Heiße Sommer und milde Winter sorgen Klimaforschern zufolge auch an der Ostsee für Veränderungen. Nun ist die Landwirtschaft gefragt.

Stralsund. Die klimabedingte Erwärmung der Ostsee wird nach Ansicht von Forschern die Lebensbedingungen der Meereslebewesen verändern und von den Menschen Anpassungsstrategien erfordern. Der Klimaforscher Marcus Reckermann vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht rechnet bis Ende des Jahrhunderts mit einem Anstieg des Meeresspiegels in der südlichen Ostsee von 70 bis 80 Zentimeter. „Es gibt keinen Grund in Panik zu verfallen“, sagte Reckermann am Dienstag in Stralsund. Der Mensch könne sich den Bedingungen langfristig anpassen.

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In dem Projekt „Regionale Anpassungsstrategien für die deutsche Ostseeküste“ (Radost) erforschen Wissenschaftler von 17 Instituten, Behörden und weiteren Partnern aus Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern den Klimawandel und erarbeiten regionale Anpassungsstrategien. Die Wissenschaftler informieren bis 20. September auf einer „Klimaanpassungstour“ entlang der Ostseeküste von Greifswald nach Kiel Behörden und interessierte Besucher über die Möglichkeiten, sich auf die veränderten Bedingungen einzustellen.

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Die Temperatur der Ostsee werde bis Ende des Jahrhunderts um mehr als zwei Grad ansteigen, der Salz- und Sauerstoffgehalt zurückgehen, sagte der Direktor des Instituts für Ostseeforschung, Ulrich Bathmann. Infolge des Temperaturanstiegs rechnen Forscher mit einem stärkeren Algen- und Quallenwachstum. „Pylone der Windkraftanlagen geben gute Überlebensmöglichkeiten für Polypen“, sagte Bathmann. Makroalgen könnten verstärkt an Strände gespült werden.

Auch Salmonellen oder e-coli-Bakterien könnten durch eine Abnahme des Salzgehaltes länger in der Ostsee überleben. Zudem rechnen die Forscher bis 2100 mit einem Rückgang des Eises in den Wintermonaten um bis zu 80 Prozent, mit Auswirkungen für die Robben, die auf dem Eis ihren Nachwuchs aufziehen.

Vor allem die Umweltbelastungen durch die Landwirtschaft müssen nach Auffassung der Forscher verringert werden. Durch die Zunahme der Niederschläge von bis zu 64 Prozent in den Wintermonaten würden mehr Nährstoffe aus dem Boden in die Ostsee befördert. Trotz der in den vergangenen Jahren eingeleiteten Maßnahmen zur Reduzierung von Stickstoff und Phosphor liege der Eintrag noch immer 4 bis 5 Mal über dem Niveau des vorindustriellen Zeitalters.

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„Die Ostsee als weitgehend abgeschlossenes Meer, ist sehr anfällig für Nährstoffeinträge“, sagte der Kieler Forscher Peter Krost. Die Ostseeanrainer müssten dafür sorgen, dass die in internationalen Abkommen vereinbarten Reduzierungsziele tatsächlich umgesetzt werden. Als weitere Maßnahmen könnten Muscheln in besonders verschmutzten Gebieten eingesetzt werden, sie reinigen als natürliche Filter das Wasser von Schadstoffen.

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Der Klimawandel hat nach Ansicht der Forscher auch positive Auswirkungen auf die Ostseeregion. So werde sich in Nordeuropa die Wasserverfügbarkeit im Sommer erhöhen und die Wachstumsperiode um vier bis sechs Wochen verlängern, sagte Reckermann.

Mit Material von dpa