Der umstrittene Wortführer der Parteilinken könnte Generalsekretär werden. Ralf Stegner polarisiert. Und er hat schon einmal eine Große Koalition platzen lassen.

Kiel. „Ich habe viele verlässliche Freunde und wenige verlässliche Gegner“ – Ralf Stegner lacht, als er das sagt. Eines hat der kantige Wortführer der SPD-Linken und Landesparteichef in Schleswig-Holstein derzeit bestimmt: mediale Aufmerksamkeit. Bei Tagesschau & Co., in Talkshows und mit Zeitungsinterviews ist der 54-Jährige rund um die Berliner Verhandlungen über eine Große Koalition omnipräsent.

Dass er die gerade mit schwachem Ergebnis wiedergewählte Andrea Nahles als Generalsekretär ablösen könnte, wenn sie Ministerin wird, nennt er Spekulation. Was er sonst dazu sagt, ist vom Dementi weit weg. Beim Parteitag in Leipzig erlitt Stegner wie andere Vorsitzende kleiner Landesverbände einen Dämpfer: Erst im zweiten Wahlgang schaffte er den Wiedereinzug in den Parteivorstand.

„Es ist natürlich netter, wenn es solche Spekulationen gibt, die ja zum Ausdruck bringen, dass man seine Arbeit ordentlich macht, als wenn das Gegenteil der Fall wäre“, bekennt Stegner beim Thema Generalsekretär. Klartext reden, Konfliktfähigkeit, Belastbarkeit, Gegnern Paroli bieten, polarisieren, aber auch eigene Reihen schließen – solche Qualitäten brächte er für das Amt eines Generalsekretärs mit. „Was mein Rückgrat angeht, habe ich nicht übertrieben große Biegsamkeit“, sagt der Mann, den die meisten für den Bruch der Großen Koalition in Kiel vor gut vier Jahren verantwortlich machten. Er findet das „übertrieben“.

Trotz der Terminhatz zwischen Kiel und Berlin nimmt sich Stegner eine Stunde Zeit zum Reden. Ob er Generalsekretär sein und zugleich weiter Landespartei und Fraktion in Kiel führen könnte? Darauf kein Klartext: „Man muss Fragen immer dann beantworten, wenn sie sich stellen.“ Dass Stegner, der in Kiel auch Finanz- und Innenminister war, auf den Landesvorsitz nicht verzichten will, ist offenkundig.

Er spricht offener als früher von Fehlern, aus denen er gelernt habe, und von Tiefen in der Karriere. „Die bitterste Niederlage war die Nichtwahl von Heide Simonis, versehen ja auch noch mit falschen Verdächtigungen gegen meine Person.“ 2005 war spekuliert worden, er könne der „Heide-Mörder“ gewesen sein, der Simonis in vier Wahlgängen die Wiederwahl zur Ministerpräsidentin vermasselt hatte.

Weitere Nackenschläge: 2009, „in lausigen Zeiten für die SPD“, verlor Stegner als Spitzenkandidat die Landtagswahl gegen die CDU mit Ministerpräsident Peter Harry Carstensen ähnlich klar wie 2011 den Mitgliederentscheid zur Spitzenkandidatur 2012 gegen den heutigen Regierungschef Torsten Albig. „Daraus kann man auch lernen, dass man nicht selbst im Mittelpunkt steht, sondern das, wofür man eigentlich arbeitet“, sagt Stegner heute. „Man wird mit dem Alter auch toleranter. Mit 54 fällt es mir viel leichter, andere Meinungen zu akzeptieren als früher.“ Das werden wohl nicht alle so teilen.

Als Erfolg nennt Stegner, dass er nach dem Mitgliederentscheid im – überraschenden – Schulterschluss mit Albig die Nord-SPD zusammenhielt und wieder an die Regierung führte. Auch sechs Prozentpunkte mehr bei der Bundestagswahl als im Bund sieht er auf der Habenseite.

In der Öffentlichkeit fühlt er sich klischeehaft wahrgenommen. Das Attribut „Roter Rambo“ sei eine Karikatur. „Meine Begabung für stark repräsentativ ausgerichtete Ämter hält sich stark in Grenzen“, räumt Stegner ein. „Ich bin auch kein besonders guter Diplomat. Ich mag die rhetorischen Verrenkungen nicht, liebe das norddeutsch Klare“, sagt der Gastwirtsohn aus der Pfalz. Er weiß, dass er nicht vorteilhaft rüberkommt, wenn Mundwinkel herunterhängen und der Blick finster aussieht. „Wenn ich mich auf mein Gegenüber konzentriere, wirkt das mürrisch, was es gar nicht ist“, sagt der Krimi-, HSV- und Skatfan.

Sein Lieblingsgegner, FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki, findet es angeblich gut, dass Stegner oft im Fernsehen ist. „So können sich die Menschen einen Eindruck von seiner Persönlichkeit machen. Bei mir persönlich hinterlässt er nicht den Eindruck eines sympathischen Sozialdemokraten.“ Schlechter als Nahles wäre er als Generalsekretär aber nicht. Nur dass es dazu kommt, glaube er nicht, sagt Kubicki.

Stegner hat aber seine Position gefestigt, trotz der Schlappe im ersten Durchgang der Vorstandswahl. Obwohl er eine Zusammenarbeit mit der Linken vor Wahlen nie wieder ausschließen will, weiß Stegner um die Gefahren von zu viel Linkslastigkeit. Es sei wie beim Fußball: „Da kann man auch nicht nur über den linken Flügel stürmen, auch wenn man eine Linksneigung hat – das ganze Spielfeld muss genutzt werden.“