Erfahrene Bahnreisende können über die angekündigte schnelle Verbindung von Hamburg nach Westerland nur lächeln. Ein Blick auf die Kursbuchseite aus dem Fahrplan 1971 verrät, warum.

Hamburg/Westerland. Die Aussicht, mit der Bahn von Hamburg nach Westerland künftig nur noch zwei Stunden und 35 Minuten statt gute drei Stunden unterwegs zu sein, freut die Fans der Nordseeinsel Sylt ungemein. Die Landesweite Verkehrsservicegesellschaft Schleswig-Holstein (LVS) hatte am Sonnabend im Abendblatt angekündigt, die Strecke für eine Sprinterverbindung neu auszuschreiben. Die Zeitersparnis soll durch die Reduzierung von fünf auf zwei Stopps erreicht werden. Derzeit halten die Züge der Nord-Ostseebahn (NOB) noch in Niebüll, Husum, Heide, Itzehoe und Elmshorn.

Eberhard Happe kann über die angekündigte Fahrzeitverkürzung nur schmunzeln. „Das Vorhaben ist löblich“, sagt der pensionierte Hamburger Zugförderungsdezernent. „Allerdings legte 1971 der D823 die Strecke von Westerland nach Altona in zwei Stunden und 18 Minuten zurück. Und das mit einer ölbetriebenen Dampflok. “

Als Beleg für seine Aussage legt der 79-Jährige eine Seite aus dem Kursbuch vom Sommerfahrplan 1971 vor. Der Zug startete damals um 6.21 Uhr in Westerland, machte Halt in Niebüll und Husum und erreichte Hamburg-Altona um 8.39 Uhr. „Die Lok fuhr allerdings nur mit vier Wagen“, fügt Happe hinzu.

Hier können Sie sich den Fahrplan von 1971 ansehen

Abendblatt-Leser Götz Gerhardt hat ein altes Kursbuch der Deutschen Bundesbahn von 1984 aufgehoben. Vor 30 Jahren benötigte der Intercity von Altona nach Westerland mit Halt in Heide, Husum und Niebüll genau zwei Stunden und 24 Minuten“, schreibt Gerhardt.

Nicht nur die NOB braucht heute mehr viel Zeit für die Strecke nach Sylt als damals. Auch der Intercity der Bahn fährt die Strecke von Hamburg-Hauptbahnhof bis Westerland mit vier Stopps in derzeit drei Stunden und 16 Minuten.

Bahnsprecher Egbert Meyer-Lovis hat eine Erklärung für die längeren Fahrzeiten der Loks gegenüber den 70er Jahren. „Heute ist die Strecke wesentlich stärker befahren. Der Abschnitt Niebüll-Westerland ist sehr stark belebt. Auch der Abschnitt Elmshorn-Hamburg ist wesentlich stärker befahren als Anfang der 1970er Jahre.“ Insgesamt sei die Fahrplandichte deutlich höher als vor 30 bis 40 Jahren. Von Itzehoe an ist die Strecke übrigens noch nicht elektrisiert. Ab Itzehoe müssen Dieselloks die Waggons ziehen.

Man müsste die Strecke so ertüchtigen, dass die Geschwindigkeit erhöht werden kann, sagt Eberhard Happe. „Aus meiner Sicht ist es ein Fehler, diese viel befahrene Strecke nicht für höhere Geschwindigkeiten auszubauen“, sagt er.

Der Aus- und Neubau von Bahnstrecken ist Sache des Bundes und wird über die Bundesverkehrwegeplanung geregelt. „Wir haben die Elektrifizierung der Strecke Hamburg-Westerland und den zweigleisigen Ausbau für den kommenden Bundesverkehrswegeplan für den Zeitraum ab 2016 angemeldet‘“, sagt Harald Haase, Sprecher des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie in Schleswig-Holstein. „Das heißt aber nicht, dass es auch kommt.“ Der Bedarfsplan sei eine Art Wunschliste an den Bund.

Und so werden wohl auch in Zukunft die Loks, welcher Gesellschaft und Bauart auch immer, die Fahrzeit der Dampflok D823 aus dem Jahr 1971 kaum erreichen können.