Ab in den Stau: ADAC-Stauberater Bernd Bossen sucht das Gewühl auf der Autobahn 7. An den Wochenenden gibt der Biker dort gefrusteten Autofahrern wertvolle Tipps.
Brokenlande. Die Autobahn ist sein Revier, der Stau sein Metier. Wenn andere nach einer Ausweichmöglichkeit suchen, steuert Bernd Bossen sein Motorrad zielgerichtet auf die Blechlawinen der A7 zu. Der 50-Jährige ist Stauberater des Allgemeinen Deutschen Automobil Clubs (ADAC). Am Wochenende wartet auf die gelben Engel auf zwei Rädern im Norden voraussichtlich wieder viel Arbeit, denn in Nordrhein-Westfalen beginnen die Sommerferien. Folge dürften erneut volle Autobahnen auch in Richtung Dänemark sein.
„Stauberater zu sein, ist mehr Berufung als Beruf“, sagt Bossen. Er ist bereits in seiner zweiten Saison als Stauberater. An vier Wochenenden ist er den Sommer über im Einsatz. Ebenso oft kümmert sich sein Kollege Hauke Nohms um die Autofahrer im Stau. Beiden Bikern steht an einem Info-Mobil auf der Raststätte Brokenlande Alfred Schöning zur Seite. „Ich mache das seit 18 Jahren, vom ersten Tag an“, sagt der 68-Jährige.
Besonders in Erinnerung geblieben ist Schöning der Fall eines jungen Vaters. „Der hatte seine Frau verloren, die waren jeweils mit einem Kind in zwei Autos unterwegs in Richtung Dänemark“, sagt Schöning. Windeln, Getränke und Papiere befanden sich allerdings im Wagen der Frau. „Wir haben es dann geschafft, dass sich beide Elternteile weiter nördlich wieder getroffen haben.“
Das Verhalten anderer Autofahrer erschwert die Arbeit der Stauberater gelegentlich. „Die Leute sind sehr ich-bezogen, sie haben weniger Respekt voreinander“, meint Bossen. Bis zu 400 Kilometer legt er an einem Samstag zurück. Steht der Verkehr mal wieder still, versuchen Bossen und seine Kollegen den Frust der Autofahrer zu lindern und beratend zur Seite zu stehen. „Die winken schon, wenn ich um die Ecke komme“, sagt Bossen. Und in der Tat dauert es nicht lange, bis sich bei einem Stopp auf einem Rastplatz an der A7 ein Hamburger Autofahrer an den Stauberater wendet. Die Anzeige seines Wagens hatte vor einem Motoren-Systemfehler gewarnt.
„Oh, der ADAC, frag ihn mal, vielleicht weiß er ja Bescheid“, sagt Werner Struck, seit 43 Jahren ADAC-Mitglied. Der 73-Jährige ist auf dem Weg an die Ostsee. Den technischen Defekt am Wagen des Hamburgers vermag der Stauberater zwar nicht zu beheben. Aber er sorgt mit einem Anruf dafür, dass sich ein Pannenhelfer der Sache annimmt. Ein Auge hat Bossen bei seinen Stopps auf den Rastplätzen entlang der Autobahn insbesondere auf Familien.
Wenn er nicht auf dem ADAC-Motorrad unterwegs ist, verdient der zweifache Vater sein Geld als Lkw-Fahrer. Die Firma, für die der 50-Jährige mehr als 150 000 Kilometer im Jahr zurücklegt, übernimmt Auto-Rücktransporte für den ADAC von Bremen bis hoch zur deutsch-dänischen Grenze. Der Job als Stauberater macht ihm sichtlich Spaß, trotz der Hitze unter der Sicherheitskleidung. „Hier kann ich gratis Motorrad fahren.“
Doch an heißen Wochenenden auf der Nord-Süd-Tangente A7 ist nicht nur Bossens Wissen über die aktuelle Verkehrslage entlang der Ferienrouten gefragt. Manchmal fungiert er auch als Therapeut, wenn sich das Paar auf der Fahrt zum Urlaubsort streitet – nach dem Motto: „Ich hab’ dir doch gleich gesagt, fahr hier nicht lang, sondern nimm die andere Route.“ Da sei manchmal Fingerspitzengefühl gefragt.
„Negative Erlebnisse habe ich als Stauberater aber noch nicht gehabt“, versichert Bossen. Mit Rätselheften, Energy-Drinks und Malzeug vertreibt der Mann mit dem markanten Glatzkopf Durst und Langeweile der Autofahrer. Der Renner aus seiner Schatzkiste aber ist eine Schlüsselanhänger: „Der Teddy im ADAC-Look kommt bei allen gut an.“ Die Stofftiere werden wohl auch am Wochenende wieder gebraucht, wenn die Nordrhein-Westfalen in den Urlaub aufbrechen.