Im Nordosten wächst der Anbau von Rauschgift-Pflanzen. 2013 wurden 21 Cannabis-Plantagen entdeckt, im Vorjahr nur 16. Die Polizei warnt vor Gefahren, die von Drogen-Gewächshäusern ausgehen.
Rampe. Der Anbau von Drogen spielt im nordostdeutschen Agrarland offenbar eine wachsende Rolle. Seit Jahren werden immer mehr illegale Rauschgift-Pflanzungen in ausgedienten Ställen, Lagerhallen, Kellern, Kasernen oder Gutshäusern Mecklenburg-Vorpommerns entdeckt, wie das Landeskriminalamt (LKA) in Rampe bei Schwerin mitteilte. 2013 wurden 21 Cannabis-Plantagen durch Polizei und Zoll ausgehoben, im Vorjahr waren es 16, 2011 insgesamt 13 Anlagen. In den Jahren davor wurden jeweils maximal eine Handvoll Anlagen gefunden. Bisher lag der Anbauschwerpunkt in den Niederlanden, doch seit 2000 gehen die Behörden dort massiv gegen Produzenten vor, wie es hieß.
So würden die Täter unter anderem nun verstärkt auch nach Deutschland abgedrängt, sagte ein Sprecher des LKA. Der dünn besiedelte Nordosten biete den Drogenbauern eine Vielzahl an verlassenen, abgelegenen Objekten, die sich nach Ansicht der Dealer für den illegalen Hanfanbau eignen und oft mit immensem Aufwand ausgerüstet würden. Die Kriminalisten gehen von einer Dunkelziffer noch unerkannter Drogenfelder im Nordosten aus. „Wir werden den Verfolgungsdruck auf hohem Niveau halten, so dass sich die Betreiber solcher Anlagen niemals sicher fühlen können“, sagte LKA-Sprecher Michael Schuldt.
Neben der Anzahl nehme auch die Größe der Anlagen in Mecklenburg-Vorpommern zu. Unter den in diesem Jahr entdeckten Plantagen waren laut einer Rauschgiftexpertin mindestens vier größere sowie drei professionell betriebene. Die Profi-Plantagen zählten jeweils mehrere tausend Pflanzen und würden mindestens vier- bis sechsmal im Jahr oder – bei unterschiedlichem Entwicklungsstadium der Pflanzen – sogar rund um die Uhr abgeerntet. Die Gewinnmöglichkeiten gingen in die Millionen, meinen die Experten.
Aus Cannabis- oder Hanfpflanzen wird das illegale Rauschgift Marihuana gewonnen. Unter künstlichem Licht und idealen Temperaturen im Hochleistungs-Anbau steige der Wirkstoffgehalt im Vergleich zum Naturanbau um ein Vielfaches auf über 20 Prozent an. Damit erhöhen sich die Risiken, die sich hinter der vermeintlichen „weichen Droge“ verbergen, immens. Ihre Wirkung ist nur schlecht abschätzbar, betonte Schuldt. „Das hat nichts mehr mit dem Gras von vor 40 Jahren zu tun“, sagte er.
Im Frühjahr wurden die Fahnder im Nordosten gleich mehrmals fündig. In Dabel bei Sternberg (Kreis Ludwigslust-Parchim) entdeckten sie in einer ehemaligen Kaserne eine Anlage mit mindestens 5000 Cannabispflanzen. In Löcknitz (Vorpommern-Greifswald) wurden 3000 Drogen-Pflanzen gesichert. In der Anlage wurden zwei Polen verhaftet und Anfang Dezember wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Drogenhandel zu Bewährungsstrafen verurteilt. Die Ermittlungen zu dieser Anlage laufen jedoch weiter, hieß es vom LKA.
Die Spezialisten warnen zudem vor Gefahren, die von illegalen Drogen-Gewächshäusern – so genannten Indoor-Plantagen – für Anwohner ausgehen. Die Täter, die international aufgestellt seien, würden die Drogenflächen auch gegen mögliche Konkurrenten scharf bewachen. Stromfallen, Fallgruben, Kampfhunde bis hin zu Selbstschussanlagen, wie 2006 in Drüsewitz bei Tessin (Landkreis Rostock) entdeckt, würden zur Sicherung der Objekte eingesetzt, hieß es.
Daneben würden teils „wahnwitzige Verkabelungen“, illegales Abzweigen von Energie sowie gewaltige Stromaggregate zur Versorgung des energieintensiven Drogenanbaus genutzt, meinte der LKA-Sprecher. Die Brand- und Explosionsgefahr steige bei solchen Objekten. Extrem hoch sei auch der Einsatz von Wasser, chemischem Dünger und Gasen als Wachstumsbeschleuniger, was zu Umweltverschmutzung, Infektions- und Vergiftungsgefahren führen könne.
Insgesamt ist die Rauschgiftkriminalität auf dem Vormarsch, obwohl die Zahl der Drogendelikte nicht einmal fünf Prozent aller Straftaten in Mecklenburg-Vorpommern ausmacht. 2012 stieg die Zahl der Verstöße um gut 23 Prozent auf 4430 Fälle an. 2011 waren es knapp 3600 Straftaten, der Durchschnittswert in den vergangenen zehn Jahren lag bei fast 4000 Fällen pro Jahr. Das Gros betraf Herstellung, Handel oder Konsum von Cannabisprodukten. Für das Jahr 2013 ist laut LKA jedoch kein vergleichbarer Anstieg zu erwarten. Die Zahl der Drogentoten ist seit Jahren einstellig im Nordosten.
Seit 20 Jahren arbeiten im LKA Mecklenburg-Vorpommern Ermittler von Polizei und Zoll in einer „Gemeinsamen Ermittlungsgruppe Rauschgift (GER M-V)“ gegen Drogendealer und -schmuggler zusammen. Ursprung der GER war die Soko „Banane“, die Anfang der 90er Jahre den Kokain-Schmuggel mit kolumbianischen Bananenfrachtern über den Seehafen Rostock nach Europa aufdeckte. Zur GER gehören 16 Beamte.