Sollten die Verträge gegen das Gesetz verstoßen, würden millionenschwere Nachzahlungen fällig. Das Kultusministerium bleibt gelassen.

Hannover. Neuer, alter Ärger: Bis zu 24.000 Honorarverträge von Fachkräften an niedersächsischen Ganztagsschulen stehen nach Gewerkschaftsangaben auf dem Prüfstand der Staatsanwaltschaft Hannover. „Pro Jahr geht es um 7.000 bis 8.000 Verträge“, sagte Eberhard Brandt, Chef der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Niedersachsen (GEW).

Insgesamt sei die Zahl der für die GEW gesetzwidrigen Verträge vermutlich noch höher, jedoch seien einige der Vergehen bereits verjährt, sagte Brandt. Laut Oberstaatsanwalt Manfred Knothe beträgt die Frist fünf Jahre, es müsse jedoch im Einzelfall entschieden werden.

Ende Januar hatte die Staatsanwaltschaft Akten des Kultusministeriums eingezogen, um zu klären, ob Schulen für einige Mitarbeiter sozial- und rentenversicherungspflichtig gewesen wären. Sollte sich der Vorwurf bestätigen, würden Nachzahlungen in Millionenhöhe fällig. „Die Ermittlungen werden sicherlich noch weit ins nächste Jahr hineinreichen“, betonte Knothe.

Das Kultusministerium in Hannover reagierte gelassen auf die jetzt vorgelegten GEW-Zahlen. „Seit 2002 geht es im Ganztagsschulbereich in Niedersachsen um Vertragsverhältnisse mit mehr als 20 000 Personen“, sagte eine Sprecherin. Trotz der ungeklärten Sachlage seien die Ganztagsangebote für das beginnende Schuljahr aber gesichert. „Sollte es in Einzelfällen unverschuldete Budgetüberschreitungen geben, werden wir den Schulen helfen.“

Die SPD-Fraktion im Landtag fordert hingegen eine Sonderprüfung des Landesrechnungshofes. „Es wird Zeit, dass eine wirklich unabhängige Institution Zugang zu den Akten des Kultusministeriums bekommt, sie prüft und dem Parlament berichtet“, sagte Fraktionsvize Frauke Heiligenstadt.

Angesichts der „neuen Runde im Ganztagsskandal“, appellierte Brandt an die betroffenen Kultusminister und Staatssekretäre: „Der Anstand gebietet, dass sie sich gegenüber der Staatsanwaltschaft zu ihrer rechtlichen Verantwortung bekennen.“ Dies gelte für den ehemaligen Kultusminister und heutigen Justizminister Bernd Busemann, ebenso wie für seine Nachfolgerin Elisabeth Heister-Neumann als auch für Bernd Althusmann (alle CDU).

Verwirrung gibt es derzeit über die Personen, gegen die ermittelt wird. Knothe dementierte auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa, dass gezielt gegen drei Juristen des Kultusministeriums ermittelt werde. Dies hatte die GEW zunächst berichtet. „Wir ermitteln noch immer gegen Unbekannt. Daran hat sich nichts geändert“, so Knothe. Die Staatsanwaltschaft gehe zudem noch immer von rund 10 000 Verträgen aus. Die von der GEW genannte Zahl sei eventuell dadurch zu erklären, dass mit einzelnen Fachkräften mehrere Verträge abgeschlossen wurden.

Wenige Tage vor Beginn des neuen Schuljahres kritisierte Brandt zudem die Zahl der neuen Lehrerstellen. 700 zusätzliche Stellen an allgemeinbildenden Schulen und 150 Stellen im berufsbildenden Bereich seien „zu gering, um nur einen Funken Entlastung zu erreichen“, sagte Brandt. Ministerpräsident David McAllister (CDU) müsse das von seinem Vorgänger Christian Wulff gegebene Versprechen einlösen, die Lehrer in Niedersachsen zu entlasten.

Auch die von Schwarz-gelb in diesem Jahr initiierte Oberschule wurde erneut massiv kritisiert. „Sie hat nicht wie von CDU und FDP gewünscht dazu geführt, dass Gesamtschulen weniger beliebt sind.“ Noch immer gingen dort im Schnitt 40 Prozent mehr Anmeldungen ein als vorhandene Gesamtschulplätze. Das Land müsse deshalb aufhören, die Gesamtschulen etwa bei den Neugründungen zu benachteiligen. Nach den Sommerferien öffnen in Niedersachsen 132 Oberschulen erstmals ihre Pforten, 17 davon mit gymnasialen Angeboten.

Ungeachtet der jüngsten Kritik hat Althusmann für einen sicheren Schulweg geworben. Im Internet können Eltern angesichts des anstehenden Schuljahresbeginns einen sicheren Fußweg zur Schule planen. Sozialministerin Aygül Özkan (CDU) appellierte zudem an die Eltern von Erstklässern, bei Bedarf einen Antrag für Schulbedarfspakete zu stellen. Diese sollen durch finanzielle Zuschüsse sicher stellen, dass sich auch Kinder aus bedürftigen Familien mit Schreib-, Rechen- und Zeichenmaterialien sowie Schulranzen, Rucksack und Sportzeug versorgen können. (dpa)