Etwa 900 Gebäude stehen auf Rügen unter Denkmalschutz. Dank finanzkräftiger Investoren scheint der als „Seebad der 20.000“ geplante Betonkoloss in Prora gerettet. Andere Gebäude verrotten.
Prora. „Wenn Ihre Lebensversicherung fällig wird: Hier müssen Sie ihr Geld anlegen!“ Bernd Wolf ist Verkaufsberater. Voller Begeisterung preist er Touristen Eigentumswohnungen und Appartements an, die zurzeit im Block I von Prora entstehen. Besonderes Verkaufsargument neben der Lage direkt am Strand ist der Denkmalschutz.
Wer in den „Koloss von Prora“ investiert, kann die geförderten Sanierungskosten über zehn oder zwölf Jahre von der Einkommenssteuer abschreiben. Denn die vom Architekten Clemens Klotz für 20.000 Urlauber geplante Anlage aus der Nazi-Zeit mit acht Blöcken steht vom äußeren Erscheinungsbild her seit 1994 unter Denkmalschutz.
Im Inneren sind lediglich die Treppenhäuser von der radikalen Entkernung ausgenommen. Sämtliche Spuren der militärischen Nutzung zur Zeit der DDR sollen verschwinden. Von der Strandseite her werden die monumentalen Fassaden zwar mit Balkonen versehen. Doch von Land her wird die Monumentalität der Pläne von Klotz erkennbar bleiben.
Hier sollen 163 Luxuswohnungen entstehen
Die Berliner Immobilienfirma Irisgerd hat im Frühjahr 2014 mit den Bauarbeiten an dem 430 Meter langen Betonbau begonnen, der nach dem Zweiten Weltkrieg zeitweise als Urlaubsheim für Angehörige der Nationalen Volksarmee genutzt wurde. Bis Ende 2015 sollen hier 163 luxuriöse Eigentumswohnungen und 109 Hotelappartements zu Preisen zwischen 2800 und 6500 Euro je Quadratmeter entstehen. Geplant ist außerdem ein Wellnessbereich mit Schwimmbad und Saunalandschaft sowie Sportplätze, Parkhäuser, Restaurants und Geschäfte. Und da die Firma nicht nur den Block, sondern auch 22 Hektar des angrenzenden Landes erworben hat, sehen die Pläne noch ein Kongress-Zentrum und ein Ärztehaus für Kuren am Ostseestrand vor.
„Das Interesse ist riesig“, meint Wolf. Stündlich würden seit dem Frühjahr an jedem Tag Besichtigungen der Musterwohnung angeboten. Und auf dem Belegungsplan werden ständig neue Wohnungen als reserviert oder verkauft gekennzeichnet. „Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“ Mit dem Zitat von Victor Hugo wirbt die Firma in ihrem Prospekt und ebenso mit der „preisgekrönten Architektur“. Das ist Denkmalschutz ohne Blick auf die wechselvolle Geschichte, sondern allein auf die Steuererklärung.
Anderenorts stößt der Denkmalschutz an Grenzen
Wo es nicht um Ferienwohnungen oder Luxusimmobilien geht, gerät der Denkmalschutz auf Rügen an seine Grenzen. In Putbus, der selbst ernannten Kulturhauptstadt der Insel, wurden in den letzten Jahren die klassizistischen Bauwerke im Stadtzentrum saniert. Doch wenn man sich ein paar Schritte vom Markt entfernt, findet man die ersten vom Einsturz bedrohten denkmalgeschützten Häuser. Und viele der historischen Handwerkerhäuser aus der Zeit der Stadtgründung sind zwar wieder weiß angemalt. Doch sie stehen leer.
Im Putbuser Ortsteil Vilmnitz bricht ein historischer Dreiseitenhof mit reetgedecktem Wohnhaus langsam zusammen. Dort will ein Investor irgendwann einmal neue Ferienhäuser errichten. Das Baudenkmal verfällt, wie so viele andere auf Rügen, schon seit den Zeiten der DDR. „Eine Erhaltung kann man dem Eigentümer wirtschaftlich nicht mehr zumuten“, sagt Markus Sommer-Scheffler von der Denkmalschutzbehörde des Landkreises Vorpommern Rügen.
Auch viele Gutshäuser und andere Bauwerke auf der Insel seien inzwischen nicht mehr zu erhalten. Neben dem oft fortgeschrittenen Verfall ist es vor allem die fehlende wirtschaftliche Nutzbarkeit, die der Erhaltung der rund 900 denkmalgeschützten Bauwerke auf der Insel im Wege steht. Und auch die Abwanderung aus den vom Tourismus nicht begünstigten Orten.
Manchmal schrecken Investoren schon allein vor dem Wort „Baudenkmal“ zurück. In Altefähr etwa soll an der Stelle, an der jahrzehntelang Eisenbahnfähren zwischen Stralsund und der Insel verkehrten, ein Jachthandels- und Charterbetrieb entstehen. Auf dem Baugelände befand sich der 1878 gebaute älteste Bahnhof der Insel. Doch noch bevor die Behörden prüfen konnten, ob und wie das Bauwerk erhalten werden muss, rückten die Abrissbagger an. Vom Trajekt-Bahnhof ist seit Mai 2014 nur noch ein Schutthaufen zu sehen. Gegen den Eigentümer wurde vom Landkreis Strafanzeige gestellt. Doch die Chance auf eine Verurteilung ist auf Grund der Gesetzeslage gering. Denn der Paragraf 304 des Strafgesetzbuchs bezieht sich nur auf öffentlich zugängliche Denkmäler. Der Bahnhof allerdings war seit Jahren eingezäunt.