Für die Tunnelbaustelle soll ein 15 Hektar großer Acker als Lager- und Logistikfläche dienen. Insulaner laufen Sturm. Per Facebook ruft die Initiative beinahe täglich zu neuen Aktionen auf.
Fehmarn. Seit Anfang August braut sich über Fehmarn ein wahrer Proteststurm zusammen. Der Grund: Im Nordosten von Deutschlands drittgrößter Insel will die Firma Baltic Facility Solutions (Baltic FS) auf 15 Hektar ein Sondergebiet errichten, das während des Baus der geplanten Fehmarnbeltquerung nach Dänemark zusätzlichen Platz für Lagerflächen und Dienstleister rund um die Tunnelbaustelle bieten will. „Völlig sinnlos, wahnwitzig und äußerst schädlich für den Tourismus“ finden das die einen, als „lohnende Investition in Fehmarns Zukunft“ sehen es die anderen an. Mittlerweile ist der Streit zu einem wahren Medienspektakel geworden, den Fehmarn in dieser Art noch nicht erlebt hat. Gunnar Mehnert, Vorsitzender des Bau- und Umweltausschusses der Insel: „Wir hätten nie damit gerechnet, dass dieses Projekt solche Wellen schlägt.“
Verantwortlich für die inzwischen überregionale Bekanntheit des Inselkonflikts ist unter anderen Mirko Kaminski. Der gebürtige Fehmaraner und Chef einer Hamburger PR-Agentur ist Sprecher der Initiative „Bewahrt Fehmarn!“, die sich eigens als Protestbewegung gegen das geplante Industriegebiet nahe Puttgarden gegründet hat.
Die Initiative ruft fast täglich per Facebook zu Aktionen auf
Per Facebook ruft die Initiative ihre rasant wachsende Anhängerschaft beinahe täglich zu neuen Aktionen auf, umfangreiche Pressemitteilungen informieren Funk, Fernsehen und Zeitungen über aktuelle Entwicklungen und anstehende kreative Projekte. Und davon gibt es eine ganze Menge. Da umschwimmt der Insulaner Oliver Specht etappenweise die Insel, eine Online-Petition wird ins Leben gerufen, der 21-jährige Frederic Ackermann schreibt einen Protestsong, Tausende Flyer werden gedruckt und verteilt – kaum jemand auf Insel und Festland kann sich der Diskussion rund um das Bauvorhaben entziehen. Die nötige Grundlage für eine solche Diskussion sind Fakten und Sachlichkeit.
Gerade die jedoch vermisst Mirko Schönfeldt, Geschäftsführer der Baltic FS, einem Zusammenschluss regional tätiger Unternehmen. „Wir bedauern die unausgewogene Darstellung unseres Vorhabens“, so der Rechtsanwalt. Viele der im Raum stehenden Behauptungen hätten weder Hand noch Fuß. „Die Initiative schürt vor allem bei den Inselbewohnern Ängste, die völlig unbegründet sind. “ Schönfeldt ist überzeugt, dass das Sondergebiet während der Zeit des Tunnelbaus gebraucht wird; nach Fertigstellung des Tunnels soll das Areal wieder in den Ursprungszustand, also in Ackerfläche, zurückgebaut werden. „Begleitende Arbeiten müssen erbracht werden. Und wenn wir das nicht anbieten, wird es ein anderer tun. Unsere Fläche ist ein Anker für alle Unternehmen von Fehmarn und aus Ostholstein.“
Als reine Augenwischerei bezeichnen das hingegen die Aktiven von „Bewahrt Fehmarn!“. Rainer Ackermann, der in Marienleuchte gemeinsam mit Ehefrau Silke ein Ferienhaus rund 300 Meter entfernt vom betreffenden Areal besitzt, sagt: „Natürlich klingt es erst einmal gut, wenn Baltic FS neue Arbeitsplätze verspricht. Es werden aber auch viele Arbeitsplätze verschwinden. Fehmarn lebt in erster Linie von der Schönheit der Landschaft, also vom Tourismus. Und wer will schon auf einer Insel Urlaub machen, die neben einer riesigen Tunnelbaustelle zusätzlich von einem Industriegebiet geprägt ist?“
Auch dass das Areal nur temporär während der Tunnelbauzeit als Sonderareal genutzt werden soll, glaubt der Bankangestellte nicht: „Das liest sich auf dem Papier vielleicht gut. Aber ein Rückbau wäre dermaßen kostenintensiv, dass sich das niemals rechnen würde. Außerdem: Was würde passieren, wenn Baltic FS während der Bauzeit beispielsweise pleitegeht?“ Vor allem die Stadtvertreter müssten sich vor weiteren Verhandlungen noch einmal ganz genau damit auseinandersetzen, auf was sie sich da einlassen. „Natürlich sind Veränderungen gut und oft auch sinnvoll. Aber in diesem Fall fühlt es sich einfach falsch an. Fehmarn darf nicht einfach ein Stück von sich hergeben, ohne die Aussicht, es eines Tages wiederzubekommen“, sagt Ackermann.
