Die Montag vorgestellten Messergebnisse liegen nun unter dem Eingreifwert. Umweltminister Sander kann sich Lagerung in Bunkern vorstellen.

Hannover. Die Strahlenwerte am Atommüll-Zwischenlager in Gorleben liegen nach jüngsten Messungen nicht in einem kritischen Bereich. Experten der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig ermittelten jetzt einen Gesamtstrahlungswert von 0,212 Millisievert (mSv) pro Jahr, wie das niedersächsische Umweltministerium am Montag in Hannover mitteilte.

Regierungsparteien und Opposition werteten das Ergebnis unterschiedlich. Während die SPD ihre Forderung bekräftigte, den zum Jahresende angekündigten Castor-Transport abzusagen, kann dieser aus Sicht der FDP nun „nicht mehr als politischer Spielball missbraucht werden“.

Das Umweltministerium in Hannover hatte die PTB mit Messungen beauftragt, nachdem zuvor erhobene Strahlenwerte darauf hindeuteten, dass der sogenannte Eingreifwert von 0,27 mSv pro Jahr am Zaun des Zwischenlagers nicht sicher auszuschließen ist und bis zum Jahresende der Genehmigungswert von 0,3 mSv pro Jahr überschritten werden könnte.

Es könne allerdings erst nach der zusammenfassenden Bewertung aller Mess- und Prognosedaten für die Jahresdosis entschieden werden, ob die Einlagerung weiterer Castor-Behälter in Gorleben genehmigt werden könne, hieß es seitens des Umweltressorts. Das werde nicht vor Ende Oktober geschehen.

Das Umweltministerium hat auch den TÜV mit eigenen Prognoserechnungen beauftragt. Dabei sollen die Experten die Strahlenwerte ohne beziehungsweise mit Einlagerung von weiteren elf Castor-Behältern mit Atommüll voraussagen. Die TÜV-Prognosen stehen noch aus.

Die neuen Messwerte über die Strahlenbelastung am Zwischenlager Gorleben hätten „keine grundsätzlich neue Situation geschaffen“, sagte der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Detlef Tanke. Es bleibe dabei, dass die vom Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) gemessene Strahlendosis zu hoch sei, um einen weiteren Transport genehmigen zu können. Der NLWKN führt in Gorleben im Auftrag des Umweltministeriums vom Betreiber unabhängige Messungen durch. Die PTB-Ergebnisse passten „vorzüglich ins Konzept der Landesregierung“, die die Castoren unbedingt noch in diesem Jahr nach Gorleben bringen wolle.

Dagegen betonte der umweltpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Gero Hocker, die Messergebnisse hätten sich „als so gering bestätigt, dass eine Gefährdung der Menschen im Wendland ausgeschlossen ist“. Es sei gut, dass zusätzlich gemessen worden sei.

Auf der Suche nach einem Endlager für Atommüll kann sich Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander auch eine zentrale Lagerung in ehemaligen Bunkeranlagen vorstellen. „Langfristig wird die Sicherheit der Lager etwa vor Terroranschlägen eine besondere Rolle spielen“, sagte der FDP-Politiker in Hannover. Wenn die Rückholbarkeit wichtigstes Kriterium sein soll, werde auch Ton und Granit interessant. „Und dann ist ja auch die Frage, ob wir eine oberirdische Lagerung wollen“, betonte Sander. Das könne ein stillgelegtes Kernkraftwerk ebenso sein, wie eine alte militärische Anlage irgendwo in Deutschland. „So eine Art Bunker-Lösung.“

Anlaß waren die im August erhöhten Strahlenwerte am Atommüll-Zwischenlager Gorleben. Bei Messungen Ende August waren im Vergleich zum Vorjahr gestiegene Strahlenwerte festgestellt worden. Daraufhin führte die Physikalisch-Technische Bundesanstalt neue Messungen durch. Sander geht davon aus, dass der vermutlich Ende November anstehende Castor-Transport nicht abgesagt werden kann. Die Opposition aus Grünen und SPD dringt aber weiter auf eine Absage des nächsten Atommüll-Transports in das Zwischenlager.

Aus Sicht Tankes sind die vorgelegten neuen Messergebnisse mit Vorsicht zu betrachten. Er fürchte, dass „Rechenkünstler“ die Werte teils künstlich gedrückt haben. Auf Basis der bisherigen Messungen könne der Castor nicht gefahrlos in Wendland rollen: „Die Jahresdosis ist überschritten. Deshalb muss der Transport abgesagt werden."

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Unterdessen führen die Atomkraftgegner von Greenpeace die erhöhten Strahlenwerte in Gorleben auf ungefilterte Lüftungsanlagen zurück. Auf den Aufnahmen einer Wärmebildkamera sei zu sehen, wie die durch den Atommüll aufgeheizte Luft im Inneren der Lagerhalle durch Lüftungsschlitze austrete, teilte die Umweltschutzorganisation Greenpeace am Montag mit. Auch sogenannte Streustrahlung gelange zu einem großen Teil auf diesem Weg in die Umwelt.