Der Bergungsschlepper vor Helgoland soll das Notfallkonzept für die Deutsche Bucht bereichern. In Hamburg wurde die “Nordic“ getauft - heute ist Charterbeginn in Cuxhaven.

Cuxhaven. Zwölf Jahre nach der „Pallas“-Katastrophe scheint eines der größten Löcher im Sicherheitsnetz für die Deutsche Bucht gestopft. Seit Jahresbeginn liegt der neue Bergungsschlepper „Nordic“ vor Helgoland bereit, um im Notfall mit der Kraft von 23.000 PS selbst voll beladene Supertanker mühelos auf den Haken zu nehmen. „Dies ist ein wichtiger Baustein in unserem Notfallkonzept“, sagt der Leiter des Havariekommandos in Cuxhaven, Hans-Werner Monsees. Der Bund hat den 50 Millionen Euro teuren Neubau für zunächst zehn Jahre zum Schutz der Küste vor Schiffshavarien gechartert. An diesem Mittwoch (19.) ist in Cuxhaven feierlicher Charterbeginn.

Nahezu jedes größere Schiffsunglück lässt an der Küste die Erinnerung an das Drama um die „Pallas“ wach werden. Der Holzfrachter war im November 1998 nach mehreren gescheiterten Bergungsversuchen tagelang brennend durch die Deutsche Bucht gedriftet und schließlich vor Amrum gestrandet. „Erst vor wenigen Monaten hat der Fall der brennenden Ostsee-Fähre gezeigt, wie wichtig eine ausreichende Schleppkapazität ist“, sagt Monsees. „Ausreichende Notschlepp-Kapazitäten bereitzustellen, ist eine staatliche Aufgabe“, zitiert die Sprecherin der Wasser- und Schifffahrtsdirektion (WSD) Nord, Claudia Thoma, das Ergebnis einer Untersuchungskommission, die sich mit den Konsequenzen aus der „Pallas“-Katastrophe befasste.

Nach dem 98er Drama hatte der Bund zunächst den 1969 gebauten Hochseeschlepper „Oceanic“ für diesen Zweck gechartert. Obwohl die „Oceanic“ zu den stärksten Hochseeschleppern der Welt zählt, schien das Bundesverkehrsministerium mit dem schwimmenden Kraftpaket nie so ganz glücklich zu sein. Wiederholt wurden die jeweils nur kurzfristigen Charterverträge erst in letzter Minute vor dem Beginn der stürmischen Jahreszeit verlängert. Allerdings benötigte es auch Jahre, bis der von der sogenannten Grobecker-Kommission empfohlene Neubau „Nordic“ vom Bund ausgeschrieben wurde. Die Besonderheit des 78 Meter langen Schleppers liegt nicht allein in seiner Kraft. Sein Innenraum lässt sich hermetisch gegen die Außenluft abschirmen. „Dadurch kann der Schlepper auch havarierten Frachtern Hilfe leisten, bei denen giftige oder explosive Stoffe austreten“, sagt der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Enak Ferlemann (CDU). Er wird am Mittwoch offiziell den Chartervertrag für die „Nordic“ unterschreiben.

Betrieben wird der Schlepper von der „Arge Küstenschutz“, zu der sich die großen deutschen Schleppreedereien zusammengeschlossen haben. Sie stellen auch die sogenannten Boarding-Teams aus erfahrenen und nervenstarken Bergungsspezialisten, die im Notfall auf havarierten Schiffen abgesetzt werden und dort die Mannschaft ersetzen sollen. „Wir werden in Kürze ein umfangreiches Trainingsprogramm für die Besatzungen beginnen“, verspricht Monsees. Dieses Training gilt auch für das Zusammenspiel zwischen der „Nordic“ und den beiden staatlichen Mehrzweckschiffen „Mellum“ und „Neuwerk“. Beide sind als Tonnenleger und für die Schifffahrtspolizei in der Deutschen Bucht im Einsatz, können im Notfall aber auch als Schlepper und für die Bekämpfung eingesetzt werden.

Die „Neuwerk“ war seinerzeit der brennenden „Pallas“ zur Hilfe geeilt, konnte den Havaristen aber nicht erfolgreich auf den Haken nehmen. Während „Neuwerk“ und „Mellum“ überwiegend vor der Wesermündung und der ostfriesischen Küste operieren, liegt die „Nordic“ vor Helgoland in ständiger Einsatzbereitschaft. Damit sei gewährleistet, dass ein Havarist innerhalb von zwei Stunden Unterstützung durch einen kräftigen Schlepper bekommen kann, ist die WSD Nord überzeugt. Das Havariekommando zeigt sich entschlossen, diese Zeitspanne mit Hilfe der „Nordic“ einzuhalten. „Für die Bewältigung der meisten Havarie-Konstellationen ist schnelle Schlepperhilfe entscheidend“, betont Monsees. Zu Beginn der „Pallas“-Katastrophe hatte es seinerzeit viele Stunden gedauert, bis überhaupt jemand die Gefahr durch den brennenden Holzfrachter erkannte.