Ex-AOL-Chef Jan Henric Buettner baut sein Gut an der Ostsee für 70 Millionen Euro zum luxuriösen Ferienresort um - inklusive Spa und Amphitheater.
Weissenhaus. Jan Henric Buettner steht im Sand. Die Ostsee vor ihm präsentiert sich heute von ihrer besten Seite. Himmelblau mit zarten Wellen erstreckt sie sich über die ganze Hohwachter Bucht. Hinter Buettner ist das Bootshaus, ein Strandrestaurant aus Holz - mit großen Glasscheiben und Meerblick, einem Kamin und eine Lounge im Freien mit Feuerstellen im Sand. Ein traumhafter Ort, vor einem Jahr eröffnet. Ein bisschen Kalifornien am Weissenhäuser Strand.
Genauso hat Buettner es sich vorgestellt. Vor 15 Jahren wanderte der gebürtige Hamburger, der den Onlinedienst AOL Europa aufgebaut hat und dadurch zum Multi-Millionär wurde, nach Santa Barbara, Kalifornien, aus. "Die Weite und die Bläue des Pazifiks haben mich sofort fasziniert", sagt Buettner. Und natürlich das amerikanische Flair, das er jetzt an den Strand vor Schloss Weissenhaus importiert hat.
Als Kind hat Buettner hier im Sand gespielt und Quallen gesammelt, seine Eltern hatten in der Nähe ein Ferienhaus. Höhepunkt eines Urlaubstages war der Besuch des Erdbeer-Cafés, das die Grafenfamilie von Platen im Schlossgarten betrieb, nur einen kurzen Fußmarsch vom Strand entfernt. Vor acht Jahren hat Buettner ihnen das gesamte Gut abgekauft - mitsamt dem weißen Herrenhaus und den vielen reetgedeckten Fachwerkhäusern. Die waren in einem beklagenswertem Zustand, die Strohdächer eingefallen, die roten Backsteinmauern zerborsten. Auch das Schloss war renovierungsbedürftig. Der Kaufpreis: sieben Millionen Euro. "Das kostet in Santa Barbara ein Haus mit Meerblick, da musste ich nicht lange überlegen", sagt Buettner. Von der Gemeinde erwarb er Land dazu, jetzt gehören ihm 75 Hektar Küste mit Wald und Wiesen, Dorf und Schloss mit zwei Kilometer Ostseestrand.
Damit hat Buettner viel vor. "Ich möchte hier einen Ort schaffen, von dem man sagt, man muss ihn in seinem Leben gesehen haben", sagt der Unternehmer in Jeans und Cowboystiefeln, vom Typ her eher Rockstar als Großgrundbesitzer. Eines der 100 schönsten Reiseziele soll hier entstehen - der Welt, wohlgemerkt. Von der Wiedergeburt eines historischen Dorfes schwärmt Buettner, und einem einzigartigen Spa-Ressort. Dafür nimmt er 70 Millionen Euro in die Hand. Schon jetzt flanieren die Ausflügler fast andächtig durch die Gutsanlage und bewundern das künftige "Grand Village": die bereits restaurierten Ziegelgebäude, den "Dorfplatz" mit Springbrunnen und die vielen Backsteinhäuschen, die noch im Dornröschenschlaf liegen - baufällig und eingerüstet oder mit Gittern versperrt; das Kavaliershaus etwa, das Waschhaus und die ehemalige Gärtnerei. "Verglichen mit den Häusern, die wir schon renoviert haben, sind diese in einem gutem Zustand", sagt Buettner dennoch.
