Es gibt 81 Neugründungen von Oberschulen in Niedersachsen. Kultusminister Althusmann (CDU) sieht sich durch Anmeldezahlen bestätigt.
Hannover. Für den niedersächsischen Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) ist es ein "Riesenerfolg": Nur ein Jahr nach ihrer Einführung schickt sich die neue Oberschule an, alle anderen Schulformen außer dem Gymnasium abzuhängen. Mit dem neuen Schuljahr, so teilte der Minister gestern mit, gehen weitere 81 Oberschulen an den Start, insgesamt sind es dann 213. Sie verdrängen zunehmend Haupt- und Realschulen.
Mit der Einführung der Oberschule hat die schwarz-gelbe Landesregierung in Hannover vor Jahresfrist auf die rückläufigen Schülerzahlen und die Abkehr von immer mehr Eltern und Kindern von der Hauptschule reagiert. Die neue Oberschule führt im Regelfall bis zur mittleren Reife, aber möglich ist auch die Einrichtung einer gymnasialen Oberstufe. Dann führt die Oberschule in neun Jahren zum Abitur, während die Reifeprüfung an Gymnasien und Gesamtschulen in Niedersachsen schon nach acht Jahren abgelegt wird. Im ersten Jahr beantragten 17 Oberschulen die Oberstufe, im neuen Schuljahr ab Jahresmitte kommen noch acht hinzu.
+++ Die Schullandschaft im Norden +++
Zum Vergleich: Den künftig 213 Oberschulen und 257 Gymnasien stehen nur noch knapp 200 Hauptschulen und verbundene Haupt- und Realschulen gegenüber, die einen 5. Jahrgang überhaupt einrichten. Damit aber entwickelt die neue Schulform eine Eigendynamik, weil die Zahl der Anmeldungen zu Hauptschulen noch einmal deutlich zurückgehen wird. Bereits im vergangenen Jahr ist die Zahl der Neuanmeldungen auf einen neuen historischen Tiefstand von 8,6 Prozent gesunken, die Oberschulen dagegen erreichten bereits im ersten Jahr 10,7 Prozent. Mehr als 26 Prozent wechselten auf Realschulen, mehr als 41 Prozent auf Gymnasien und mehr als zwölf Prozent auf Gesamtschulen. Und nicht nur die neuen Oberschulen werden dafür sorgen, dass die Hauptschulen weiter austrocknen. Laut Landesschulbehörde wurde für das neue Schuljahr auch die Gründung von insgesamt fünf neuen Gesamtschulen genehmigt, und zwar in Embsen im Landkreis Lüneburg, in Oyten im Landkreis Verden, in Lilienthal im Kreis Osterholz sowie in Braunschweig und Wolfenbüttel. Über zwei weitere Anträge wurde bislang noch nicht entschieden.
Durchgesetzt hat die Landesregierung die neue Schulform gegen den erbitterten Widerstand der drei Oppositionsparteien. Die hatten ihre Zustimmung für einen Parteienkonsens nach dem Vorbild von Bremen an die Bedingung geknüpft, auch die Genehmigung von Gesamtschulen zu erleichtern. Die aber müssen auch künftig fünfzügig sein, und vorgeschrieben ist ein aufwendiges Verfahren, um über einen langen Zeitraum die notwendigen Schülerzahlen nachzuweisen.
Verglichen mit den Nachbarländern Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen gibt es in Niedersachsen jetzt einen regelrechten Flickenteppich aus Gymnasien, Oberschulen, Hauptschulen, Realschulen sowie verbundenen Haupt- und Realschulen. Für Kultusminister Althusmann aber ist klar, in welche Richtung sich die Schullandschaft entwickeln wird: "Die Oberschule ist neben unseren starken Gymnasien zur zweiten tragenden Säule unseres Schulwesens geworden." Die neue Schule erfülle den Wunsch vieler Eltern, abschließende Bildungsentscheidungen länger offenzuhalten. Und der Minister verweist offensiv auf den Verdrängungswettbewerb, den die neue Schulform ausgelöst hat: "Häufig lassen kommunale Schulträger Haupt- und Realschulen auslaufen, wenn sich vor Ort eine Oberschule gründet."
+++ Ahlerstedter Schule wird Oberschule +++
Ina Korter, schulpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Niedersächsischen Landtag, kritisiert das Vorgehen des Ministers: "Die Oberschule wird von der Landesregierung bevorzugt. Es ist klar, dass die Schulträger die bessere Ausstattung dieser Schulform für sich nutzen." An einen dauerhaften Erfolg aber glaubt die Abgeordnete Korter nicht: "Das funktioniert nicht, weil die Oberschule dem Elternwillen nach Schulen mit gymnasialer Option nicht entspricht."
Frauke Heiligenstadt, schulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, wundert sich nicht über den Zulauf zur neuen Oberschule: "Der Kultusminister fördert sie durch offenkundige Ungleichbehandlung der anderen Schulen." So bekämen neue Oberschulen eine deutlich bessere Ausstattung als Ganztagsschulen, Lehrer müssten weniger als an anderen Schulen unterrichten: "Es ist doch klar, dass die Schulträger sich die bessere Ganztagsausstattung nicht entgehen lassen, aber da werden nur die Schilder ausgewechselt." Das aber ändere nichts am Problem der rückläufigen Schülerzahlen und der wachsenden Zahl an Kleinststandorten mit Kleinstoberschulen: "Die Strukturprobleme bleiben."