Noch-Ehefrau des Bundespräsidenten steht vor dem Landgericht fest an seiner Seite. Ganz ohne Widersprüche geht das wieder nicht. Christian Wulff betrachtet ihren Auftritt wohlgefällig.

Hannover. Der Radweg vor dem Landgericht ist zugeparkt. Satellitenschüsseln diverser TV-Stationen verbreiten die Bilder, die heute hier entstehen, in alle Welt. Bettina Wulff, Tochter eines Bankangestellten aus Großburgwedel, ist als Zeugin geladen in den Korruptionsprozess gegen ihren Noch-Ehemann Christian und dessen Freund, den Filmunternehmer David Groenewold. Wulff wird vorgeworfen, sich in seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident für die Unternehmungen Groenewolds eingesetzt und sich im Gegenzug von diesem bei einem Oktoberfestbesuch aushalten lassen zu haben. Der frühere Bundespräsident findet diesen Vorwurf absurd und will vor Gericht einen Freispruch erstreiten.

Achtung! Sie kommt! Alle rennen, rasen, drängen sich um die hochgewachsene Zeugin, die mit ihrem Anwalt um die Straßenecke stakst. Blitzlicht, Kamerasurren, aufgeregtes Durcheinander vor dem Landgerichtsgebäude. Auf dem Gang ein vertrauter Wangenkuss für den Ex. Können alle sehen, dürfen alle sehen. Dann nimmt Bettina Wulff auf dem Stuhl in der Mitte des Schwurgerichtssaals Platz, der für die Zeugen reserviert ist.

Christian Wulff betrachtet den Auftritt seiner Ehefrau Bettina wohlgefällig

„Ich möchte aussagen und werde natürlich die Wahrheit sagen“, verspricht die Zeugin zu Beginn ihrer Befragung durch das Gericht und schildert dann mit fester Stimme und bestimmtem Tonfall das gute Verhältnis, das nach wie vor zwischen ihr und ihrem Ehemann herrsche. Es sei „sehr freundschaftlich“, man sehe sich regelmäßig, telefoniere und bespreche die Dinge weit über das hinaus, was die gemeinsame Vater-Mutter-Rolle erfordere.

Dann ist man auch schon beim Oktoberfest, bei jenem offenbar ziemlich anstrengenden Wochenendtrip mit einem Säugling, zu dem Groenewold die Wulffs im Jahr 2008 eingeladen hatte. Im Dienstwagen des Ministerpräsidenten einmal quer durch die Republik, drei Personenschützer im Schlepptau, den Fahrer dazu. Von Hannover über Essen, wo man sich mit „den Deichmanns“, Europas größtem Schuhhändler, getroffen habe, nach München. Die Entfernung, so Bettina Wulff, habe man damals etwas unterschätzt, der Säugling habe unterwegs häufig geschrien, weshalb Mutter Wulff dann auch nicht mit Vater Wulff auf der CSU-Kundgebung am Münchner Marienplatz geblieben sei, sondern gleich ab in den Bayerischen Hof.

Christian Wulff betrachtet ihren Auftritt wohlgefällig. 100 Euro habe ihr Mann für die Betreuung des Sohnes bezahlen müssen, berichtet Bettina Wulff, das habe der als ganz schön teuer empfunden für den kurzen Abend. Warum Wulff noch 40 Euro Trinkgeld gegeben habe, bleibt offen. Da auch Groenewold der Babysitterin noch 40 Euro gegeben haben will, kommt unterm Strich einiges zusammen für eine etwa vierstündige Kinderbetreuung. Ebenfalls offen bleibt Donnerstagmorgen die Frage, wer am Vorabend des Oktoberfestbesuchs auf Groenewolds Rechnung im Hotelrestaurant zweimal Chateaubriand, einmal Garnelen sowie ein Hühnergericht verspeist hat. Was den Verlauf dieses Abends angeht, herrscht bei allen Verfahrensbeteiligten, Angeklagten, Kellnern, jetzt auch Bettina Wulff, eine Art Kollektivamnesie. Gut erinnern kann sich Bettina Wulff dagegen, dass ihr Ehemann auf dem Oktoberfest auch dienstliche Gespräche geführt hat. Mit Maria Furtwängler zum Beispiel über die Frage, ob sie als „Tatort“-Kommissarin für den NDR eigentlich auch Einfluss auf die Drehbücher nehmen könne.

Bei Treffen habe mal der eine, mal der andere die Kosten übernommen

Was man eben so redet auf den Oktoberfestbänken, wo einer kommt und andere gehen, zwischen fünf Flaschen Champagner, von denen sie selbst allerdings höchstens 0,2 Liter genippt habe. Eine weitere entlastende Aussage Bettina Wulffs: Sie bestätigt, dass David Groenewold und ihr Ehemann eine „sehr enge“ Freundschaft verbunden habe. Der Filmunternehmer „gehörte damals zum engsten Kreis“. Bei Treffen habe mal der eine, mal der andere die Kosten übernommen. „Ich denke, es hat sich die Waage gehalten.“ Diese Aussage widerspricht der bisherigen Annahme der Richter, die in ihrem Eröffnungsbeschluss von einer ungleichgewichtigen Kostenteilung ausgegangen ist. Danach hat Groenewold deutlich häufiger und deutlich größere Summen bezahlt als der damalige niedersächsische Ministerpräsident. Ob aus reiner freundschaftlicher Großzügigkeit oder doch aus geschäftlichem Kalkül? Der richterlichen Antwort auf diese Frage wird man vielleicht am kommenden Donnerstag näherkommen, wenn das Gericht ein Zwischenfazit ziehen und einen Vorschlag zum weiteren Prozedere machen will.

Bettina Wulff hat ihren Beitrag zum angestrebten Freispruch erster Klasse ihres Ehemanns nach gut einstündiger Befragung geleistet.