Drei schwere Sturmfluten hintereinander haben auf den norddeutschen Inseln wie Juist und Sylt erhebliche Schäden angerichtet. Vor Helgoland sind 47 Robbenbabys verschwunden.
Helgoland/Husum/Norden/Juist. Es kam nicht so schlimm wie erwartet – diese Bewertung war schon kurz nach dem Durchzug des Orkantiefs „Xaver“ zu hören. Eine erste Sturmbilanz auf den Inseln im Norden zeigt jetzt die entstandenen Schäden. Auch die Tierwelt blieb nicht verschont.
Nach dem Orkantief „Xaver“ werden auf Helgoland zudem fast 50 Robbenbabys vermisst. „Die Weibchen robbten über die Strände und suchten ihre Jungtiere, und die Jungtiere robbten und riefen und quakten nach ihrer Mutter“, sagte am Dienstag Helgolands Naturschutzbeauftragter Rolf Blädel. Von den 141 Robbenbabys, die bislang in diesem Winter auf Deutschlands einziger Hochseeinsel geboren wurden, entdeckte er nur noch 94. „Es war deprimierend“, sagte Blädel. Letztendlich seien fünf Jungtiere ohne Mutter geblieben. Die Tier-Waisen wurden eingefangen und zur Seehundstation Friedrichskoog (Kreis Dithmarschen) gebracht. Zuvor hatten mehrere Medien über den Fall berichtet.
Orkan beschädigt Helgoland und Sylt
Orkantief „Xaver“ hat die der Insel Helgoland vorgelagerte Düne stark beschädigt. Eine erste Bilanz sei „erschütternd“, teilte Helgolands Tourismusdirektor Klaus Furtmeier am Montag mit. Es sei von einem Verlust von etwa 50.000 Kubikmetern Sand auszugehen, was dem zehnfachen Volumen der berühmten „Langen Anna“ entspreche. „Ohne professionelle, fremde Hilfe dürfte es aus heutiger Sicht nicht gelingen, die Strände bis zum Saisonstart 2014 wieder herzurichten, zumal die Sturmsaison erst begonnen hat“, erklärte Furtmeier. Die Insel Helgoland selbst nahm keinen gravierenden Schaden. Auch der unterbrochene Flugbetrieb wurde bereits am Samstag wieder aufgenommen, nachdem die Landebahn von Sand und Treibgut befreit worden war.
Auf Sylt hat sich nach Angaben des Landesbetriebs für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz (LKN) in Husum geradezu ein „Sturmprofil“ gebildet. Allerdings sei ein natürlicher Rücktransport des Sandes zu erwarten, der die Verluste teilweise ausgleichen könne. Zu den betroffenen Orten zählt beispielsweise Hörnum an der Südspitze der Insel. Laut LKN-Sprecher Hendrik Brunckhorst gab es an der Hörnum-Odde auf einer Länge von gut einem Kilometer bis zu 20 Meter Verlust an der Randdüne. Im Gegenzug förderten die Sandablagerungen einen neuen Nehrungshaken zutage. Auch in List im Norden hat es Vor- und Randdünenabbrüche gegeben. Die Insel wurde jedoch verhältnismäßig wenig vom Sturm beeinträchtigt.
Föhr muss sich nach LKN-Angaben auf eine Sandvorspülung im kommenden Jahr einstellen: Das Sanddepot an der Südküste bei Utersum sei aufgezehrt worden. Auf Amrum gab es einen Abbruch der Randdünen an der Nordspitze. Auf Nordstrand haben bereits Reparaturarbeiten am Deich begonnen, die bis zum 20. Dezember beendet sein sollen. Auch in Büsum in Dithmarschen wird der Deich ausgebessert.
Auch ostfriesische Inseln verlieren im Orkan Strand und Dünen
Strände und Dünen der ostfriesischen Inseln haben im Orkan „Xaver“ ebenfalls stark gelitten. Stark getroffen wurde Juist. Dort wurden auf rund 1000 Metern Länge die Dünen im Durchschnitt um 25 Meter landeinwärts abgespült, sagte die Sprecherin des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz, Herma Heyken.
Erhebliche Sandverluste gab es zum Beispiel auch am Strand von Norderney. Eine genaue Bilanz sei aber erst nach einer Laservermessung aus der Luft in den kommenden Tagen möglich. Alleine auf den Inseln müssen rund 500 Kubikmeter Treibgut von den Deichen geräumt werden. Das ist nötig, weil sonst das Gras abstirbt.
Die frische Sandaufspülung auf Langeoog und ein neues Deckwerk auf Baltrum haben der Sturmflut aber standgehalten. Juists Bürgermeister Dietmar Patron machte die stärksten Dünenabbrüche im Westen der Insel aus. „Da ist die Brandung stark rangegangen.“ Er ist froh, dass so frühzeitig vor dem Orkan gewarnt wurde. So habe man Schäden zum Beispiel im Hafenbereich verhindern können.
Befürchtungen, dass weitere Sturmfluten zu Überschwemmungen auf Norderney führen könnten, die das Grundwasser versalzen, trat Heyken entgegen. „Das werden wir verhindern.“ Norderney ist nicht über eine Wasserleitung mit dem Festland verbunden, sondern bezieht sein Trinkwasser von der Insel.
Auf dem Festland haben alle Deiche und Flutschutzeinrichtungen den Sturmfluten Stand gehalten, sagte Heyken. Hauptproblem seien jetzt Unmengen von Treibgut auf den Deichen, bestätigte Schultheiß Jürgen Schubel vom Cuxhavener Deichverband den Eindruck von den Inseln. „Wir holen es erstmal runter vom Grünland.“ Weil die aufgeweichten Grasflächen im Moment nicht mit Maschinen befahren werden können, sei das hauptsächlich Handarbeit.
Nach Heykens Angaben stehen pro Jahr etwa 72 Millionen Euro für den Küstenschutz in Niedersachsen zur Verfügung, rund 10 Millionen davon für die Inseln. Der Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz habe daher die Möglichkeit, auf Sturmflutschäden zu reagieren. Zuletzt waren mit Millionenaufwand große Mengen Sand auf Langeoog aufgespült worden.
Die Inseln in der Nordsee von Sylt bis Borkum sind dem ständigen Angriff von Wellen und Strömung ausgesetzt. Besonders gefährdete Bereichen werden oft von Buhnen und befestigte Deckwerken geschützt, in anderen Bereichen wie Stränden und Dünen müssen Sandverluste durch Aufspülungen immer wieder ausgeglichen werden. Im Wattenmeer sind ständig große Mengen Sediment mit dem Wasser in Bewegung. In einigen Bereichen brechen Küsten ab, anderswo wachsen die Strände von ganz alleine oder es entstehen sogar neue Sandbänke und ganze Inseln.