Seite einem Monat hält ein wenig zimperlicher Storch das Dorf Bergholz durch seine Attacken auf Autos, Türen und Fensterscheiben in Atem. Die Bewohner ergreifen Schutzmaßnahmen - und werden 2014 trotzdem ein neues Storchennest bereit stellten.

Bergholz/Lübtheen. Wer dieser Tage durch das kleine Dorf Bergholz im Landkreis Vorpommern-Greifswald fährt, dem fällt Ungewöhnliches auf. Autos sind mit Zäunen abgesperrt, einige Türen verhängt und die Dorfbewohner besonders wachsam. „Das liegt am Storch“, sagt Kerstin Werth vom Bergholzer Heimatmuseum. Seit gut einem Monat hat der rabiate Großvogel Autos, Türen und Scheiben im Dorf attackiert – und Bergholz damit sogar bundesweit mediale Aufmerksamkeit beschert. Inzwischen sind die Reporter wieder weg, die Storchenfamilie hat erstmals drei Junge aufgezogen – und die Bewohner hoffen nun sehnsüchtig wie sonst nie auf den Vogelzug nach Süden. Zwischen dem 15. und 21. August soll es losgehen, schätzen Werth und Bürgermeister Ulrich Kersten.

Bergholz ist aber kein Einzelfall. Aufgeregte Weißstörche gibt es immer wieder in Deutschland. Allein drei Fälle wurden der Arbeitsgemeinschaft Weißstorchschutz Mecklenburg-Vorpommern in diesem Sommer bekannt. Dazu zählten Dreilützow in Westmecklenburg und Wilkenstorf im Amt Neuhaus, das zu Niedersachsen gehört. „Wir sind sehr unglücklich darüber“, sagt der AG-Vorsitzende Helmut Eggers in Lübtheen (Kreis Ludwigslust-Parchim). Der Fall Bergholz sei aber besonders krass. „Trotzdem – bei uns bleibt der Storch im Dorf“, stellt Bürgermeister Kersten klar.

Die Bergholzer haben es mit einem außerordentlich hartnäckigem Exemplar zu tun. „Der Storch hat – anders als andere seiner Artgenossen – nicht mal seine Jungen versorgt“, sagt die Museumschefin, das habe das andere Alttier übernommen. Auch wenn Kamerateams oder Fotografen da waren, machte sich „Meister Adebar“ aus dem Staub. Einmal hat er eine Familie ganz raffiniert ausgetrickst. „Als die Leute ihren Einkauf reinbrachten, ist der Storch in die offene Garage und hat das Auto zerkratzt.“

Ursachen für diese Attacken sind der natürliche Trieb der Tiere und der technische Fortschritt. „Autolacke und Scheiben spiegeln immer mehr, so dass Störche glauben, sie stehen Rivalen in ihrem Revier gegenüber“, erläutert Eggers.

Das Hauptproblem ist, dass niemand für Schäden aufkommt. „Je nach Autotyp wird der Schaden auf 300 bis 1000 Euro geschätzt“, sagt Kersten. Weder eine Versicherung der Gemeinde noch irgendeine Autoversicherung habe sich bereit erklärt, die Kosten für die Schäden zu übernehmen. „Nur wer Vollkasko hat, könnte das in Anspruch nehmen, aber wegen der Selbstbeteiligung machen das nur wenige.“

Inzwischen schauen drei wohlgenährte Jungvögel aus dem Nest, das seit Jahren weit oben auf einem Gittermast bei der Kirche thront. In Vorpommern gab es 2013 sonst wenige Jungvögel, in Westmecklenburg viel Nachwuchs. Landesweit werde beim Storchennachwuchs „wohl eher unter dem Durchschnitt liegen“, meint Eggers.

Woher „Kommissar Storch“ überhaupt kommt, ist unklar. „Er trägt keinen Ring“, bedauert Kerstin Werth. Ein Storchenbetreuer habe den Dorfbewohnern geraten, den Vogel zu fangen, damit er beringt werden könne. Aber das habe sich niemand getraut.

Auf alle Fälle soll es 2014 ein neues Storchennest in Bergholz geben, meint Kersten. Das alte, fast anderthalb Meter hohe Nest sei wacklig und soll gegen ein stabileres getauscht werden – am gleichen Standort. „Mal sehen, wie unser Storch aus Afrika wiederkommt.“