Ministerpräsident Torsten Albig, SPD, wertet seine Chinareise als Erfolg. Kooperationen wurden auf den Weg gebracht. Landtagsabgeordnete hätten sich jedoch deutlichere Worte zu Menschenrechten erhofft.
Hangzhou/Shanghai. Tradition und Moderne liegen in China dicht nebeneinander. Während morgens Senioren auf der Promenade in Shanghai mit einem Schwert schattenboxen (Tai Chi), joggt Chinas Jugend mit MP3-Playern schnell an ihnen vorbei. Auf der Asienreise von Torsten Albig (SPD) ist diese Nähe zu spüren, als Chinesen im Löwenköstum unter Pauken und Trompeten die Bühne entern, auf der Schleswig-Holsteins Ministerpräsident kurz zuvor die erste chinesische Niederlassung einer Firma aus dem Norden eröffnet hat. Rote und weiße Löwen gelten in China als Glücksbringer. Albig erweckte einen von ihnen symbolisch mit einem Pinsel zum Leben.
Sechs Tage lang hatte der Kieler Regierungschef mit einer Delegation die Wirtschaftsmonopole Shanghai und Hangzhou, die Hauptstadt der schleswig-holsteinischen Partnerprovinz Zhejiang besucht. „Es war eine sehr erfolgreiche Reise“, sagte Albig am Donnerstag zum Abschluss. Er sah seine Funktion dabei vor allem als Türöffner für Hochschulen und den Mittelstand: „Wir haben sieben Vereinbarungen unterzeichnet.“ Unter anderem wollen die Wirtschaftsförderungen beider Regionen kooperieren und die Uni-Klinik Zhejiang die Diagnose-Technik zur Erkennung von Prostata-Krebs des Flensburger Mediziners Tillmann Loch nutzen.
Der Sozialdemokrat wurde während eines Besuchs auch von Parteisekretär Xia Baolong empfangen, dem ranghöchsten Politiker in der Provinz Zhejiang mit 54 Millionen Einwohnern. Albig sprach die Situation der Menschenrechte in China im offiziellen Teil des Treffens – anders als sein Amtsvorgänger Peter Harry Carstensen (CDU) bei einem Besuch 2010 – nicht an. Er habe mit Baolong im persönlichen Gespräch beim anschließenden Abendessen aber sehr wohl „über Freiheit und Freiheitsrechte gesprochen“, versicherte Albig.
Kritik „einfach nur zelebrieren“ oder politische Interessen von Parteifreunden zu Hause bedienen, „das ist nicht mein Stil“, sagte Albig. Die Antwort des Parteisekretärs sei interessant ausgefallen. „Mag sein, dass wir ein anderes Freiheitsverständnis haben“, habe dieser geäußert. Aber auch die Marktwirtschaft habe Einschränkungen, die den Menschen nicht immer gefielen.
Während des besagten gemeinsamen Abendessens im Gästehaus der Provinzregierung in Hangzhou spielte das dortige Orchester auch deutsches Liedgut, wie beispielsweise „Alle Vöglein sind schon da“. Grünen-Wirtschaftspolitiker Andreas Tiertze, der dort ebenfalls am Tisch saß, hätte sich stattdessen lieber „Die Gedanken sind frei“ gewünscht. Und auch von Albig hätte er in dieser Frage etwas mehr erwartet: „Ich hätte mir gewünscht, dass das Thema Menschenrechte stärker in den Vordergrund gerückt worden wäre“, sagte er.
Laut dem ebenfalls mitgereisten FDP-Fraktionsvize Christopher Vogt ist auswärtige Politik zwar nicht Aufgabe der Landesregierung. „Ich hätte mir aber gewünscht, dass Albig die Fortschritte in China anspricht. Das wäre kein diplomatischer Affront gewesen.“ Albig wies die Kritik zurück: „Das habe ich getan. Und das ist auch entsprechend so angekommen.“
Das Reich der Mitte hat nach Ansicht Albigs in anderen Punkten aber auch Vorbildcharakter. „Die Art und Weise, wie Entwicklungen hier vorangetrieben werden, ist schon sehr beeindruckend“, sagte er. „Wo wir sehr lange grübeln, wird in China gehandelt.“
Grübeln musste der Regierungschef bei der Eröffnung der neuen Büroräume des Schleswig-Holstein Business-Centers selbst ein wenig, als lautes Telefonklingeln seine Rede unterbrach. „Soll ich rangehen? Ich glaube, ich wäre sprachlich überfordert“ fragte er in die Runde. Als das Telefon kurze Zeit später erneut schrillte, war der Sozialdemokrat dann entscheidungsfreudiger und knallte den Hörer kurzerhand wieder auf.
Der Umzug der Wirtschaftsförderung ist dem hohen Interesse schleswig-holsteinischer Mittelständler an einem Engagement in China geschuldet. Rund 140 Unternehmen aus dem Norden gelang auf diesem Weg der Markteintritt in China. Und die kommen längst nicht mehr alle nur noch nach China wegen der günstigeren Produktionskosten.
Albig warb in China aber nicht nur für die Forschung und den Mittelstand aus Schleswig-Holstein, sondern auch für die Ansiedlung chinesischer Unternehmen im Norden Deutschlands. Er habe Gespräche mit potenziellen Investoren geführt. Schleswig-Holstein habe viel zu bieten, für Firmen, die nach Nordeuropa wollten. Freitagabend wird Albig wieder im Norden zurückerwartet.