnasien antworteten, bieten die Lehrer an 75 Prozent dieser Schulen keine oder deutlich weniger Klassenfahrten an. Die Lehrerorganisationen argumentieren, die Erhöhung der Unterrichtszeit sei willkürlich erfolgt und verstoße damit gegen die Verfassung. Ähnlich sieht das auch die Direktorenvereinigung. Tatsächlich liegt die Unterrichtsverpflichtung im bundesweiten Vergleich noch immer im Mittelfeld.

Kultusministerin empfängt Delegation

Kultusministerin Heiligenstadt empfing am Mittwoch eine Delegation der demonstrierenden Schüler. Sie pocht auf Fortschritte zur Entlastung der Lehrer, etwa verbesserte Altersteilzeitregeln und die Reduzierung der Klausurenanzahl: „Es gibt keinen Grund, Klassenfahrten abzusagen, wir haben bereits viel unternommen und sind auf die Lehrer zugegangen.“

Der Landesschülerrat beklagt, der Boykott der Klassenfahrten belaste bereits vielfach das Schulklima. „Wir brauchen unsere Klassenfahrten“ stand auf Plakaten bei der Demo vor dem Kultusministerium und dem Büro des Philologenverbandes. Dessen Vorsitzender Horst Audritz misst den Klassenfahrten einen „hohen pädagogischen Wert“ zu, aber der Boykott sei ein Akt der Notwehr gegen die Verweigerungshaltung des Ministeriums.