Bundespräsident Joachim Gauck eröffnet das maritime Großereignis. Liberias Staatspräsidentin empfängt weltwirtschaftlichen Preis. Den Regattaplan der Segler bringt der Wind durcheinander.

Kiel. Stürmischer Auftakt zur 120. Kieler Woche: Nach den ersten gelungenen Wettfahrten am Samstag musste das Segelprogramm der weltgrößten Regatta am Sonntag in den olympischen und paralympischen Klassen fast komplett abgesagt werden. Mit den Teilnehmern an der Internationalen Deutschen Meisterschaft (IDM) der Seesegler und den olympischen Laser-Jollen wurden nur die größten und die kleinsten Boote in den Kampf mit den Elementen geschickt.

Schnellste IDM-Yacht war auf der 40-Seemeilen-Mittelstrecke die „Platoon“ des Hamburger Skippers Harm-Müller Spreer, die den Kurs in drei Stunden und 37 Minuten absolvierte. Die Titelserie der „Big Boats“ endet am Mittwoch nach den Kiel-Cup-Wettfahrten.

Die Rückregatta von Kiel nach Eckernförde über 20 Seemeilen gewann erneut der Trimaran „Musandam-Oman Sail“ mit den norddeutschen Seglern Tim Kröger und Anna-Maria Renken. Der Mehrrümpfer absolvierte den Sturm-Sprint in nur 52 Minuten und 33 Sekunden und wurde nach der Rekordfahrt am Vortag für seine Dominanz am ersten Wochenende mit der Krupp-Trophäe geehrt.

Die Lasersegler kämpften sich drei Rennen lang durch Sturm und Wellen. Als bester Deutscher startet der Oldenburger Tobias Schadewaldt am Montag von Platz drei aus in die Finalserie. Philipp Buhl konnte sich nach seinem verpatzten Auftakt vom 48. auf den sechsten Platz katapultieren. „Ich will immer noch Kieler-Woche-Sieger werden“, so die Kampfansage des Steuermanns vom Segelclub Alpsee-Immenstadt.

Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt feiert die Kieler Woche mit Gästen aus aller Welt. Schon am ersten Wochenende genossen eine Million Menschen den bunten Mix aus Volksfest, Segeln, Musik und internationalen Begegnungen. Die beiden ersten Tage prägten zwei Staatsoberhäupter. Am Samstagabend eröffnete Bundespräsident Joachim Gauck mit dem laut dröhnenden Typhonsignal lang-kurz-kurz-lang („Leinen los!“) offiziell das neuntägige Spektakel. Liberias Staatspräsidentin Ellen Johnson Sirleaf erhielt am Sonntag den Weltwirtschaftlichen Preis.

Bis kommenden Sonntag erwartet Kiel drei Millionen Besucher zum größten Sommerfest im Norden Europas. Mehr als 2000 Veranstaltungen stehen auf dem Programm. Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) fand die ersten Tage höchst aufregend – besonders die „Temperamentswechsel“ zwischen hochoffiziellen Terminen, wie mit Gauck oder bei der amerikanischen Marine, und Auftritten mit Volksfestcharakter. „Dann heißt es Krawatte ab und auf der Spiellinie vor 500 Kindern und Eltern den Einheizer geben“, sagte Kämpfer.

Der Bundespräsident zog eine Verbindung zwischen dem Fest und seinem politischen Lieblingsthema: „Die große Ausfahrt der Schiffe und Boote, Wind und Wellen, die bewegte See – das alles kündet von Optimismus und Aufbruch, von Weite und Freiheit“, sagte Gauck. „Die Kieler Woche leistet einen wunderbaren Beitrag zur internationalen Verständigung.“ Das betonte auch Ministerpräsident Torsten Albig (SPD): „Solche Feste stiften Frieden unter den Völkern“.

Daran knüpfte die Verleihung der Weltwirtschaftlichen Preise an. Das Institut für Weltwirtschaft (IfW), die Stadt und die IHK würdigten mit der undotierten Auszeichnung zum zehnten Mal während der Kieler Woche Politiker, Ökonomen und Unternehmer, die sich als Vordenker einer weltoffenen und marktwirtschaftlichen Gesellschaft verdient gemacht haben. Das waren diesmal Liberias Staatspräsidentin Ellen Johnson Sirleaf (75), die indische Biotechnik-Unternehmerin Kiran Mazumdar-Shaw (61) und der amerikanische Ökonom Richard Thaler (68).

Liberias Präsidentin habe das am Boden liegende Land in Westafrika wieder aufgerichtet, sagte IfW-Präsident Dennis J. Snower. Sie habe den Menschen Zuversicht, Selbstachtung und Hoffnung zurückgegeben. „Statt Gewalt und Rücksichtslosigkeit regieren Fürsorge und Empathie in Liberia.“ Preisträgerin Mazumdar-Shaw machte aus ihrer zunächst ganz kleinen Firma Biocon eine der größten der Branche weltweit und sich zur vermögendsten Frau in Indien. Und sie setzt sich dafür ein, dass schwächere Gesellschaftsschichten Zugang zu medizinischer Versorgung, hygienischen Mindeststandards und Bildung bekommen.

Der Ökonom Thaler von der Universität Chicago wurde als „Vater der Verhaltensökonomie“ gewürdigt. „Sie haben wichtigen Einfluss darauf genommen, dass die Wirtschaftswissenschaften mehr und mehr dazu bereit sind, ihr traditionelles Menschenbild vom „Homo Oeconomicus“ um neue Facetten zu erweitern“, sagte IfW-Präsident Snower.

Aus Sicht der Polizei verliefen die ersten Tage bei meist trockenem, abwechslungsreichem Wetter überwiegend friedlich. Die Beamten waren aber mehr gefordert als im Vorjahr. Von 539 Einsätzen zwischen Freitagabend und Sonntagmittag hatten 103 direkten Bezug zur Kieler Woche. 32 Körperverletzungen waren 6 mehr als vor einem Jahr.

Kieler Woche heißt auch Fußballgucken: Auf Großbildschirmen sahen Zehntausende das 2:2 des deutschen Teams bei der WM gegen Ghana. An den Segelregatten nehmen 4500 Sportler aus 50 Nationen teil. Ihr Programm brachte am Sonntag der kräftige Wind durcheinander.

Auf der traditionellen Spiellinie bauen tausende Kinder seit Sonnabend eine fantasievolle Indianerwelt auf. Einen ersten musikalischen Höhepunkt bot zum Auftakt Christina Stürmer („Millionen Lichter“). Bis nächsten Sonntag gibt es 300 fast durchweg kostenlose Konzerte. Mit dabei: Anastacia und Mike & the Mechanics.