Seit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts müssen Landkreise den Eigentümern von Feriendomizilen in Wohngebieten die Vermietung untersagen. Das bereitet Urlaubern wie Tourismusakteuren Sorgen.
Schwerin/Kiel. Es ist eine Bundesverordnung und sie gilt seit Jahrzehnten: In reinen Wohngebieten sind Ferienwohnungen unzulässig. Die regelmäßige Vermietung an Urlauber gilt als gewerbliche Nutzung. Ein Richterspruch verlieh der Baunnutzungsverordnung im Jahr 2007 Nachdruck. Das Oberverwaltungsgericht Greifswald untersagte einer Klägerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Androhung eines Zwangsgeldes die Nutzung der Dachgeschosswohnung als Ferienwohnung mit der Begründung, eine Freizeitwohnnutzung sei im Allgemeinen Wohngebiet nicht zulässig. Die Dame zog vor das Bundesverwaltungsgericht. Das bestätigte den Greifswalder Richterspruch im vergangenen Sommer.
Seitdem bereitet das Verbot von Ferienwohnungen in Wohngebieten Tourismusakteuren im Norden große Sorgen. Es geht um Tausende Urlaubsdomizile. In Mecklenburg-Vorpommern haben die Behörden nach diversen Klagen und Anzeigen von Anwohnern bereits Eigentümern eine Vermietung an Urlauber verboten. Im Landkreis Rostock ermittelt die Bauaufsicht wegen Hunderter illegaler Ferienwohnungen. Insbesondere in Kühlungsborn, Graal-Müritz und Rerik häufen sich die Anzeigen. Allein im Ostseebad Rerik sollen 70 Prozent der Urlaubsquartiere illegal sein.
Die Verordnung wächst sich vielerorts zum Albtraum aus
Inzwischen haben sich laut NDR Spitzenpolitiker aus dem Nordosten in die Debatte eingeschaltet und den Behörden parteiübergreifend eine großzügige Auslegung der Vorschriften nahegelegt. Die Landtagsfraktionen von SPD, CDU, Linken und Grünen fordern die Landkreise auf, nur dann einzuschreiten, wenn sich Nachbarn von Urlaubern belästigt fühlen.
Auch in schleswig-holsteinischen Badeorten wächst sich die Bundesverordnung zu einem Albtraum für die Tourismusbranche aus. Amrum, Büsum, St. Peter-Ording, Sylt, die Schlei-Region – in sämtlichen Badeorten des Landes werden Wohnungen und Häuser in reinen Wohngebieten an Urlauber vermietet. „Wenn den Kreisen in Schleswig-Holstein eine rechtswidrige Nutzung von Gebäuden zugetragen wird, dann werden sie dagegen vorgehen“, sagte Schleswig-Holsteins Landkreistagschef Jan-Christian Erps kürzlich in der Sylter Rundschau.
Im „Echten Norden“ – mit dem Slogan lockt das Land zwischen den Meeren Touristen an die Küsten – gehen die Kommunen in der Tat verstärkt gegen die illegale Vermietung von Ferienwohnungen in reinen Wohngebieten vor. „In Scharbeutz, Grömitz und Fehmarn im Kreis Ostholstein haben die Gemeinden Hauseigentümern bereits untersagt, ihre Häuser und Wohnungen an Urlaubsgäste zu vermieten“, sagt der Leiter des Fachbereichs Planung, Bau und Umwelt des Kreises, Bernd Straßburger.
“Das ist ein heikles Thema“, so Straßburger. „Die touristisch geprägten Orte sind natürlich auf Gäste angewiesen.“ Gleichzeitig sei es aber die Aufgabe der Gemeinden, den Einheimischen eine optimale Infrastruktur zu bieten. Das sei kaum möglich, wenn es mehr Feriendomizile als erste Wohnsitze gebe. Vielerorts würden sich Externe Ferienhäuser und Wohnungen zulegen, die im Sommer mit ständig wechselnden Gästen Unruhe verursachten.
Auch in Lübeck ist das Problem bekannt
Immer mehr Nachbarn störten sich dann an der ständigen An- und Abreisen, dem damit verbundenen Autoverkehr und mitunter auch am wenig rücksichtsvollen Verhalten von Urlaubsgästen. Einen besonders krassen Fall berichtet Straßburg von der Ostseeinsel Fehmarn. Dort hatte ein Eigentümer in seinem Haus gleich acht Ferienappartements eingerichtet, deren Nutzer mit ihren Autos die Nachbargrundstücke zuparkten. Jetzt klagt der Hauseigentümer gegen die Gemeinde auf Nutzungsänderung.
Was den Einheimischen im Sommer zu viel ist, ist ihnen im Winter zu wenig. Mit heruntergelassenen Rolläden mutieren die Neubaugebiete in den Ferienorten, in denen überwiegend Ferienwohnungen vermietet würden, zu Geisterdörfern. Gemeinden fürchten zudem steigende Mieten und Vernichtung von Wohnraum. Die Vermieter der Ferienwohnungen dagegen sind sich keiner Schuld bewusst, einige klagen inzwischen gegen das Verbot der Vermietung von Ferienwohnungen.
Vermieter wehren sich
Auch in Lübeck kennt man das Problem. In den idyllischen Gängen und Höfen der zum Unesco-Welterbe gehörenden Altstadt werden nach Angaben der Stadt 50 von knapp 600 Wohnhäusern als Ferienwohnungen vermietet. Anwohner beklagen sich dort unter anderem über nächtlichen Lärm, der ihnen in den engen Gassen den Schlaf raubt. Die Vermieter wehren sich gegen den Vorwurf der Illegalität. Sie zahlten Bettensteuer und Mehrwertsteuer, schafften Arbeitsplätze und trügen zur touristischen Attraktivität Lübecks bei, schrieben sie im Juni in einem offenen Brief an die Lübecker Bürgerschaft.
Der Tourismusverband Schleswig-Holstein möchte zu der Problematik noch keine Stellung nehmen. Geschäftsführerin Katrin Homp verweist auf den 8. August. Dann steht das Thema Vermietung von Ferienwohnungen in Wohngebieten auf der Tagesordnung eines Treffens von Tourismusverband, Innenministerium sowie den betroffenen Kommunen und Landkreisen.
Mit einer Lösung des Problems zum Umgang mit Ferienwohnungen in Wohngebieten ist dann allerdings kaum zu rechnen. „Das Treffen dient allein der Sondierung der Lage und der Bestandsaufnahme“, sagt Thomas Giebeler, Sprecher des Innenministeriums in Kiel. Es müssten weitere Gespräche mit den Verbänden, mit den Ländern und dem Bund im Herbst abgewartet werden.
Jetzt ist der Gesetzgeber gefragt
„Letztendlich ist jetzt der Gesetzgeber gefragt“, sagt Straßburger. Die Baunutzungsverordnung von 1990 sei sinnvoll, aber sie könnte mit Blick auf die Problematik in den Ferienorten geändert werden. Laut Ministeriumssprecher Giebeler gibt es durchaus Überlegungen zu einem Vorstoß des Landes zu Änderungen der Verordnung. Das ist über eine Bundesratsinitiative möglich.
Auch die Gemeinden in den Urlaubsregionen können handeln: Für Neubauareale, die bislang als reine Wohngebiete ausgewiesen sind, in denen aber bereits hauptsächlich Wohnungen an Gäste vermietet werden, können die entscheidenden Gremien die Bebauungspläne ändern.