Der Wunsch, dass die Stadtvertreter sich noch einmal intensiv und grundlegend mit dem Bauvorhaben befassen sollen, hat sich nicht zuletzt wegen des öffentlichen Drucks erfüllt. Vor laufenden Kameras standen Inselpolitiker aller Parteien den Mitgliedern der Bürgerinitiative Rede und Antwort, fast täglich werden Presseanfragen beantwortet und Interviews gegeben.
Jörg Weber, Fraktionsvorsitzender der SPD Fehmarn, versichert: „Wir nehmen die Bedenken und Sorgen der Bürger sehr ernst.“ Grund für eine Panikmache bestehe seines Erachtens nicht. „Es ist noch alles möglich. Bisher liegt nur ein Aufstellungsbeschluss vor.“ Was genau wohin gebaut würde, stehe bisher noch überhaupt nicht fest. Persönlich schätzt der SPD-Fraktionsvorsitzende den Einsatz der Initiative „Bewahrt Fehmarn!“, die es geschafft hat, in kürzester Zeit viel Aufmerksamkeit zu erregen. „Wer etwas tut, statt immer nur zu jammern, der hat für sein Engagement Respekt verdient.“
Beispielhaft dafür ist auch die aktuelle Aktion, die die Inselaktivisten ins Leben gerufen haben: Am Sonnabend umrundete Extremläufer Mike Kleiß, Kolumnist beim Fernsehsender N24 und der Tageszeitung „Die Welt“, in knapp sechseinhalb Stunden die gesamte Insel. Im Laufschritt und ohne Pause. Mit dem Ultramarathon über 63 Kilometer machte der 44 Jahre alte Kölner, der Fehmarn in sein Herz geschlossen und sich aus diesem Grund als Unterstützer der Initiative angeboten hat, auf den 2. September aufmerksam. Am Dienstag nämlich findet eine außerordentliche Bauausschusssitzung statt, die dessen Vorsitzender Gunnar Mehnert ins Leben gerufen hat. „Es wird eine erweiterte Bürgerfragestunde geben, bei der jeder zu Wort kommen kann. Die Sprechzeiten sind diesmal nicht auf eine halbe Stunde beschränkt. Wir hoffen sehr, dass dieser Abend auf allen Seiten für Klarheit sorgen wird.“
Baltic-FS-Geschäftsführer Schönfeldt hofft auf eine sachliche Diskussion
Auch Mirko Schönfeldt von Baltic FS wird anwesend sein. Er will das Vorhaben seines Unternehmens noch einmal genau erläutern und sich den Fragen der Anwesenden stellen. „Ich freue mich auf eine sachliche Diskussion, bei der ich sicherlich die eine oder andere Befürchtung aus der Welt schaffen kann“, sagt Schönfeldt. Gunnar Mehnert erwartet vom Baltic-FS-Geschäftsführer vor allem konkretere Informationen als bisher zu dem geplanten Projekt und sagt: „Einen Blankoscheck werden wir ihm ganz sicherlich nicht ausstellen.“
Natürlich bereiten sich auch die „Bewahrt Fehmarn!“-Sprecher Rainer Ackermann und Mirko Kaminski besonders ausführlich auf diesen wichtigen Termin vor. „Es kommt aber nicht nur auf uns beide, sondern auf jeden Einzelnen an. Je mehr Menschen da sind, die kritische Fragen stellen, desto besser ist das für Fehmarn. An diesem Abend können entscheidende Weichen gestellt werden, die über die Zukunft unserer Sonneninsel entscheiden.“
Die außerordentliche Sitzung des Bau- und Umweltausschusses mit großer Bürgeranhörung findet am Dienstag, 2. September 2014 von 19 Uhr an in der Mensa der Inselschule, Kantstraße 1, auf Fehmarn statt.