Hochstimmung dank der erfreulichen Prognose im Alten Land, während in weiten Teilen Europas mit schlechten Erträgen gerechnet wird.
Hollern-Twielenfleth. Der Apfel in seiner Hand sieht gut aus: Groß und prall ist er, leicht rötlich schimmert die bis vor Kurzem noch grüne Schale. Hauke Meyer beißt rein, dass es nur so kracht. Und nickt anerkennend. Sieht also nicht nur gut aus, dieser Apfel, sondern schmeckt offensichtlich auch so. Meyer, Obstbauer aus Hollern-Twielenfleth bei Stade, ist in seinem Revier. Das ist 27 Hektar groß, auf 20 Hektar wachsen Apfelbäume, sie stehen schnurgerade in Reihe, die Reihen sind lang, und es gibt sehr viele davon hier im Alten Land. Nun hängen die Früchte schwer an den Ästen. Im Obstkorb Hamburgs, wie das größte zusammenhängende Obstanbaugebiet Mitteleuropas auch genannt wird, beginnt in diesen Tagen die Ernte. Und sollten sich die Prognosen der Landwirtschaftskammer Niedersachsen bewahrheiten, wird es eine für die Altländer Bauern ausgesprochen erfreuliche Ernte.
Matthias Görgens von der Obstbauversuchsanstalt der Landwirtschaftskammer im Jorker Obstbauzentrum Esteburg spricht von schätzungsweise 285.000 Tonnen Äpfeln, die in diesem Jahr in der Niederelbe-Region gepflückt werden können. Das wären zwar nur 5000 Tonnen - nicht mal zwei Prozent - mehr als in der vergangenen Saison. Allerdings dürfte sich das Obst gut verkaufen lassen, vermutet Görgens. "Die geringe Erntemenge in vielen anderen Teilen Europas spricht dafür", sagt der Experte.
In der Tat scheint es ganz so, als steuere der Kontinent auf eine Apfelknappheit zu. Frost zur Blütezeit in Südtirol, Hagelschäden in Süddeutschland und Spanien - nach Görgens' Worten einige von mehreren Gründen dafür. Europaweit werden den Prognosen der Landwirtschaftskammer Niedersachsen zufolge 9,7 Millionen Tonnen Äpfel zusammenkommen - gut neun Prozent weniger als vor einem Jahr. "Und die Äpfel aus dem Vorjahr sind so gut wie ausverkauft", sagt Görgens, "auch die Überseeware."
Dass sich die Verbraucher angesichts dieser Situation auf steigende Preise einstellen müssen, halten die Altländer aber für unwahrscheinlich. Stefan Moje, Geschäftsführer der Elbe-Obst Erzeugergemeinschaft in Hollern-Twielenfleth, in der etwa zwei Drittel der rund 650 Obstbauern von der Niederelbe zusammengeschossen sind, sagt: "Die Knappheit wird sich nicht in Richtung Verbraucher auswirken." Was es dieses Jahr aber wohl nicht geben werde, sei ein "Preiswettbewerb um den Regalplatz". Oder, wie der Vorsitzende des Obstbauversuchsrings des Alten Landes, Jens Stechmann aus Lühe, formuliert: "Wir können nicht mit Importware unter Druck gesetzt werden."
Nach Einschätzung der Altländer Obstexperten sind es also die Handelsketten, die voraussichtlich Abstriche werden machen müssen. Deren Marge scheint enorm. Walter Hollweg, Sprecher der Landwirtschaftskammer Niedersachsen: "Vom Apfelpreis im Laden bleiben etwa 25 Prozent beim Erzeuger, die Hälfte beim Lebensmitteleinzelhandel."
Für den Obstbauern Hauke Meyer ist es da durchaus rentabel, einen Teil seiner Ware im Hofladen zu verkaufen. Für das Kilo Äpfel - es sind die allerletzten aus dem vergangenen Jahr - nimmt er zurzeit 1,50 Euro. Das ist weniger, als in vielen Supermärkten verlangt wird. "Ja, zu Hause fällt die Marge weg", sagt Meyer. Er baut 20 Sorten an, insbesondere wegen seines Hofladens. Und weil er als leidenschaftlicher Obstbauer das gut findet. "Für den Handel würden vier reichen", sagt er, "da brauchst du nur groß, rot, viel."
Das Gros seiner Ernte, etwa 90 Prozent, gehen in den Handel. Auch Meyer liefert an die Erzeugergemeinschaft Elbe-Obst, deren Vermarktungsgesellschaft sich dann um den Absatz der Altländer Äpfel kümmert. "Etwa 40 Prozent landen beim Discounter, weitere 35 Prozent in Supermärkten", sagt Frank Döscher, Geschäftsführer der Vermarktungsgesellschaft. Den Exportanteil - Äpfel aus dem Obstkorb Hamburgs sind auch in Großbritannien, Skandinavien und Russland gefragt - beziffert er mit zehn bis zwölf Prozent. Etwa fünf Prozent gelangten über sonstige Kunden, beispielsweise über den Großmarkt, in den Handel. Der Rest sei Industrieware. Daraus wird dann zum Beispiel Apfelsaft.
Zurzeit reist Döscher durch die Lande und besucht die potenziellen Großabnehmer. Die Altländer sind zum jetzigen Zeitpunkt vorsichtig, sich zu möglichen Preisen zu äußern, sie eruieren erst mal die Lage. "Der Markt ist noch nicht abgeklopft", sagt Döscher, "wir sind noch mitten in der Preisfindungsphase."
Apfelbauer Hauke Meyer ist ein kerniger Typ, ein Macher. Und doch liegt dieser Tage auch immer etwas Sorgenvolles in seinen Augen, wenn er seine Apfelbäume abschreitet. Prall sind die Früchte an den Bäumen, aber eingefahren ist die Ernte noch nicht. "Es ist warm, und im Boden ist viel Wasser. Das ist gut für die Äpfel", sagt Meyer. Aber die Angst vor einem Hagelschauer - die bleibt immer.