Die Meierei, die alte Schmiede, die Stellmacherei, das Torhaus und die große Reetscheune hat er schon wachgeküsst. Denkmalgerecht. Marode Wände wurden mit den Original-Backsteinen wieder aufgebaut, Dächer neu gedeckt, Fenster und Türen nach historischem Vorbild angefertigt. Das Innenleben kann sich sehen lassen. Die Zimmer und Suiten in den gerade erst eröffneten Gästehäusern sind geschmackvoll und mit zurückhaltendem Luxus eingerichtet. Hier zu schlafen kostet zwischen 250 bis 500 Euro pro Nacht - dafür wird die Minibar kostenlos immer wieder aufgefüllt. Die Gimmicks vorzuführen, macht Buettner besonderen Spaß: In den Alkoven der Dachzimmer gibt es Lampen mit integrierter Spieluhr, in Bädern und Wohnzimmern versteckte Fernseher und Terrassen mit Whirlpools. Der große Veranstaltungsraum in der Reetscheune fasst bis zu 400 Gäste, hier haben schon Hochzeiten, Theateraufführungen und Konzerte stattgefunden. Der Clou: Durch einen Zwischenboden aus dickem Glas blickt man in das mächtige, eindrucksvoll beleuchtete Reetdach. Mit seinem Kulturprogramm will Buettner Akzente setzen. Justus Frantz war da und Armin Müller-Stahl, demnächst wird Virginia Woolf aufgeführt. Die ehemalige Kulturmanagerin von Schloss Elmau, das für seine hochkarätigen Jazz- und Klassikkonzerte bekannt ist, hat in Weissenhaus die künstlerische Leitung übernommen. Buettner will aber auch Unkonventionelles bieten, vielleicht mal die "Blues Brothers" auf die Bühne bringen - gerne auch open air im Amphitheater, das er bauen ließ, das einzige in Norddeutschland.
Die Reetscheune steht allen offen, die Eintrittspreise liegen je nach Veranstaltung zwischen 30 und 50 Euro. Für seine Gäste ist das Programm kostenlos. "Mir gefällt das Konzept, die Gäste an die Hand zu nehmen und ihnen etwas zu bieten", sagt Buettner. Schon als Kind sei er deshalb gerne in Robinson Clubs gewesen. Es scheint Fügung zu sein, dass vor einigen Jahren Robinson-Architekt Hans Wilm Zühlke an der Weissenhaus-Baustelle vorbeifuhr, sich sofort bei Buettner für die Projektleitung bewarb - und den Job bekam.
Gebaut wurde über und unter der Erde. "Wir haben für acht Millionen Euro eine unterirdische Infrastruktur geschaffen", sagt Buettner. Kanalisation und Leitungen, aber auch eine Bio-Kläranlage und ein Heizkraftwerk mit eigenem Fernwärmenetz. Die Dorfstraße, die das Gut durchschnitt, wurde verlegt, und die Bewohner, ehemalige Hofarbeiter, innerhalb der Anlage umgesiedelt. Weil Buettner nicht alle seiner jetzt 50, später 200 Mitarbeiter auf dem Gut unterbringen kann, hat er in Oldenburg eine halbe Siedlung für sie gekauft.
2014 sollen die letzten Ruinen instand gesetzt sein. Dann wird es in Schloss und Nebengebäuden 70 Zimmer und Suiten geben, einen großen Spa-Bereich (den die Gäste aus dem Schloss durch einen unterirdischen Tunnel erreichen können) und mehrere Restaurants. Auch ein Polo- und Spring-Derby-Platz inmitten von Pferdekoppeln ist geplant.
Noch dieses Jahr wird Buettner auch das Erdbeer-Café wieder aufbauen - es spielt nämlich eine große Rolle auf seinem Weg zum Schlossherrn. Jedes Mal, wenn er mit seiner Frau und den beiden Töchtern bei Eltern oder Schwiegereltern zu Besuch war, wurde ein Abstecher an den Strand vor Schloss Weissenhaus und ins Erdbeer-Café gemacht. Einmal drückte seine Mutter ihm einen Artikel in die Hand, den sie aus einer Zeitung ausgeschnitten hatte.
Es ging um den bevorstehenden Verkauf von Schloss und Café. "Ich wurde gerade von einem Freund abgeholt und nahm den Artikel mit ins Auto, um ihm zu lesen", erinnert sich Buettner. "Mein Freund fragte scherzhaft, ob ich das Schloss kaufen wolle." Aus Jux informierte er sich - und war plötzlich ernsthafter Interessent, der sich gegen einen spanischen und einen chinesischen Investor durchsetzte. "Ich habe Verantwortung für dieses wunderbare Fleckchen Erde und möchte seine Magie erhalten", verspricht Buettner. Er plant noch einen Badesteg und einen Ankerplatzes für Jachten. PS-starke Motorboote müssen außerhalb der Bucht ankern, damit die Schweinswale nicht gefährdet werden. Der Steg soll nach US-Vorbild gestaltet werden.
Doch Buettner will auch Geld verdienen. Also wird er, wenn alle historischen Häuser renoviert sind, etwas abseits im Wald mehrere Neubauten mit insgesamt 130 Zimmern errichten.