2014 sollen weitere Zahlen zu Kosten und Nutzen des Milliardenprojekts Fehmarnbelttunnel vorliegen. Gegner sehen sich bestätigt. Grüne: „Wir brauchen eine Gesamtbetrachtung des Projekts.“
Puttgarden. Der Fehmarnbelttunnel und die Hinterlandanbindung in Deutschland werden offenbar bald einer neuen Wirtschaftlichkeitsbetrachtung unterzogen. Die Gegner des Fehmarnbelttunnels hatten das unlängst gefordert. Ihr Wunsch geht nun in Erfüllung. „Ende 2014 wird das Baugesetz zum Tunnel ins dänische Parlament eingebracht, dann werden wir aktuelle Zahlen vorlegen“, sagt Obinna van Capelleveen, Sprecher der Planungsgesellschaft Femern.
Ob diese Zahlen allerdings beweisen, was die Gegner behaupten, ist durchaus unklar. Susanne Brelowski, Sprecherin der Allianz gegen die feste Fehmarnbeltquerung, findet: „Der Tunnel ist unwirtschaftlich, die prognostizierten Verkehre wird es nie geben.“
Ein neues, im September bei einem Workshop präsentiertes Verkehrsgutachten stützt ihre Behauptung. Nur stammt es eben nicht von einem unabhängigen Experten, sondern von der Reederei Scandlines. Sie betreibt die Fährlinie Puttgarden–Rödby und hat naturgemäß wenig Freude an der Vorstellung, ihre Kundschaft eines Tages an den Tunnel zu verlieren.
Seit Veröffentlichung der letzten Prognose für den zukünftigen Verkehr über den Fehmarnbelt seien bereits mehr als zehn Jahre vergangen, heißt es in dem Reedereigutachten. Prognose und Realität seien längst nicht mehr deckungsgleich. „Die Nachfragelücke ist überdeutlich“, heißt es in dem Scandlines-Papier. „Das Passagiervolumen im vergangenen Jahr liegt 43Prozent unter der Prognose für das Jahr 2015. In absoluten Zahlen ausgedrückt fehlen damit 2,6 Millionen Passagiere.“
Kostenanalyse müsste aus Dänemark kommen
Im Dialogforum Feste Fehmarnbeltquerung, dem Beteiligungsgremium für Gegner und Befürworter, hatten diese Zahlen für Diskussionen gesorgt. Wieder einmal drohten Mitglieder der Bürgerinitiativen damit, das Forum zu verlassen, sollte das Gutachten keine Konsequenzen haben. Frank Nägele, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, rettete die Situation, indem er versprach, einen Brief an Enak Ferlemann zu schreiben, den Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium.
Das geschah dann auch. „Böser Brief nach Berlin“, titelte die „taz“ prompt, immer fest an der Seite der Belttunnelgegner. Doch der Tenor des Schreibens ist ein deutlich anderer. „Das Dialogforum Feste Fehmarnbeltquerung hat die Landesregierung dazu aufgefordert, an die Bundesregierung heranzutreten und eine Neubewertung des Gesamtprojekts Feste Fehmarnbeltquerung zu fordern“, heißt es da. „Dieser Aufforderung komme ich gerne nach und bitte Sie, das Votum des Dialogforums anzunehmen.“
Ferlemann hat noch nicht geantwortet, ohnehin weiß niemand, ob er noch allzu lange im Amt sein wird. Immerhin steht derzeit nicht fest, welche Regierungskoalition demnächst in Berlin das Sagen haben und wer das Bundesverkehrsministerium leiten wird. Petra Bethge, Sprecherin des Ministeriums, macht auf ein weiteres Problem aufmerksam. „Der Tunnel liegt nicht in unserem Verantwortungsbereich, eine Nutzen-/Kostenanalyse müsste von unseren dänischen Partner kommen.“
„Wir brauchen eine Gesamtbetrachtung des Projekts“
Anders ist das bei der Hinterlandanbindung. Auf eine entsprechende Anfrage von mehreren SPD-Bundestagsabgeordneten hatte das Verkehrsministerium im Juli mitgeteilt: „Im Rahmen der Erstellung des Bundesverkehrswegeplans 2015 wird die Hinterlandanbindung zur Festen Fehmarnbeltquerung anhand der Verkehrsprognosen 2030 erneut gesamtwirtschaftlich zu untersuchen sein.“
Die Hinterlandanbindung besteht aus einer zweigleisigen, elektrifizierten und bis Lübeck führenden Eisenbahnlinie sowie dem vierstreifigen A-1-Ausbau des Streckenabschnitts kurz vor Fehmarn. Auch ein Neubau der Sundbrücke gehört dazu.
Ernst Dieter Rossmann aus Pinneberg, einer der anfragenden Abgeordneten, hält es für selbstverständlich, dass das gesamte Projekt noch einmal unter die Lupe genommen wird. „Wir müssen nun bald Finanzierungsfragen klären, da kommt das natürlich auf die Tagesordnung. Das ist auch keine Frage von Ideologie, das ist eine Frage von Realitätssinn.“
Ruth Kastner, Landesvorsitzende der Grünen in Schleswig-Holstein, unterstützt die Forderung der Bürgerinitiativen. „Wir brauchen eine Gesamtbetrachtung des Projekts. Danach müssen wir erneut mit den Dänen verhandeln.“ Ein Update scheint auf jeden Fall geboten. Die letzte Wirtschaftlichkeitsberechnung der dänischen Planungsgesellschaft stammt aus dem Jahr 2004.