Schleswig-Holsteins parteilose Chefin des Bildungsressorts erklärt ihren Rücktritt über die Presse. SPD, Grüne und SSW loben ihre Leistung, CDU attackiert die Koalition. Wer wird neuer Bildungsminister?

Kiel. Sie ist denn mal weg. So plötzlich, wie sie in der Landespolitik aufgetaucht ist, ist sie auch wieder abgetaucht. Waltraud „Wara“ Wende, die parteilose Bildungsministerin, ist nicht nur zurückgetreten, sondern gleich verschwunden. Selbst in ihrem Ministerium wusste man am Montag nicht, wo sich die Frau aufhält, die dort bis Freitag Chefin gewesen war. Vom Rücktritt habe man aus Pressemitteilungen erfahren, hieß es dort.

Am vergangenen Mittwoch hatte Wende noch im Landtag den Inklusionsbericht der Regierung vorgestellt. „Inklusion fängt in den Köpfen und den Herzen an und hört bei den Ressourcen nicht auf“, hatte sie gesagt. An diesem Dienstag wollte sie mit Vertretern der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) über dieses Konzept zur Eingliederung behinderter Kinder und Jugendlicher in den Schulalltag debattieren. Am Montag um kurz vor zehn vermeldete der Philologenverband, die zweite große Lehrergewerkschaft, Wende werde am 25. September beim Kleinen Vertretertag des Verbandes in Rendsburg dabei sein. Sieben Minuten später traf dann die Pressemitteilung der Staatskanzlei ein, die die Nachricht von Wendes Rücktritt brachte. Ein Rücktritt, der zugleich die erste große Bewährungsprobe für die mit einer Einstimmenmehrheit regierende Kieler Dreierkoalition darstellt.

Bei SPD, Grünen und SSW reagierte man am Montag betont gelassen auf Wendes Ende. Ralf Stegner, der SPD-Fraktionsvorsitzende, sagte: „In unserem Kerngebiet, der Bildungspolitik, hat sie wichtige Inhalte des gemeinsamen Koalitionsvertrags mit den Grünen und dem SSW umgesetzt. Schon der in Umfang und Qualität einzigartige Dialog im Verfahren für ein neues Schulgesetz gehört zu ihren großen und für die Zukunft des Landes wichtigen Erfolgen.“ Am Ende seien die Belastungen durch das Ermittlungsverfahren wohl „zu groß geworden“, so Stegner. „Sie hatte damit wenig Erfahrung, weil sie aus einem anderen Bereich kommt.“ Die Worte „Dank“ und „Respekt“ tauchten nicht nur in Stegners Pressemitteilung auf, auch seine Koalitionskollegen Eka von Kalben (Grüne) und Lars Harms (SSW) benutzten sie. Zumindest bei den Grünen klang das Wende-Lob aber nach Pflichtübung. „Sie hat die Bildungspolitik der Küstenkoalition vertreten und hatte dafür unsere volle Unterstützung“, formulierte Eka von Kalben sehr zurückhaltend. Die oppositionelle CDU hielt sich in ihrer Reaktion nicht lange bei Wende auf, sondern attackierte die Bildungspolitik der Koalition. Daniel Günther, der bildungspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, der Wende in den vergangenen Monaten im Landtag immer wieder in Bedrängnis gebracht hatte, forderte unumwunden: „Einige bildungspolitische Beschlüsse aus der Vergangenheit müssen neu diskutiert werden, zum Beispiel das Lehrkräftebildungsgesetz.“ Die Reaktion von Stegner: „Der Rücktritt von Frau Wende ist nicht schön. Aber an unserem inhaltlichen Kurs wird nichts geändert. In dieser Frage wird sich die Opposition die Zähne ausbeißen.“ Zur Opposition Zählen in Kiel auch die Piraten. Torge Schmidt, der Fraktionsvorsitzende, bediente sich zur Einschätzung der Lage im Theaterfach. „Mit ihrem Rücktritt hat Frau Wende die Konsequenzen aus einer tragischen und am Ende zweifelhaften Karriere als Wissenschaftsministerin gezogen“, sagte er. „Frau Wende war zu einer Belastung für Regierung, Opposition und die Bildungspolitik in Schleswig-Holstein insgesamt geworden.“

Zu Wort meldeten sich auch die Unterstützer der Ministerin. Der Landeselternbeirat der Gemeinschaftsschulen schrieb: „Wir bedauern den Rücktritt. Der Stil des Umgangs miteinander gerade in der Bildungspolitik lässt extrem zu wünschen übrig!“

Zu jeder Rücktrittsdebatte gehört auch eine Auftrittsdebatte: Wer wird neuer Bildungsminister? Eine Frau müsse es sein, um die Geschlechterbalance zu bewahren, wurde am Montag in Kiel spekuliert. Britta Ernst könnte es werden, die Frau des Hamburger Bürgermeisters Olaf Scholz. In Hamburg leben und in Kiel arbeiten? Das geht, der Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) macht es vor. Am Abend verdichteten sich die Hinweise: Britta Ernst wird neue Bildungsministerin in Schleswig-Holstein.