An der Schlei sind die Menschen tief enttäuscht über das Serienaus. Kappelns Bürgermeister hat Kontakt zur Landesregierung aufgenommen.

Kappeln. Mit einem lauten Knall fliegen medizinische Fachbücher in den Container auf dem Hof. "Brauchen wir nicht mehr", sagt Hardy Schwenk, zerlegt gleich noch ein Regal aus Sperrholz und schmeißt die Bretter hinterher. Sein Kollege Michael Janssen trägt ein paar Stühle aus dem Haus und lädt sie in einen Hänger. Das Haus ist Gut Lindauhof, ein weißes Gebäude von 1699 und Millionen Fernsehzuschauern bestens bekannt. Hier hat seit Februar 1987 der Landarzt aus der gleichnamigen ZDF-Serie praktiziert und gelebt. Am Dienstag vergangener Woche fiel die letzte Klappe, die 22. Staffel ist abgedreht. Das ZDF will die Serie nicht fortsetzen. Kehraus im Landarzt-Land.

"Acht Jahre habe ich die Ausstattung für die Serie gemacht", sagt Schwenk, der bei der TV-Produktionsfirma Novafilm arbeitet. "Da hängt man dann doch dran." Nun sortiert der 60-Jährige, was zurück in den Fundus geht, auf dem Flohmarkt verkauft werden soll oder im Müllcontainer endet. Ein paar Tage brauchen die Männer noch, bis sie den Besitzern die Räume besenrein übergeben.

Gelbe Rapsfelder, reetgedeckte Häuser, die Schlei als glitzernder Ostseefjord und ein sympathischer Doktor - das sind seit mehr als 25 Jahren die Zutaten für das Erfolgsrezept "Der Landarzt". Zwischen Schleswig und Schleimünde, der Geltinger Bucht und der Halbinsel Schwansen mit Kappeln als Zentrum liegt der fiktive Ort Deekelsen, wo der Landarzt lebt und liebt, Wehwehchen kuriert, Seelen tröstet und Klatschtanten liebevoll ignoriert.

Christian Quadflieg begründete den Erfolg der Serie. Von 1987 bis 1992 war er Dr. Karsten Mattiesen. "Ich bedauere sehr, dass die Serie eingestellt wird", sagt der Hamburger Schauspieler dem Abendblatt. "Die Region Schlei als Deekelsen ist etwas Besonderes, da hätte es noch Stoff für viele Geschichten gegeben." Nach Quadfliegs tragischem Serientod übernahm Walter Plathe alias Dr. Uli Teschner die Praxis, ihm folgte Anfang 2009 der jung-dynamische Dr. Jan Bergmann aus Hamburg, gespielt von Wayne Carpendale. Mehr als vier Millionen Zuschauer wollen regelmäßig jeden Freitag um 19.25 Uhr den Landarzt sehen.

"Wirtschaftliche Gründe kann das ZDF da eigentlich nicht anführen, warum sie die Serie einstellen wollen", sagt Heiko Traulsen. Der Bürgermeister von Kappeln weiß um die ökonomische Bedeutung der Serie für seine Stadt und die Schlei-Region. "Wir leben hier vom Tourismus. Viele Gäste kommen, um die Drehorte zu sehen." Nicht nur Gut Lindauhof, sondern auch die Landarztkneipe neben der Kirche in Kappeln im Hotelrestaurant Aurora. Da steht der "Landarzt-Stammtisch", dort hängen Autogrammkarten vieler Mitwirkender an den Wänden. "Wir erwarten Einbußen", sagt Geschäftsführer Sami Zoronjic. "Den Namen des Lokals behalten wir aber bei."

Genau wie Dirk Seidel, der seinen Salon in der Fußgängerzone von Kappeln "Deekelsen's Friseur" genannt hat. "Ich habe das ZDF gefragt, die hatten nichts dagegen", sagt der 52-Jährige.

Bürgermeister Traulsen ist auf den Sender aus Mainz nicht so gut zu sprechen. "Die Stadt Kappeln hat sehr viel für das ZDF und die Produktionsfirma getan, damit die Dreharbeiten immer reibungslos liefen." In 25 Jahren sei da einiges zusammengewachsen. "Deshalb empfinde ich es als schlechten Stil, dass wir vom ZDF vorher nichts erfahren haben und so vor vollendete Tatsachen gestellt werden."

Aus Mainz heißt es dazu, man habe Verständnis, dass eine Region das Ende einer Serie bedauere. "Das ZDF steht aber in keinem Verhältnis zum Bürgermeister von Kappeln und hat daher auch keine Veranlassung, Programmentscheidungen vorab zu kommunizieren." Traulsen hat auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Torsten Albig (SPD) um Hilfe gebeten. Als Vertreter des Landes wird Justizstaatssekretär Eberhard Schmidt-Elsaeßer am kommenden Freitag an der Sitzung des ZDF-Fernsehrates teilnehmen. Der Staatssekretär werde dann "nach den Hintergründen fragen, die zur beabsichtigten Einstellung der Serie führen sollen", so die Landesregierung. Wohl mit wenig Erfolg: "Das ZDF trifft seine Programmentscheidungen autonom", stellt die Pressestelle fest. "Eine Revision der getroffenen Entscheidung wird es nicht geben."

Dass Veränderungen in Sachen Landarzt anstehen könnten, hat Hedda Krog vom gleichnamigen Hotel und Cafe in Ulsnis schon im Sommer gespürt. "Als die bei mir zuletzt im Juni gedreht haben, war schlechte Stimmung im Team", sagt die Gastronomin, deren Hof von 1863 in der Serie der Gasthof von Landarzt-Gattin Maren Jantzen ist. Für Kappeln und Umgebung wirbt die Tourismusorganisation Ostseefjord auf ihrer aktuellen Broschüre noch mit Wayne Carpendale für das Paket "Auf den Spuren des Landarztes". "25 Jahre Dreharbeiten an der Schlei haben unsere Gegend sehr bekannt gemacht und der Region eine Wertschöpfung gebracht, die wir sehr vermissen werden", sagt Marketingleiterin Andrea Simons. Gleichwohl werde man weiter für Ferien im Landarzt-Land werben. "So schnell wird die Serie nicht vergessen."

23 Folgen strahlt das ZDF noch aus. Im Rittersaal auf Gut Lindauhof mit den bemalten Deckenbalken und den zwei Kaminen, wo in der Serie das Wartezimmer der Praxis war, sollen künftig Lesungen oder Konzerte stattfinden. Im Landarztstil.