Landwirtschaftsminister Habeck besuchte zwei Höfe in Ostholstein. Der grüne Politiker hörte den Milchbauern vor allem zu. Diese sorgen sich um ihre Zukunft – 2015 öffnet die EU den Markt.

Wangels. Während eine Kuh ihr mächtiges Hinterteil hebt und sich mit einem großen Strahl deutlich hörbar erleichtert, liest Milchbauer Dirk Huhne (42) in seinem Stall Landwirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) agrarpolitisch die Leviten. Auf das angebotene Mikrofon samt Lautsprecherbox verzichtet der studierte Landwirt dabei, „viele sagen, ich bin sowieso zu laut“. Und so kritisiert Huhne, der zuletzt „fast grün gewählt hätte“, zu geringe Erlöse, den Trend zu immer größeren Betrieben und seiner Meinung nach irrsinnige Auflagen zur Betriebsführung oder zum Gülleausbringen.

Der Bund Deutscher Milchviehalter (BDM) hat eingeladen zur traditionellen Milchviehbereisung – diesmal auf zwei Vorzeigebetriebe im Kreis Ostholstein. Die hügelige Region ist am Mittwoch bei strahlendem Sonnenschein noch in Schneeweiß getaucht, an kleinen Straßen türmen sich beiseite geräumte Schneemassen, auf Huhnes Hof mit Sicht zum Bungsberg hält sich noch Glatteis – symbolträchtig für die Risiken der Milchbauern, die einer ungewissen Zukunft entgegensehen.

Im Jahr 2015 wird die Milchquotenregelung in der Europäischen Union fallen. Habeck erwartet eine Ausweitung der Milchproduktion und noch größere Schwankungen beim Milchpreis. Die Milchbauern auch im Norden werden sich der Konkurrenz des Weltmarktes stellen müssen, aus Ländern, in denen der Tier-, Umwelt- und Naturschutz erheblich lascher gehandhabt wird als in Deutschland. Der BDM fürchtet einen Preiskampf zu ungleichen Bedingungen und hofft zugleich auf neue internationale Absatzmärkte.

„Kritische Intervention ist ausdrücklich erwünscht“

Dass Habeck auf die Höfe kommt, ist ein doppeltes Signal: Als Fachminister will er nicht Entscheidungen am grünen Tisch im Ministerium fällen, sondern die Situation aus direkter Anschauung kennen und den Milchbauern zuhören – „kritische Intervention ist ausdrücklich erwünscht“, wird er später im Gasthof „Krug zur alten Mühle“ im nahen Hansühn vor den etwa 100 Milchbauern und Gästen sagen und die BDM-Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen loben. Zugleich lautet sein Credo: EU-Subventionen für die Landwirtschaft sollen in Zukunft nicht mehr für höhere Produktionen fließen, sondern stets an einen gesellschaftlichen Mehrwert gebunden sein: Ökologie, Natur- und Umweltschutz.

„Wohin wird die Reise gehen, das ist die Frage“, sagt nachdenklich Milchbauer Hans-Jürgen Clausen (47) aus Wangels. Dessen Hof hatte der BDM als erste Station ausgesucht. „Wir werden wachsen, das ist klar. Der Knackpunkt sind die Flächen.“ Und die werden – nicht nur in Ostholstein – knapp. Denn für Bebauungen, so etwa für neue Windenergieanlagen, müssen Ausgleichsflächen geschaffen werden. Die Preise sind enorm gestiegen, berichten Milchbauern. Habeck weiß noch keine Lösung, bringt aber die Idee ein, dass alle Pachtverträge dem Ministerium gemeldet werden müssen, „damit wir wenigstens Klarheit haben über die Entwicklung“.

Mehr arbeiten und mehr produzieren

Mit dem Milchpreis von zurzeit 33 Cent scheinen die Milchbauern einigermaßen hinzukommen – auch wenn betriebswirtschaftlich gerechnet 40 Cent notwendig wären. Bei den Clausens bekommt Sohn Philipp als Hofangestellter ein Gehalt, „meine Frau und ich müssen sehen, was dann noch bleibt“, sagt Vater Clausen. Mehr arbeiten und mehr produzieren, nennt er als Perspektive. Seine Tochter („eine Kuhfanatikerin“) ist Herdenchefin auf dem Milchhof von Huhne. Man dürfe nicht alles negativ sehen, „wir sind gesund, und mein ganzer Stolz ist unser sieben Monate altes Enkelkind“, sagt Clausen. Mit Grausen denkt er an das Jahr 2008/2009, als der Milchpreis 18 Cent betrug. „Daran haben wir heute noch zu knabbern.“

Habeck deutet Vorbehalte gegen die Expansion an. Die Frage, wie viele Kühe passen überhaupt ins Land und wie viel Gülle ist verkraftbar, sei noch gar nicht richtig beantwortet.

Und Huhne sieht vor allem „die Verbraucher verarscht“. Milch, die drei Monate haltbar ist – homogenisiert, pasteurisiert und so weiter, das sei doch ein Unding. „Kein Wunder, dass viele dann eine sogenannte Milchallergie gegen solche 'Milch' haben.“ Kürzlich hatte er ein allergisches Kind aus dem Ruhrgebiet zu Besuch. „Dem habe ich erstmal richtig frische Milch gegeben, davon bekam die dann keine Allergie mehr.“